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Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 29

– „Du kannst meine Fragen sehen“, versuchte ich zu lächeln. – „Man kann sie also nicht verstecken … Es ist das erste Mal, dass ich jemanden sehe, der … nun, ein Engel ist. Johannes sagte mir, dass ein Engel ein göttliches Wesen mit leuchtenden Flügeln ist. Und es überkommt einen ein Erschaudern und ein Entzücken, wenn man ihn sieht … Ein Erschaudern und die Haare sträuben sich, ja – aber Flügel …

– „Du willst, dass ich als Erzengel vor dir erscheine? Er verdunkelt mit seinen Flügeln den Sternenhimmel“, lächelte Ariman. – „Das ist jetzt nicht die passende Situation. Mein Äußeres entspricht jeweils dem Zweck meines Erscheinens. Ich bin nicht gekommen, um dich von meiner Macht zu überzeugen. Dein Weinschlauch, wie die Jünger Joshuas sagen, ist neu und schon voll. Wir reden vernünftig miteinander wir reden hier über Partnerschaft. Meine Art der Kommunikation mit dir ist auf deine Fähigkeiten abgestimmt, wie auch der Verlauf der Kommunikation …

Aber wenn dir eine Aufklärung nicht ausreicht und du als empfänglicher Mensch das Gefühl von dauerhaftem Haarsträuben auf dem Kopf mit vorübergehendem Sprachverlust erleben möchtest, dann können wir es versuchen …“

– „Aufklärung reicht“, hob ich lächelnd die Hand.

– „Gut“, nickte er. – „Machen wir weiter. Was hast du noch? Mehr über den Teufel?“

– „Wenn dir unsere Entwicklung am Herzen liegt, warum zerstörst du ihn nicht bei deinen Fähigkeiten, um uns zu helfen?“ – ging mir eine Frage durch den Kopf.

– „Man soll doch lernen, Ascha, den Feind zu lieben und für ihn zu beten“. Die Grenze zwischen Scherz und Nicht-Scherz war in der Kommunikation mit Ariman nicht klar zu ziehen. – „Im Falle des Teufels wird dir das Gebet helfen, um ihn nicht zu nähren … Meine Bemühungen, seine Macht zu verringern, werden nicht das Ergebnis bringen, das du erwartest. Ihr nährt ihn ständig, belebt ihn. Damit der Teufel verschwinden kann, muss die Ursache für seine Entstehung verschwinden. Und die Ursache seiner Entstehung ist der Mensch … Wenn eure Welt nicht existiert, wird er bald aufhören zu existieren, weil ihm die Nahrung fehlt.

Aber es ist nicht vernünftig, erst an eurer Geburt teilzunehmen und euch dann zu zerstören. In einem intelligenten Universum gibt es so etwas nicht. Wir beobachten euch also – ob es euch gelingt, euch nicht selbst zu zerstören … Also – entweder ihr entzieht ihm die Nahrung, oder ihr beraubt euch selbst eurer Existenz … Wenn ich den Kreis deiner Freunde sehe, denke ich an Johannes. Ich nehme an, es gibt noch Hoffnung. Wir versuchen also, durch bestimmte Personen den Lauf eurer Welt zu korrigieren. Aber es ist eure Entscheidung, in welche Richtung ihr geht.“

– „Ariman, hat das Avesta eine Beziehung zu deiner Welt?“

– „Es gibt mehrere Welten, die euch beobachten; man könnte sagen, eine Allianz oder ein Abkommen mehrerer Welten. Die Grundlagen des Avesta stammen nicht aus meiner Welt. So wie Sarathustra es ausgeführt hat. Der Einfachheit halber können wir sie als die Welt des rechten Engels bezeichnen, wenn wir in den dir geläufigen Formen der Tora sprechen. Wir können ihn den lichttragenden Apollo nennen, wenn wir die Götterschar eurer Heimat benutzen. Im Avesta wird Er Ahura-Masda genannt, die Macht der Weisheit …

