Am Morgen des Tages, als der Frühling anbrach, kam Johannes herein. Er umarmte Ani und mich. Er sah uns in die Augen und lächelte. Er sah gut aus, war ruhig und strahlend wie immer.
Ani hat den Tisch für das Frühstück gedeckt. Ich habe Großvater gebeten, das Brot zu brechen. Er dankte dem VATER. Der LEHRER wurde nicht vergessen. Ich segnete den Becher mit Wein und dankte dem VATER für seinen SOHN. Kommunion aus einem Becher … wir kosteten das Brot … danach Käse. Wieder einen Becher … Ani sah uns an und ging leise in den Garten. Es ist Frühling – man muss sich beeilen, wenn man zwei Ernten einfahren will.
– „Was ist los, meine Lieben? Wie ich sehe, geht es euch gut. Lasst mich nicht im Stich“, lächelte Großvater traurig und streichelte meine Hand.
Unruhig rührte ich mit dem Löffel:
– „Wie geht es dir?“
– „Ich fühle mich wie in der Jugend. Ich beklage mich nicht über meine Gesundheit. Aber zum Heiraten ist es ein wenig zu spät“, sagte er, und ein vertrautes Lächeln strahlte in seinen Augen. – „Es ist langweilig ohne euch. Ich dachte, ich schau mal rein … Du hast mich schon lange nichts mehr gefragt … Ich verstehe, es ist jetzt Zeit für mich, dich zu fragen … Aber trotzdem, mach Großvater glücklich! Also los, machen wir es wie damals, als wir noch Kinder waren – die wichtigste Frage. – Großvater legte seine Hand auf meine, und klopfte darauf mit Nachdruck: – „Also los!“
– „Großvater, ich habe eine Frage“, ergriff mich der Eifer wie gewohnt – „die wichtigste Frage für heute!“
– „Das ist gut, sehr gut, Euseus! Wahrscheinlich wieder nach der Apostelgeschichte! Es gibt eine Frage, die du hättest stellen sollen,“ – die Augen Großvaters blitzten mit dem vertrauten Feuer auf.
– „Kannst du sie benennen, wenn du so schlau bist?“ – Ich spielte mit.
– „Warum nicht? Darf ich raten?“
– „Ein Becher vom jungen Wein, aus den Fläschchen! Es wird kalt, der letzte!“
– „Gut!“ – freute sich Johannes. – „Du willst über das Herabkommen des GEISTES zu Pfingsten sprechen!“ – Großvater wollte mir wieder auf die Hand schlagen, aber ich konnte sie zurückziehen – er schlug auf den Tisch. Er lachte.
Ich stand auf, ging, schaute wohin ich musste, brachte es und schenkte ein. Wir tranken … Durch die Wirkung wurde unsere Laune schnell angehoben.
– „Großvater, schau! Es steht nur im Lukasevangelium, sonst nirgendwo … In Jerusalem, vor Seiner Himmelfahrt, erschien Jesus den elf Jüngern – auch du warst dabei – und Er sagte: „Und nun sende Ich euch, was mein VATER versprochen hat. Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr durch die Kraft aus der Höhe gestärkt werdet …“. Hat RABBI das zu euch gesagt? Hattet ihr – oder nur du – eine solche Vision?“
– „Nein, das hat Er nicht gesagt. Und es gab keine solche Vision, das weißt du selbst“, lächelte Johannes.
– „Dann lass uns weitermachen, mein Lieber.“
Großvater war zufrieden. Was er wollte, ist geschehen. Wir hatten uns in übermütige Bengel verwandelt.
