Die Gebote

 

Das Unendliche in einem irdenen Gefäß zu verbergen,
ist eine große Kunst.
Doch noch wunderbarer ist die Fähigkeit,
aus diesem Gefäß den Durst zu stillen.
Trinkt! Und möge kein Tropfen verschüttet werden!

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  1. Wenn ein Fremder entweder dich oder auch einen anderen, der Schutz braucht, physisch bedroht, so sollst du deine Kraft nur dazu einsetzen, dass der Ausbruch der blinden Wut gebändigt wird.
    Doch während deines Widerstandes darfst du nicht das Bestreben verlieren, diesem Unglücklichen deine Seelenwärme hinzugeben. Das sollst du, nachdem du die blinde Wut aufgehalten hast, auch tun.
  2. Sei rein in deinen Worten, denn nicht das, was du hörst, verunreinigt deine Seele, sondern das, was von dir ausgeht, kann sie in ein stinkendes Gefäß verwandeln. Wer über einen anderen Menschen spottet, betritt einen Weg, der in die Finsternis des Abgrunds führt.
  3. Wenn deine Unwahrheit Böses verursacht, so befindet sich deine Seele an der Schwelle gewaltiger Qualen.
    Wenn die Unwahrheit Enttäuschung bringt, so ist dies etwas Böses. Unwahrheit, die Böses verdeckt, ist etwas noch Böseres. Doch Unwahrheit, die Gutes schafft, ist Weisheit.
  4. Sei rein in deinen Gedanken, denn der Gedanke ist nicht nur Auftakt physischer Taten, sondern selbst eine Tat, die sowohl Wärme als auch Kälte ausstrahlt. Wer schlechte Gedanken oder Absichten gegenüber einem anderen Menschen hegt, schadet der Seele dieses Menschen und stürzt sich in den Sumpf der Finsternis.
  5. Einen Vertreter der tierischen und pflanzlichen Welt darfst du nur dann töten, wenn eine gewichtige Notwendigkeit besteht, wenn das Wohl den Schaden der Natur überwiegt. Doch während deines Lebens sei bestrebt, selbst den geringsten Verlust der Natur wiederherzustellen.
  6. Stiehl nicht, denn das schadet nicht nur zeitweilig dem Leben des Menschen, sondern verbreitet immer die Versuchung mangelnden Vertrauens zum Mitmenschen. Mangelndes Vertrauen zum Mitmenschen ruft Seelenkälte hervor. Seelenkälte aber ist dem Tod gleich.
  7. Unglücklich ist nicht jener, der etwas Äußeres verloren hat, sondern derjenige, der etwas in sich selbst verloren hat. Denn der Verlust von etwas Äußerem ist eine Prüfung, der Verlust von etwas Innerem aber ist ein fataler Fehler.
  8. Vertraust du jemandem nicht, habe mit ihm nichts zu tun. Hast du aber mit jemandem zu tun, vertraue ihm vollkommen. Misstrauen ist ein Zeichen für die Unreinheit deiner Seele.
  9. Lerne, das Geringere zugunsten des Größeren zu opfern, nicht nur in dir selbst, sondern auch in Bezug auf Außenstehende. Dies ist eine Prüfung für euren Verstand und die Reinheit der Seele.
  10. Achte den Glauben eines Gläubigen, denn Glaube ist die Entfaltung der Seele und die Vereinigung mit dem Ziel, das der Mensch sich gesetzt hat. Mit der Seele eines fremden Menschen grob umzugehen ist ein Zeichen für Unvernunft und Rohheit. Bereite deinen Weg neben dem existierenden Weg des einen oder anderen Menschen, und lass ihn selbst die Qualität dieser Wege einschätzen. Und trachte nicht danach, was entstanden ist, zu zerstören, ohne für einen Ersatz gesorgt zu haben.
  11. Tue unermesslich Gutes. Hilf auch jenen, die dich nachher verletzen können. Denkt daran! Der Mensch lebt nicht, um zu nehmen, sondern um zu geben. Nur dies formt und reinigt die Seele. Sei bestrebt, unbemerkt zu helfen, um der Eitelkeit keinen Tribut zu zahlen und um den Hilfsbedürftigen nicht in Verlegenheit zu bringen. Hilfeleistung verliert sofort ihren wahren Wert schon beim ersten Erinnern an sie, wonach sie sich in ein Pfand verwandelt.