Diese Welt war einst der Hauptbeobachter der Allianz der Welten über eure Entwicklung. Jetzt hat meine Welt diese Rolle übernommen. Wir haben etwas unterschiedliche Sichtweisen auf eure Entwicklung. Meine ist eher pessimistisch …“

– „Und die Tora? Die Gesetze, die Moses erhielt? Der Vertrag mit Gottes auserwähltem Volk?“

– „Mit meiner direkten Beteiligung.“

– „Warum geschieht das Abkommen der Welten mit dem Menschen im Namen Gottes, des Schöpfers?“

– „Das habe ich dir schon erklärt. Da wir an der Geburt eurer Zivilisation teilgenommen haben, haben wir die Berechtigung, uns in Bezug auf eure Welt so zu bezeichnen. Bis zu einem gewissen Grad eurer Reife. Eines Tages, wenn ihr die kritische Phase eurer Ausbildung überwunden habt, werdet ihr in der Lage sein, an der Geburt neuer Welten teilzunehmen, d.h. Schöpfer in Bezug auf sie zu werden.“

– „Was ist mit Moses? Fürchtet Gott, der euch aus Ägypten geführt hat, schwört bei seinem Namen; er ist eifersüchtig: Er wird zornig sein und sein Volk hinwegfegen, wenn ihr Ihm gegenüber ungehorsam seid … Und Gott ruft dazu auf, die Länder zu erobern, sieben Völker zu vernichten, sie unter einen Fluch zu stellen … Hat eure Welt etwas damit zu tun?“

– „Ja, hat sie. So ist eure Welt. Und diese Welt muss zum Monotheismus gebracht werden. Langfristig gesehen, zu einer Sichtweise bezüglich des Schöpfers. Dieser Aufruf ist doch mit der Zerstörung primitiver Glaubensvorstellungen, des Götzendienstes, verbunden. Bei eurem Maß an Wildheit könnt ihr einander nicht auf eine andere Art überzeugen. Schließlich treffen wir Entscheidungen, indem wir eure Möglichkeiten erforschen …“

Und diese Aufrufe sind über ein Jahrtausend alt, für eure Verhältnisse ist das eine Menge. Aber ihr seid weiterhin nicht in der Lage, etwas anderes zu tun. Ja, Jeschua hat einen vernünftigen Aufruf gemacht: Liebt eure Feinde, dann werdet ihr sie nicht haben … Macht es! Aber ihr klammert euch an das, was euch nahe ist. Das ist der Preis für eure Sinnhaftigkeit …“

– „Und an einen Fremden mit Zinsen zu verleihen? Verleihe nicht deinem Bruder mit Zinsen, sondern verleih an die Fremden, dann wird Gott dich segnen in all deinen Werken in dem Land, das du eroberst … Bist du das auch, Ariman?“

– „Das bin ich auch“, lächelte er teilnahmslos. – „Das bietet eine Perspektive, eure Welt zu einer raschen praktischen Entwicklung zu führen. Das Äquivalent der für den Warenaustausch aufgewendeten Arbeit ist ein Beschleuniger der Entwicklung. Das ist die Praxis der Entwicklung von Welten in den ersten Stadien des Werdens …

Wenn ihr nicht damit zurechtkommt, was andere Welten im Prozess ihrer Entstehung ohne offensichtliche Schwierigkeiten gelöst haben, bedeutet das, dass ihr eine unvernünftige Zivilisation seid, die nicht in der Lage ist, sich in der Harmonie der Prozesse des Universums zu bewegen.