– „In der Apostelgeschichte wiederholt sich derselbe Autor, erzählt es aber anders … RABBI sagt euch in der Vision: „Wartet auf die vom VATER verheißene Gabe, von der ihr durch Mich gehört habt. Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet bald mit dem HEILIGEN GEIST getauft werden.“ Ihr, dieselben Elf, habt dann den Lehrer gefragt: „HERR! Wirst Du nun das Reich Israel wiederherstellen?“ Er antwortete euch: „Es steht euch nicht zu, Zeiten und Dauer zu kennen, die euer Vater durch Seine Autorität festgelegt hat! Wenn aber der HEILIGE GEIST auf euch kommt, werdet ihr Kraft empfangen und Meine Zeugen sein in Jerusalem und … bis ans Ende der Erde.“
– „Mein Sohn!“ – Johannes unterbrach mich. – „Wir haben schon gesagt, es ist eine Legende.Wie sonst soll man nach sechzig Jahren noch schreiben?! Drei Generation nach RABBI? Betrachten wir die grundlegende Frage.“
– „Gab es ein Wunder? Ist der HEILIGE GEIST auf euch herabgekommen, wie geteilte Zungen, die an Flammen erinnern? Bei jedem von euch?“
– „Ich habe keine Zungen gesehen. Aber es war außergewöhnlich. Es entstand ein Rauschen. Und ein grelles Licht, wie ein riesiger Strahl. So habe ich es gesehen. Am Anfang hatte ich sogar Angst, mein Haar bewegte sich … Es war ein Wunder. Nicht nur für jeden von uns, sondern für alle, die dabei waren. Viele Menschen haben es gesehen – es war ein großes Fest. Menschen aus verschiedenen Reichen waren gekommen. Dann verschwand das Rauschen und das Licht, so wie sie gekommen waren …“
– „Und? War RABBI in diesem Licht?“
– „Nein … Du weißt doch, dass Er am vierzigsten Tag zu Seinem VATER gegangen war. Ich habe dir mehr als einmal gesagt, mein Sohn, wie es war …“
– „Und was geschah dann? Habt ihr über die großen Taten GOTTES in verschiedenen Sprachen gesprochen?“
– „Irgendjemand fing plötzlich an zu reden … Nach all dem. Ein Anderer fiel auf die Knie und betete … Einige der Juden, die an dem Wunder teil hatten, begannen zu reden … Auch einige unserer Leute, aus der Gemeinde, begannen zu reden … Nur habe ich die Sprachen nicht verstanden. Diejenigen, die gesprochen haben, haben auch nicht verstanden, was sie gesagt haben.“
– „Hast du gesprochen?“
– „Nein. Ich sprach damals schon wenig Griechisch. Nach dem Wunder habe ich nicht besser gesprochen. Ich habe es erst später gelernt,“ – lächelte Johannes.
– „Hast du angefangen, Visionen und Prophezeiungen zu sehen? Hat sich etwas in dir verändert? Hattest du eine besondere Fähigkeit?“
– „Später erfuhr ich, dass einige der Jünger Träume und Visionen zu sehen begannen, ebenso wie einige der anderen Juden. Wir waren alle zusammen in der Nähe des TEMPELS … Sie prophezeiten, sie erhielten Offenbarungen über das REICH GOTTES, über das kommende GERICHT. Sie sind in den dritten HIMMEL aufgestiegen.“
– „Und du?“
– „Du weißt es doch. Mit mir ist nichts passiert. Wie RABBI lehrte, Dämonen auszutreiben, das ist bei mir hängengeblieben. Was ich durch RABBI bekommen habe, das versuche ich zu bewahren …“
– „Was war das, Großvater?“
– „Ich weiß nicht, mein Sohn… Die Heerschar GOTTES ist groß. Aber RABBI war nicht da. Und ich habe Seinen GEIST nicht gesehen, wegen meiner Kleinheit. Es war … wie ein Wunder für alle Juden zur Bestätigung des alten Gesetzes. Der große Tag war der Tag, an dem Mose seinen Vertrag mit GOTT geschlossen hat …
Es ist an der Zeit, mein Sohn. Es ist wirklich an der Zeit. Ich habe getan, was ich tun wollte. Und was ich konnte. Ich preise Gott dafür, dass er mir das Leben geschenkt hat.
Du wirst tun, was ich schon nicht mehr tun könnte … Sei nicht traurig, mein Lieber, ich fühle mich gut. Ich bin froh, dass du mit Ani zusammen bist. Ich vertraue darauf, dass sie auf dich warten wird …
Ich lasse meine alten Kleider in Frieden zurück, sie eignen sich nicht mehr für Heldentaten, aber sie kreisen noch in meinem Kopf herum“, lächelte Großvater, seine Augen leuchteten. Mein Herz zog sich zusammen. – „Ich werde zum VATER gehen, zum RABBI … Einst bat ich zusammen mit den nahestehenden Brüdern darum, bei Ihm im HIMMEL zu sein.Vielleicht geschieht es … Ich hoffe, dass ich von den Toten auferstehe.
Ich bin gespannt, mein Sohn, was sein wird. Vielleicht vertraut mir der VATER ein reines Gefäß an! Ich würde mit der BOTSCHAFT bis ans Ende der Welt gehen, und dort mit dir eine Gemeinde aufbauen …
Und was mein Buch angeht … Schreib es selbst zu Ende und füge hinzu, was ich dir gesagt habe. Und unsere Taten bis zum heutigen Tag. Und vergiss nicht die Verbannung …“
Ich weinte und umarmte Großvater. Er streichelte meinen Rücken und weinte mit mir …
Die Augenblicke vergingen zeitlos. Johannes sagte leise, fast flüsternd:
– „Wenn du nach Osten gehst, weg von Rom, in die Nähe des großen Flusses, gründe eine Gemeinschaft zusammen mit deinen Freunden … Nicht schlechter als unsere. Es wird eine gutes Andenken sein …
… Johannes wachte am nächsten Morgen nicht auf. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln wie eine Botschaft: „Mir geht es gut.“
Meine Freunde verziehen mir meine Schwäche: Ich konnte nicht an der Beerdigung mit der schönen, alten Kleidung Großvaters, der immer noch lächelte, teilnehmen.