    Denkt daran! Wohltaten, die von euch ausgehen und nicht von eurem Verstand geschützt werden, kann sich der Teufel zunutze machen, und dann gibt eure Welt Anlass zu Leiden. Unter dem Deckmäntelchen der Wohltat kann der Teufel versteckt sein, wenn die Absicht, Frieden zu schaffen, eigennützig war.
    Hilfe hat nicht immer eine wohltuende Wirkung. Eine wohltuende Wirkung hat Hilfe nur bei Leuten, die Werke vollbringen wollen und sie beginnen, aber Hilfe benötigen.
    Wenn man einem Menschen hilft, der etwas zu schaffen wünscht, aber nichts dazu tut, so kann diese Wohltat in der Seele jenes Menschen nur den Nährboden zum wilden Sprießen von Faulheit und ähnlichem Unkraut bereiten. Etwas anderes ist es bei Leuten, die unfähig sind, die gewünschte Tat zu beginnen.
  12. Wenn dem Vollbringen einer Wohltat nur die vernünftige Einsicht vorausgeht, dass etwas „Gutes“ dabei herauskommen soll, Dann ist das keine Bereicherung der Seele, sondern nur ein Weg zu geistigen Schätzen. Eine Bereicherung der Seele ist eine Wohltat, die aus reinem Herzen kommt.
  13. Wenn ein anderer Mensch leidet, und ihr seid euch bewusst, dass ihr helfen könntet, es aber nicht tut, so zeugt das von Kleinmut.
  14. Wenn du dir eines bevorstehenden Leidens der Seele und des Körpers eines fremden Menschen bewusst bist und nicht eingreifst, machst du dich zum Mittäter des Bösen und führt deine Seele zur Finsternis.
  15. Trachte nicht danach, den Gestrauchelten zu verurteilen, denn er ist unglücklich. Wer einen Unglücklichen verurteilt, ist nicht weniger unglücklich.
  16. Beleidige den, der dich beleidigt, nicht, denn du wärest seinem Wesen ähnlich. Entgegne nie der Kälte, die auf dich zukommt, ebenso mit Kälte, welchen Schmerz sie dir auch bereiten möge. Denn nichts von dem, was aus deinem Herzen kommt, geht verloren, sondern bleibt unter den Menschen. Die Kälte aber, mit der du antwortest, zerstört nicht die Kälte, die ankommt, sondern verstärkt sie noch. Nicht Dunkelheit vertreibt die Finsternis, sondern Licht.
  17. Bezweifle nicht die Vollbringung guter Taten, doch bezweifle die Vollbringung schlechter. Schrecklich und unvernünftig ist das Bestreben, nachzuweisen, dass jemand die einen oder anderen Wohltaten, die ihm zugeschrieben werden, gar nicht vollbracht hat.
  18. Sei bestrebt, die Höhen der Geistigen Liebe zu erreichen, einer der drei Schwestern der Mutter Vollkommenheit. Sie entsteht zwischen dem Menschen und seiner Umwelt: den Menschen, den Tieren und den Pflanzen. Dieser Gipfel muss von allen Emporstrebenden erklommen werden. Doch ist der Weg für die meisten lang. Ihn zu begehen besteht in dem Bestreben, seine Seelenwärme grenzenlos den Mitmenschen hinzugeben.
    Aber bei den ersten Schritten wird auch dies vielen äußerst schwer fallen. Und deshalb muss man mit der persönlichen Läuterung beginnen. Nach einer gewissen Zeit verstärkt sich die Seelenwärme soweit, dass man in der Lage ist, sie den Mitmenschen weiterzugeben. Nie aber sei dein Blick darauf gerichtet, ob dir Gutes mit Gutem vergolten wird!