Ganz gleich, wer und was dem Menschen angeboten wird, ganz gleich, welche Art von Aufgaben dem Menschen gestellt werden, es ist der Mensch selbst, der durch seine freie Wahl bestimmt, ob und wie er diese Aufgaben löst, ob er diese Art von Kraft, die Energie, die ihr das Böse nennt, ausstrahlen wird. Es ist eine zerstörerische Kraft, sie zerstört sowohl dich als auch die Welt, in der du geboren wurdest …

Eine richtige Beobachtung – wenn es keine Freiheit der Wahl gibt, gibt es auch das Böse nicht“, lächelte Ariman nüchtern. – „Aber die Freiheit der Wahl ist eine Voraussetzung für eure Entwicklung. Ihr werdet also zeigen, ob ihr in der Lage seid, in der Gemeinschaft der fühlenden Welten zu sein, oder ob ihr mit eurer anhaltenden Veranlagung zu schwerer Gewalt diese Perspektive nicht habt… Und ihr habt nicht viel Zeit vor euch, um euer eigenes Schicksal zu bestimmen.“

– „Ariman! Was Rabbi gebracht hat, widerspricht gelegentlich der Tora. Anders ausgedrückt: Das sind neue Gebote, die die alten Gebote aufheben. Anstatt der Verpflichtung, einem Fremden mit Zinsen zu leihen, einem Bedürftigen einfach zu geben und keine Gegenleistung zu erwarten … Ich werde die neuen Gebote, die die alten aufheben, nicht aufzählen. Du weißt es selbst. Warum solltest du etwas unterstützen, das nicht von deiner Welt gegeben wurde und das der Tora widerspricht, die von deiner Welt gegeben wurde?“

– „Es spielt keine Rolle, Ascha, welche Welt es gab. Entscheidend ist, dass das, was gegeben wurde, sinnvoll ist. Die Tora ist ein uraltes Gesetz für ein niedriges Niveau eures Verstandes. Eure Welt entwickelt sich, wenn auch langsam, vor allem in Bezug auf die Fähigkeit, eure Emotionen, eure Gefühle zu kontrollieren. Was Jeschua gebracht hat, egal aus welcher Welt, ist eurer Gefühlswelt sehr nahe und hat die Aussicht auf eine weite Verbreitung. Das wurde bereits durch reale Ereignisse bestätigt. Die Lehre verbreitet sich im ganzen großen Reich, das die Entwicklung eurer Zivilisation bestimmt. Ich unterstütze diese Perspektive.

Aber die Verbreitung der Botschaft der Lehre und die Erfüllung der Lehre – das sind zwei verschiedene Dinge. Ihr werdet für eine lange, unbestimmte Zeit nicht in der Lage sein, das zu erfüllen, was euer Lehrer euch gesagt hat … Einige wenige werden versuchen, das zu erfüllen, was gelehrt wurde. Aber diese Wenigen werden nicht über die nahe Zukunft eurer Zivilisation entscheiden.

Diese Lehre, die du weitergibst, kann in ihrer reinen Form von der heutigen Zivilisation nicht als universeller Glaube akzeptiert werden. Die Tora in ihrer jetzigen Form, mit den in früheren Zeiten festgelegten Zielen, sollte nicht die Religion der gesamten Zivilisation sein. Obgleich es ratsam ist,einige ihrer Grundsätze für die Gestaltung eurer Welt zu bewahren.

Was der Lehrer gebracht hat, wird – und das geschieht bereits – einer gewissen Anpassung an die Möglichkeiten des Menschen unterliegen. Das Römische Reich ist auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Das wird noch etwas länger als ein Menschenleben dauern. Dann wird die unvermeidliche Krise dieses Ansatzes zur Staatsentwicklung beginnen. Das griechisch-römische Pantheon wird keine verbindende Rolle mehr für die Existenz des Reiches spielen. Es muss ein Übergang zum Glauben an einen einzigen Gott für alle Völker des Reiches stattfinden, wobei die wesentlichen Elemente des früher Festgeschriebenen beibehalten werden sollten.