„Großvater, ich habe die Nachricht empfangen. Ich werde wie vereinbart handeln. Ich werde dich immer lieben. Ich danke dir für alles … Und ich glaube an unser Wiedersehen. Ehre sei dem LIEBENDEN VATER!“
… Ich lebte noch nicht ohne ihn. Gefühle. Die Gefühle haben uns zu einer Einheit verwoben. Freund, Vater, Großvater … Und jetzt ist es, als ob der andere Teil von dir aufgehört hat zu atmen – und irgendwo ohne dich lebt …
Die Bande, die über die Jahre hinweg geknüpft worden waren, begannen plötzlich zu zerreißen. Aber nicht auf einmal, sondern zäh, sich auseinander ziehend, alles im Inneren umstürzend … Denn sie, die Gefühle, mussten sich irgendwie trennen. Im Inneren zog es sich zusammen, stürzte alles zusammen, wurde auf den Kopf gestellt und klagte.
Dazu kam der quälende Gedanke, dass ich bald ins Ungewisse aufbrechen würde, ohne Ani mitnehmen zu können …
Drei Tage lang war ich sehr zerrissen … Am frühen Morgen des vierten Tages sah ich Johannes. Er setzte sich neben unser Familienbett. Ich dachte: „So hat Johannes RABBI einmal gesehen …“
Ich sah Großvaters Lächeln. Lebendig! Ich war innerlich ein wenig erleichtert. Ich horchte in mich hinein: „Mir geht es gut, mein Sohn. Ich schätze, ich bin wieder von den Toten auferstanden! Ich werde vorerst bei dir sein … Verliere nicht deine Kraft vor lauter Sorge.“
… Am neunten Tag versammelte sich die Gemeinde zu einem gemeinsamen Mahl. Wir brachen das Brot zum Gedenken an RABBI. Wir haben den Kelch gesegnet. Wir haben das Abendmahl empfangen. Die zweite Runde erinnerte an den wunderbaren Großvater Johannes, den man einfach lieben musste.
Während der Mahlzeit drückte Ani meine Hand:
– „Großvater blitzte vor meinen Augen auf!“ – wunderte sie sich.
– „Großvater ist hier. Da ist er“, zeigte ich mit dem Kopf. – „Ich bin froh, dass du ihn sehen kannst. Mach es so wie damals, als du nach Olivia suchtest …
… Ani und ich gingen schweigend hinaus. Ich musste mich auf meine Reise vorbereiten. Es gab keinen anderen Weg. Die Frohe Botschaft zu verkünden und eine Gemeinschaft aufzubauen, die kein Beelzebub besiegen kann – das war der Sinn meines Lebens. Und in diesen Sinn konnte Ani sich einbinden …
– „Geliebter, ich bin froh, dass du mich als deine Frau genommen hast. Ich liebe dich. Wir sind schon ewig zusammen. Siehst du, Olivia sagt doch, wir sind miteinander verflochten. Wo auch immer du bist, da werde ich auch sein. Du denkst an mich – und schon küsse ich dich. Ich wusste ja, dass das einmal kommen würde – du musst gehen … Dem HIMMEL sei Dank, wir sind füreinander bestimmt.
Wenn dich Eine so liebt wie ich, dann soll sie mit dir kommen. Sie wird meine Schwester, wir werden dich gemeinsam lieben … Ich werde immer auf dich warten. Ich werde auf dich warten und dich so sehr lieben, dass du zurückkommst, wo immer du auch bist,“ – das hat Ani in der letzten Nacht gesagt.
– „Ich werde zurückkommen… Ich muss zurückkommen“, wiederholte ich den Satz. Tränen flossen leise …
Der Abschiedsabend war ebenso ungetrübt und zärtlich wie die vorangegangenen Abende. Nur haben wir mehr geweint als sonst. Wir haben geweint und gelacht …
Frühmorgens – der Frühling ging gerade in den Sommer über – machte ich mich auf den Weg. Mein Begleiter, mein junger Freund und Schüler Lukas, sollte am Dorfende warten … Meine Freunde wussten, dass ich am Morgen ohne Abschied gehen würde. Dionysos, jetzt unser Hohepriester, der Schmiedemeister, der Vater von Ani, sorgte dafür, dass niemand kam mich zu verabschieden. Wir beschlossen, uns nicht das Herz zu brechen – viele schöne Erlebnisse haben sich in diesem Frühjahr ereignet.
Ani stand lange auf der vom Morgenrot überfluteten Straße. Ich versuchte, nicht zurückzuschauen, aber vergeblich …
Danke für diese wunderbare Geschichte.
Sie macht für mich vieles klar was in der Bibel unverständlich war.
Außerdem ist sie eine wunderbare Liebesgeschichte.
Sie macht mein Herz weit.
Ich freue mich auf die Fortsetzung.