  19. Geh den Versuchungen nicht aus dem Weg, denn nur in der unmittelbaren Überwindung jeder Versuchung wird die Seele wirklich geläutert. Fühlst du aber, dass deine Kräfte bei dieser Läuterung nicht ausreichen, dann suche den Menschen, der dir Kraft geben kann. Dieser Mensch wartet bereits auf dich. Denke an die Worte Gottes: „Geh nicht den kurzen Weg, denn nicht jeder wird Mein Reich betreten.“
  20. Zieh dich nicht aus der Welt zurück, denn der Segen, den du suchst, soll von Mensch zu Mensch weitergegeben werden, – nur darin besteht die Stärke.
    Der Segen ist ein Fluss, der nicht angehalten werden darf. Er geht in dich ein, damit er, dort veredelt, unbedingt zu einem anderen Menschen weiter fließt.
    Denkt daran! Wenn ein Fluss stehen bleibt, wächst er zu und erstarrt zu einem Sumpf.
  21. Nähert eure Seelen den Gipfeln der Reue. Doch echte Reue ist nicht nur ein verbales Zugeben seiner schändlichen Taten. Echte Reue ist die Fähigkeit, seine Seele Gott gegenüber zu öffnen, und die Fähigkeit, den Schmerz und den Verlust jenes Menschen zu erleiden, dem man geschadet hat, wie auch jedem anderen Wesen der tierischen und pflanzlichen Welt.
    Was aber das Bereuen von persönlichen Schwächen betrifft, so spricht die Fähigkeit, sie zu empfinden, wenn man seine Seele Gott gegenüber enthüllt, von der Möglichkeit, Seinen Segen zu ihrer Überwindung zu nutzen. Gott aber kann nur jenen helfen, die ihre Seele vollständig öffnen. Ist es also klug, Hilfe zu erwarten und gleichzeitig die Tür vor dem Helfer zu verschließen?
  22. Strebe nicht danach, das Große zu beurteilen. Ein richtiges Urteil über das Große kann nur derjenige fällen, dem noch Größeres zuteil geworden ist. Das Bestreben, den Fehler eines Menschen aufzudecken, und um so mehr eines solchen, der bestrebt ist, mehr Gutes zu tun als du selbst schaffst, zeugt von Seelenarmut.
  23. Begegne den Schwierigkeiten des Lebens mit offenem Herzen und reinen Gedanken. Sie wurden dir gewährt, um deine Seele zu formen. Nur der Unvernünftige beklagt die Unbeständigkeit seines Lebens. Die meisten Qualen wird jener erleiden, der den materiellen Gütern stärker anhängt, ebenso wie derjenige, der mehr nach dem Grundsatz des Nehmens als nach dem des Gebens lebt.
  24. Man soll nicht über seine Unfähigkeit, alles von Neuem zu beginnen, klagen: Wozu sollte man von vorn beginnen, wenn man unaufhörlich emporsteigen kann! Es ist nie zu spät, die ersten Schritte zur Rechtschaffenheit zu tun. Doch je eher du diesen Weg betrittst, desto mehr Unrat kannst du aus deiner Seele räumen.
  25. Eile nicht und versuche nicht, vornan zu laufen. Das ist Hast und führt nur zu unvernünftigen Taten, denn wer danach strebt, schneller voranzukommen, wird stets der Letzte sein.
    Hüte dich aber vor der Faulheit! Denkt daran! Der Rennende und Scharrende wirbelt nur mehr Staub auf.
    Wenn du den Drang nach schöpferischem Tun verspürst, aber nicht weißt wie, so lass es lieber. Wenn du aber weißt, was du schaffen willst, dann schiebe es nicht auf die lange Bank. Weißt du, was du schaffen willst, packe es fest und ohne Zögern an!
  26. Strebe nach persönlicher Läuterung, unabhängig von deinen Erfolgen in kreativen Tätigkeiten, denn je größer deine Erfolge sind, um so mehr Schaden kannst du den Mitmenschen auch zufügen.
    Jeder Mensch in der Welt ist etwas Großes, ob du nun Größeres vollbringst oder nicht. Wenn du nichts Großes vollbringst, so bleibst du für die Kinder groß. Wenn du Größeres vollbringst, so bist du für die anderen Menschen groß. Viele Menschen, die bestimmte Laster haben, wenden sich diesem oder jenem Vorbild zu, das dieselben Laster hat. Doch das Gefährlichere ist, dass sich junge Leute alle möglichen Laster aneignen, wenn sie die Laster ihrer geliebten Vorbilder nachahmen. Denkt daran! Wer nicht nach persönlicher Läuterung strebt, wird zum Komplizen des Satans.