Ich unterstütze also die Ausbreitung des Christentums … Das Imperium wird in drei oder vier Jahrhunderten in einzelne Königreiche mit einer vergleichbaren Machtstruktur zerfallen. Das erscheint unvermeidlich. Es wird verschiedene Reiche geben, aber es sollte nur einen Glauben geben, mit einem einzigen Zentrum für die Verbreitung und Bewahrung dieses Glaubens. Dies wird der Entwicklung eurer emotionalen Zivilisation förderlich sein …“

– „Ariman, hat sich die Wandlung des Paulus vom Christenverfolger zum Apostel unter deiner Mitwirkung vollzogen?“

– „Deine Einordnungen sind richtig: Rabbi konnte Paulus nicht aus jener Welt erscheinen, in die er gegangen war. Er ist ein Mensch, für euch alle gelten die gleichen Gesetze. Ihr könnt einen Verstorbenen etwa vierzig Tage lang sehen, nachdem er den Körper verlassen hat. Es gibt Ausnahmen, aber die sind selten. Ich werde deren Grundsätze jetzt nicht erklären. Dieser Prozess wird nicht von meiner Welt begleitet … Die Illusion von Jesus wurde für Paulus von meiner Welt erschaffen – nach der Analyse der Eigenschaften von Paulus und der Beobachtung seines Lebens über einen bestimmten Zeitraum hinweg.

Dies führte zu dem erwarteten Ergebnis. Paulus spielte eine herausragende Rolle bei der Verbreitung des Christentums in mehreren Provinzen des Reiches außerhalb von Judäa. Er wurde zum Organisator der Gemeinden, die heute noch bestehen.“

– „Aber Paulus verbreitete nicht die Lehre, die Rabbi gab!“

– „Ja, Paulus war nicht derjenige, der die Neue Lehre verbreitete, er hatte seine eigene Sicht des Gesalbten, die sich von der deinen unterscheidet. Aber Paulus und du, ihr seid diejenigen, die die Botschaft vom Sohn Gottes und dem einzigen Schöpfer zu den Völkern des Reiches und darüber hinaus bringen. Ihr legt das Fundament des einigen Glaubens für eure gesamtes Gemeinwesen …“

– „Aber das sind doch zwei verschiedene Lehren, zwei verschiedene Christentümer!“

– „Es sind bereits mehr als zwei. Das lässt sich nicht vermeiden: Die Jünger begannen sich Jahrzehnte später an die Worte Jeschuas zu erinnern und sie aufzuschreiben, was eine natürliche Überschneidung ergab. Deine und Johannes´ Botschaft wird, wenn sie in den Gemeinden verbreitet wird, zur Verwirrung beitragen und möglicherweise zu einem weiteren Zweig des Christentums werden …“

Unser Gespräch endete bei den ersten Farben der Morgendämmerung.

– „Das ist alles für den Moment, Ascha. Es reicht. Du musst über alles nachdenken. Wahrscheinlich sehen wir uns wieder“, erklang Arimans angenehmer Bariton in mir. Ariman verschwand unversehens, mit einem kurzen Aufblitzen und einem leisen Rauschen des Windes.

Ich konnte nicht einschlafen. Mein Kopf schien aufzublähen. Und das Summen hat sich nicht mehr gezeigt. Jasna schlief mit demselben sanften Lächeln. Das hat mich beruhigt. Ich beschloss, mein Gesicht zu waschen, ging zu dem großen Tongefäß. Auf der Wasseroberfläche ruhten immer noch die weißen Blütenblätter, die Jasna abends behutsam ins Wasser gelegt hatte … Zwischen den Blütenblättern sah ich mein Spiegelbild. Im Spiegelbild war mein Kopf mit Blütenblättern verziert … Von irgendwoher floss ein kurzer Gedanke hinaus oder hinein: „Zeit, zurückzukehren“. Vorsichtig schob ich die weißen Blütenblätter von der Spiegelung meines Kopfes auf dem Wasser beiseite: mein Haar war dunkel, aber meine Schläfen blieben weiß gefärbt, und mein Bart war mit hellen Strichen bemalt. Es war schon lange her, dass ich mein Spiegelbild gesehen hatte.