  27. Begehre nicht das bessere Eigentum der anderen, sondern erfreue dich nur daran. Und wenn du wählen kannst, so nimm das Schlechtere und lass das Bessere den anderen.
  28. Verunreinige deine Absichten nicht mit Gedanken daran, ob dir Gutes mit Gutem vergolten wird, denn der Mensch wird nie in der Lage sein, sich wahrhaftig zu läutern und geistige Höhen zu erreichen, solange in ihm der Gedanke an die Belohnung, die ihn erwartet, lebendig ist. Wahre Läuterung ist rechtschaffene Arbeit aus dem unaufhaltbaren Bedürfnis der Seele heraus.
  29. Trachte nicht danach, in dir etwas Größeres im Vergleich zu den Mitmenschen zu sehen, und noch weniger lass es in Erscheinung treten. Wer sich selbst über die anderen erhöht, wird erniedrigt werden!
    Wenn jemandem mehr gegeben wurde, so wird auch mehr von ihm gefordert. Der Herr achtet nicht auf die Breite der Möglichkeiten, sondern auf den Eifer, mit dem die vorherbestimmte Bürde getragen wird, denn was hat es für einen Sinn, wenn du vieles auf dich nimmst, doch dieses schlecht tust?!
    Selig wird jener sein, der seine schöpferischen Qualitäten richtig einschätzt, ohne auf das Ansehen der Stellung zu achten, die er einnimmt, denn schon die bloße Existenz der Vorstellung „höher angesehen zu sein“ ist das Anzeichen einer kranken Gesellschaft.
  30. „Einstmals näherte sich ein Mann einer Quelle des lebensspendenden Wassers und begann, auf seinem wunderbaren Ross hin- und herzustolzieren, um zu zeigen wie wertvoll er sei und wie hoch er sitze. Aber die Zeit verstrich, und der Mann bekam Durst. Danach stieg er vom Pferd, kniete nieder, beugte sich zur Erde und trank Wasser aus der Quelle. In diesen Minuten schien es ihm, als habe er nie etwas Köstlicheres empfunden.“
    Versuche, die Wahrheit der Demut zu verstehen, denn nur die Demut wird dir helfen, mit dem Höchsten in Berührung zu kommen.
  31. Tadle den Menschen nicht für einen beschädigten Gegenstand, wenn er es ohne Absicht getan hat, was für einen Wert dieser Gegenstand auch besessen hat. Wenn ein Mensch aber absichtlich das Geschaffene zerstört hat, so soll der Tadel nicht so aussehen, als befände sich der Gegenstand auf einer höheren Wertstufe als die Seele des Unheilstifters. Doch Tadel ist kein Erguss von Kälte auf den Zerstörer, sondern Strenge und großes Bedauern, dass die Seele dieses Menschen die Fähigkeit zur Zerstörung beibehalten hat.
  32. Der Gestolperte darf nicht schnell der Enttäuschung verfallen, sondern soll die Hoffnung schüren. Denn zum Fall bedarf es keiner Anstrengung, doch sich emporzuheben ist schwere Arbeit. Wer ins Wasser gefallen ist, kommt nicht trocken heraus. Erst mit der Zeit wird er trocknen, und zwar um so schneller, je stärker die Sonne auf ihn scheint.
  33. Begehe keinen Ehebruch. Dies entwickelt die Fähigkeit, körperlichen Vergnügen den Vorrang zu geben und blind dem gegenüber zu sein, dass du der Seele eines anderen Menschen Schaden zufügst. Der Seele eines anderen Menschen Schaden zuzufügen, ist die schwerwiegendste Sünde. Die Fähigkeit, einer Seele Schaden zuzufügen, macht dich zu einem nutzlosen Wesen. Das Gefühl des Verlangens, das den Mann beim Betrachten einer Frau ergreift, unterliegt nicht seinem Bewusstsein. Das Auftreten dieses Verlangens ist also kein Vergehen. Aber wenn ein Mann dies durch Worte und Taten offenbart, dann begeht er eine Sünde, denn er erzeugt die Versuchung, Menschenseelen Schaden zuzufügen.
    Denkt daran! Sich an der Schönheit zu erfreuen, ohne das Gefühl des Neides und das Bestreben, sie zu besitzen, ist ein Gradmesser der Lauterkeit.
    Das Gesetz des Ehebruchs betrifft nur die, welche durch die Bande der Ehe gebunden sind. Geschiedene aber betrifft es nicht.
  34. Gehorsam ist eine äußerst wichtige und schwere Kunst. Die Reinheit und Schönheit des Gehorsams hängt vollkommen von der Reinheit der Seele dessen ab, der lehrt. Das betrifft sowohl den gesellschaftlichen Bereich wie auch den Elternbereich.
    Denk immer daran, dass es möglich ist, dass der Verstand der Zuhörer nicht nur unreif für deine Wahrheit sein kann, weil er noch unentwickelt ist, sondern dass er dich auch in seiner Weitsichtigkeit überragen kann.
  35. Der Mensch soll sich nicht über die Vorhaben eines anderen, selbst die eines Narren, lustig machen, sondern auf sie achten. Sind die Vorhaben unverständlich, versuche sie zu verstehen. Wenn du eine Schwäche in dem Gehörten erkennst, so unterstütze es durch deine Gedanken! Doch wenn ihr etwas ablehnt, was ihr gehört habt und was auf das Gute ausgerichtet war, aber von euch nicht verstanden wurde, so hat der Teufel Einfluss auf eure Seele. Lerne, deine Gedanken und die Gedanken des Gesprächspartners vernünftig abzuwägen.
  36. Trachte nach Harmonie zwischen dem Prinzip des Göttlichen und des Natürlichen in deinem Wesen. Um diese Harmonie herzustellen, wurde dir der Verstand gegeben. Erst danach kann er sich selbst richtig entfalten. Entwickelt man zuerst den Verstand, so erkrankt er unheilbar.
  37. Erkenne dich selbst und deine Möglichkeiten, damit du in der Lage bist, Störungen zu beseitigen. Von nun an soll sich der Körper selbst heilen.
    In den meisten Fällen ist Krankheit die Strafe für die Unfähigkeit, in Harmonie mit der Natur zu leben. In diesem Fall ist es unklug, woanders Hilfe zu suchen. Sei bestrebt, mit den Eigenschaften der Natur und den Eigenschaften deines Körpers in Harmonie zu treten. Dies wird dich von verschiedenen Krankheiten fernhalten und dir große Fähigkeiten verleihen.
  38. Trachte nicht danach, immer mehr Wissen zu erlangen, denn die Qualität eines Menschen hängt nicht vom Ausmaß seines technischen Wissens ab. Der Mensch sollte nur das wissen, was dazu beiträgt, seine wahren Fähigkeiten in Harmonie mit der Umwelt zu entwickeln.
    Denkt daran! Jedes angetroffene Geheimnis auf Grund von wissenschaftlichen Fakten aufzudecken, ist ein Symptom für einen kranken Verstand.
  39. Entwickle die Phantasie. Sie ist eine mächtige Kraft bei der wahrenErkenntnis des Daseins. Die Unfähigkeit, einen guten Nährboden zur Entwicklung der Vorstellungskraft zu schaffen, sowohl für sich als auch für andere, ist ein Symptom für einen geringen Verstand.
  40. Man soll nicht auf das Ziel zugehen, indem man nur es allein fixiert. Handle mit fester Kraft und Überzeugung, behalte aber immer alles um dich herum sorgfältig im Auge.
    Im Weltall geschieht nichts zufällig. Die angetroffenen Hindernisse werden aufgestellt, damit bei dem Versuch, dich vom ausgewählten Weg abzubringen, bestimmte Seiten deiner Fähigkeiten gefestigt werden.
    Gute Erkenntnisse werden dir gegeben, um dich zu bereichern und damit du das Ziel im wahren Licht siehst. Eilst du aber und achtest nicht auf die vor dir erscheinenden Gaben, und bemerkst nur die Hindernisse, so erreichst du dein Ziel erschöpft und bettelarm, und es scheint dir grau und wertlos zu sein.