Nach dem Frühstück erzählte ich Jasna von dem nächtlichen Abenteuer, das Markantesten aus meinem Gespräch mit Ariman. Jasna hörte aufmerksam zu und wirkte ruhig. Sie streichelte meine Hand, mit der anderen Hand ihren Bauch, wo die kleine Jasna aufnahm, was geschah …

Wir schwiegen eine Weile und umarmten uns. Sie sagte:

– „Euseus, mein Liebster, es ist Zeit, dass du zurückkehrst … Ich hatte einen Traum: Jasna muss ohne dich geboren werden …“ Sie versuchte zu lächeln, doch Tränen traten ihr in die Augen.

Es waren noch drei Monde bis zur Geburt…

Ich habe hier nicht den ganzen Umfang dessen wiedergegeben, was ich damals von Ariman gehört habe, um die Erzählung nicht mit Dingen zu überfrachten, die in Zukunft vielleicht nicht mehr relevant sind. Aber wenn sich einige Nuancen dieser Kommunikation bei den kommenden Ereignissen als wichtig erweisen, werde ich sie erwähnen.

 

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 28


Dieses wundersame Ereignis wurde schnell umrankt mit farbenfrohen Fantasien, und verbreitete sich als Legende in ganz Parthien. Und mit den Karawanen zogen die Gerüchte unweigerlich auch nach Indien …

… Ich kehrte an diesem Tag zu einem späten Abendessen nach Hause zurück. Die Menschen, die bei der Heilung der blinden Räuber und ihrer Begnadigung anwesend waren, wollten etwas über den Boten von Sartoscht, und vor allem über die Kraft wissen, die er anrief. Sie wollten von ihren Gebrechen geheilt werden. Diejenigen von ihnen, die näher am Ort des Sakraments waren, bemerkten, dass ihre alten Beschwerden verschwunden waren, was sie sofort den Umstehenden mitteilten. Es gab auch Menschen, die auf wundersame Weise von Dämonen befreit wurden.

Dasda und ich planten für die kommenden Tage mehrere Treffen im Tempel mit denen, die die Wunder fortsetzen wollten. Wir wollten über den Erlöser und die Lehre sprechen, die Er gebracht hat.

Ich greife ein wenig vor … Das Gerede über die beispiellose Kraft des Boten von Sartoscht, der nicht nur Aschdahak persönlich aus Raschnu vertrieb, sondern auch vier Räuber von Blindheit heilte, die versucht hatten, ihn zu töten und geblendet geworden waren, weil sie die Hände gegen den Boten Ahuras erhoben hatten, brachte die gesamte Bevölkerung der Stadt zu den ersten Versammlungen im Tempel. Jeder, der laufen konnte, kam.

Die Gemeinschaft vergrößerte sich schließlich um sehr wenige, nur um die, die kommen sollten. Drei der vier Räuber, angeführt vom Linkshänder, waren unter ihnen. Sie entschieden, dass sie ihr Leben mir und Dasda verdankten, die die Menge daran gehindert hatten, sie in Stücke zu reißen. Der Linkshänder versicherte uns, dass sie uns nur verlassen würden, wenn wir sie vertreiben oder töten würden. Und sie schworen, dass sie zu jedem Dienst bereit sind und uns ihr Leben anvertrauen …

Euseus und Jasna

An diesem Abend, dem Abend nach dem Wunder, beschlossen Jasna und ich, die Nacht im Hof zu verbringen, im frischen Heu. Es war ihr Vorschlag. Eine warme, sternenklare Nacht. Gelegentlich Sternschnuppen. Jasna glühte vor Verlangen, meine Anspannung der letzten beiden Tage aufzulösen. Und innerlich, aus heiterem Himmel, durchfuhr mich bereits ein Gefühl der bevorstehenden Trennung.

Schon in den ersten Tagen der Schwangerschaft war Jasna sicher, dass ein Mädchen geboren werden würde. Und wenn es ein Mädchen wäre, würde sie Jasna heißen. Darauf haben wir uns geeinigt. Oder besser gesagt, wir waren uns einig: Ich schlug vor und Jasna stimmte zu. Ich kann mich nicht erinnern, aber sie hat mir noch nie in irgendeiner Sache widersprochen.

Wir hatten nicht viel Zeit, und das wussten wir, und deshalb haben wir sie wahrscheinlich nicht mit Meinungsverschiedenheiten vergeudet.