  41. Hüte dich vor Übereifer, denn unter dem Einfluss dieser Droge ist der Mensch fähig, einem anderen Menschen Kälte oder auch Böses darzubringen und es noch nicht einmal zu merken. Das ist der rechte Weg, der von der Geistigen Vollkommenheit wegführt.
  42. „Während eines Gesprächs zweier Brüder, wies einer von ihnen, sich entschuldigend, auf einen Mangel in der Seele des anderen hin, in dem Wunsch, dass jener diesen Fehler beseitige, und damit Außenstehende sich nicht über ihn lustig machten.
    Da sprach der andere entrüstet: „Sieh dich erst einmal selbst an!“
    Danach ging er weg. Auf der Straße aber kam ihm unter den Passanten ein unbekannter Mann entgegen und sagte ihm kaum hörbar, er solle den anstößigen Mangel an seiner Kleidung beseitigen. Da er ein ordentlicher Mensch war und beschämt von der peinlichen Situation, dankte er dem Unbekannten und beseitigte schnell den zufälligen Fehler, ohne auf den Mangel an der Kleidung des Fremden zu achten.“
    Denkt daran! Wenn das äußere Wohl über das innere dominiert, so deutet das auf eine herankommende Katastrophe.
    Im Altertum sagte man: „Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.“ (Matth. 7,3. Luk. 6,41-42. – Anm. d. Übers.) Heute sage Ich: Sei nicht bestrebt, über den Mangel eines Menschen zu lachen, der zuvor auf deinen Fehler hingewiesen hat.
  43. Sei ein würdiger Herr deiner Gefühle und Wünsche. Lerne, sündige Begierde zu meiden, denn wer in ihrem Sumpf versinkt, muss große Anstrengungen unternehmen, um aus ihm herauszukommen.
    Im Altertum sagte man, dass jeder, der seinem Bruder umsonst zürnt, gerichtet wird. (Matth. 5,22. – Anm. d. Übers.) Heute sage ich: Wer einem anderen zürnt, selbst wenn dieser etwas Schlechtes getan hat, wird gerichtet, denn schon allein die Fähigkeit zum Zorn erlaubt der Seele nicht, zur wahren Blüte zu gelangen. Doch halte Wünsche, die Menschen Hilfe und Freude bringen, nicht zurück. Lass dieses Bächlein fließen und sich in einen breiten Fluss verwandeln!
    Meide nicht den Kummer darüber, wenn es unmöglich ist, Bedürftigen zu helfen, denn die Erfahrung solcher Leiden deutet darauf hin, dass sich die Seele den Höhen der Vollkommenheit nähert.
    Verbirg nicht die Freudegefühle angesichts der Freude eines anderen Menschen, denn eure Freude wird die Freude desjenigen verstärken, dem das Gute widerfahren ist.
  44. Übe Mäßigkeit, wenn du die Begierde deines Körpers befriedigst. Sich ständig dieser Begierde zu ergeben, führt zu Leiden der Seele selbst noch nach dem Tod des Körpers. Die Qualen werden um so stärker sein, je unvernünftiger sich der Mensch der Befriedigung seiner Verlangen hingegeben hat. Der Körper kann nur jene Arten der Befriedigung benutzen, die weder dem eigenen Körper noch dem Körper eines anderen schaden, die weder der eigenen Seele noch der Seele eines anderen schaden, und die nicht naturwidrig sind.
    Denkt daran! Die vernünftige Grenze bei der Befriedigung der irdischen Lust befindet sich dort, wo der Mensch in jedem Augenblick fähig ist, der Befriedigung der aufkommenden Begierde im Namen des geistigen Fortschritts zu entsagen.
  45. Finde deinen Platz in der Natur. Doch lasse dich bei dieser Suche von der Wärme deines Herzens und nicht von der Kälte deines Verstandes leiten.
    In letzter Zeit überwiegt diese Kälte die Wärme der Seele. Es wird nicht wenig Zeit benötigt werden, um das anfänglich wahre Gefühl für die Auswahl wiederherzustellen.
    Doch wisset: Der Platz in der Natur und der Platz in der Gesellschaft – das ist nicht ein und dasselbe, obwohl sie miteinander verknüpft sind.
    Der Platz in der Natur wird von natürlichen Eigenschaften bestimmt, die sich auf die Entwicklung der Möglichkeiten des Menschen in Harmonie mit der Natur beziehen. Diese Bestimmung wird jedem bei der Geburt gegeben. Der Platz in der Gesellschaft aber ist eine künstliche Eigenschaft, die während des Lebens erworben wird.
  46. Nicht mit der Liebe allein sind Eltern wertvoll, sondern mit ihrer Fähigkeit, ihr Kind zur Liebe zu den Mitmenschen zu erziehen. Denn was für einen Sinn hat eure Liebe, wenn das Kind wegen euch der Welt Kummer bereitet!
  47. Fordert keine Ehrfurcht von euren Kindern, denn was ihr großgezogen habt, das werdet ihr ernten.
    Eltern! Verliert nicht die geistige Verbindung zu euren Kindern, damit ihr nachher nicht ihre Ehrfurcht sucht! Denkt daran! Das geistige Band ist stärker als das verwandtschaftliche.
    Wenn sich das Kind auf einem höheren geistigen Niveau befindet, so ist das einzig Vernünftige euer Bestreben, dieses Niveau zu erreichen, ohne euch wegen der altersmäßigen Überlegenheit zu schämen. Denn was ist der Wert dieser Überlegenheit, wenn eure Erfahrungen nicht jene Höhen erreicht haben, die das Kind berührt hat! Die Reife eines Menschen hängt nicht von den gelebten Jahren ab.
    Wenn die Selbstliebe von jemandem durch die starke Rede seines Sohnes gekränkt wird, ist das ein Merkmal für die Verunreinigung der Seele. Denkt daran! Ist das Kind bestrebt, Menschen Gutes zu tun, so absurd seine Bestrebungen auch seien, seid ihr verpflichtet, ihm jegliche notwendige Unterstützung zu gewähren. Denn der von ihm gewählte Weg ist äußerst schwierig. Doch er ist der richtige. Wenn das Kind nicht eure Unterstützung hat, kann es vom Rechten Weg abkommen und sein Wert für die Mitmenschen verloren gehen. Hat es aber Ausdauer, dann findet es Unterstützung außerhalb. Und dann wird der Wert des Fremden wesentlich euren Wert als Eltern übersteigen.
  48. Trachte nicht danach, dich von der Kindheit zu entfernen. Erkenne ihre Wahrheit. Denn in der Kindheit treten jene Möglichkeiten auf, die der Mensch im Laufe seines ganzen Lebens entwickeln muss.
    Reife steht nicht im Gegensatz zur Kindheit, sondern ist ihre Fortsetzung. Doch im Wesen der Kindheit liegt das Nehmen, im Wesen der Reife aber das Geben.
  49. Ehre und bewahre geistige Werke, geschaffen von Menschenhand, denn in diesen Werken lebt der Geist der vergangenen Generationen auf der Erde fort, dank dessen der Geist von heute existieren kann.
  50. Lerne die Schönheit zu achten und trachte danach, sie gemäß deinen Fähigkeiten zu schaffen. Doch während du das Werk schaffst, lege die Wärme deiner Seele hinein und den Wunsch, denen Freude zu bereiten, die es wahrnehmen und es haben wollen.
  51. Benutze nicht Alkohol, um deine Freude zu steigern. Man darf ihn nur in seiner Eigenschaft als Naturheilmittel verwenden. Der Alkoholmissbrauch wird vom kranken Verstand hervorgerufen, der danach trachtet, den Körper zu befriedigen. Das Bestreben aber, den Körper zu verwöhnen, führt immer zu Leiden.
  52. Vergleiche einen Menschen nicht mit einem anderen noch mit irgendwelchen Normen, denn er ist die Verkörperung der gewaltigen Mannigfaltigkeit in der Natur.
  53. In seinem Eheleben soll der Mensch nur einen Auserwählten haben, denn die Naturliebe kann nur zwischen zweien entstehen, die einander verbunden sind. Die Naturliebe ist eine der drei Schwestern der Mutter Vollkommenheit und entsteht zwischen einem Mann und einer Frau. Wer sich davon abwendet, sie zu erreichen, schließt das Tor der Vollkommenheit vor sich.
    Wenn ein Mann danach trachtet, mehrere Ehefrauen zu besitzen, so kommt dadurch nur seine Schwäche gegenüber körperlichen Bedürfnissen ans Licht und die Unfähigkeit, Harmonie in der Naturliebe zu erlangen.
  54. Stellst du Fragen, wenn du danach trachtest, etwas zu erfahren und über die Antwort nachzudenken, so brauchst du einen Gesprächspartner, der ebenso in der Lage ist, seine Denkweise zu ändern, während er über das Gehörte nachdenkt.
    Stellst du Fragen, wenn du wünschst, dem Gehörten zu folgen, so musst du die eigentliche Quelle berühren, und nicht Wasserträger von Tropfen aus verschiedenen Quellen.
    Es ist unvernünftig, danach zu streben, über das Wesen der Wahrheit, die aus der Quelle kommt, zu diskutieren, denn Diskutieren an sich lässt unterschiedliches Verstehen zu. Ein abweichendes Verstehen der Wahrheit aber ist eine Unwahrheit.
  55. Der Verstand ist unfähig, das Geistige zu begreifen. Er muss entscheiden: ist etwas zum Wohl oder zum Schaden? Nachdem die Seele den einen oder anderen Weg zum Erreichen des Geistigen eingeschlagen hat. Es ist sinnlos, wenn man versucht, mit dem Verstand das Wesen des Aufstiegs zum Geistigen begreifen zu wollen.
  56. Wünschst du zu sehen, öffne die Augen. Wünschst du zu hören, öffne die Ohren. Wünschst du zu trinken, öffne den Mund. Sinnlos ist das Bestreben, etwas erhalten zu wollen und sich zu verschließen. Doch sich öffnen, das bedeutet, das, was kommt, zu erfassen, und nicht, es mit eigenen Maßen zu messen.
  57. Schätze deinen Körper als wertvoll ein. Denn der Körper wurde gegeben, um die Seele durch die Formung anderer Seelen zu formen. Der Körper ist berufen, geistige Fähigkeiten in Resultate zu verwandeln, die für die Mitmenschen sichtbar und fühlbar sind. Nur mit Hilfe der Tätigkeiten des Körpers kann man die Seele formen.
  58. Verurteile nicht den, der freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Denn wenn sich ein Mensch nicht geistig entwickelt, so kann ihn der Teufel leicht zu diesem Ausweg hinführen. Ein Mensch tut dieses, weil er nicht die Kraft hat, der Versuchung zu widerstehen.
    Einer, der kraftlos fällt, ist kein Sünder. Ein Sünder aber ist jener, der neben ihm gegangen ist und ihm nicht rechtzeitig seine Hand gereicht hat.
  59. „Einmal kam ein Mann an das Ufer eines wunderbaren Meeres.
    Ihm gefiel seine Schönheit so sehr, dass er sofort mit dem Bau einer Hütte unweit des Randes der Brandung begann. Als er eines Tages von der Jagd aus dem nahen Wald kam, musste er feststellen, dass das Haus und all sein Habe während der Flut im Meerwasser untergegangen war. Noch lange darauf rief der Unglückliche Verwünschungen gegen das erstaunlich schöne Wasserelement aus.“
    Erkenne die Wahrheit, die in der Harmonie mit der Natur liegt, damit du dich nicht elend und nutzlos auf Ihrem Hinterhof wiederfindest.
  60. Zerstöre nichts grundlos, so klein es auch sei und in welchem Zustand du dich auch befindest. Die Fähigkeit zu zerstören, ohne dafür gewichtige Gründe zu haben, spricht von wenig Verstand.
  61. Wenn du zuhörst, gehe dorthin, wo man spricht. Wenn du sprichst, gehe dorthin, wo man zuhört. Es ist sinnlos, dort zu reden, wo man danach trachtet, sich zu äußern.

Amen

 

Wie wir Menschen miteinander leben sollten …