Jasna sprach oft mit dem kleinen Mädchen, das in ihr wuchs. Sie erzählte ihr von mir, von Großvater, Großmutter, von Humat und seiner Familie, von unseren guten Eigenschaften. Sie erzählte ihr, wozu die Menschen auf die Welt kommen, über Gott, über das Gebet, dass ihr Vater, also ich, aus einem fernen Land kam, um vom Neuen Bund mit Gott zu berichten, von den Geboten der Liebe, und dass sie, das Mädchen Jasna, geboren wurde.

Gelegentlich beteiligte ich mich auch an diesem Spiel: Ich erzählte von meiner Mutter und meinem Vater, von meiner Kindheit, von meinem geliebten Großvater, vom Lehrer, von meinen Freunden, davon, wie ich nach Parthien kam … Jasna erklärte dem kleinen Mädchen, dass ihr Vater eines Tages mit der Botschaft vom reinen und wahrhaftigen Leben zu den Menschen gehen und zu Ani zurückkehren muss, in seine Heimat – und über unseren gemeinsamen Traum von der Wiedervereinigung.

Wenn Jasna Essen zubereitete, erklärte sie der anderen Jasna normalerweise, was sie kochte, welche Lebensmittel sie verwendete, und in welcher Reihenfolge …

An Ereignisse mit vielen Gefühlen, Emotionen, manchmal auch widersprüchlichen Emotionen, erinnere ich mich deutlicher, kann sie klarer beschreiben. Aber natürlich erinnere ich mich nicht mehr genau daran; ich erinnere mich nicht mehr an die Details der Kommunikation, an den genauen Inhalt. Ich erinnere mich an das sinnliche Bild der Begegnungen, das subtiler und tiefer ist als die erinnerten Worte. Es erlaubt mir, eine einstmals existierende Kommunikation wiederherzustellen oder zu erstellen, basierend auf den Sinneswahrnehmungen, die in meiner Seele aufbewahrt sind …

Dieser Abend mit Jasna und mir, der nach Heu und Sternenhimmel duftete, war ein Fest der Gefühle, das sowohl die Müdigkeit als auch die Sorgen der letzten Tage vertrieb. Und ehe ich mich versah, hatte mich der Schlaf mit seinen Armen umfangen.

Natürlich habe ich mich, wie wahrscheinlich alle, die diese Zeilen lesen, gefragt, wie stark meine Gefühle für die Frauen sind, die ich liebe, Ani und Jasna. Und wahrscheinlich würde jeder Ehemann, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, aufrichtig antworten, dass er seine bewundernswerten Ehefrauen mit gleicher Intensität liebt. Und ich würde aufrichtig so antworten, dass ich sowohl für Ani als auch für Jasna Gefühle habe. Aber es geht nicht, dass man für zwei Frauen das Gleiche empfindet, auch wenn deren Persönlichkeiten meiner Meinung nach ähnlich sind. Die Gefühle sind ähnlich, so ähnlich wie die Geliebten, aber sie haben eine andere Nuance, oder so … Und es war so, dass das Gefühl für Ani heller, tiefer war. Vielleicht, weil ich jünger war, als wir uns verliebten. In der Zeit, die mir das Schicksal mit der schönen Jasna gewährt hatte, verspürte ich die Sehnsucht, mit Ani zusammen zu sein – vielleicht hat es eine besondere Wirkung auf mich gehabt, dass ich es mit Ani erreicht habe, in einer Blumenwiese unserer Gefühle zu einer Einheit zu verschmelzen …

Treffen mit dem Fremden – Ahriman

Mitten im Schlaf hörte ich jemanden nach mir rufen. Ich öffnete die Augen und sah denselben Sternenhimmel und Jasna, die im Schlaf lächelte. Nur die Nacht war heller geworden.

Ich drehte mich um und erkannte oder spürte, wen ich da sah. Er war es, der Fremde in dem hellen Chiton und der Mütze, die mit einem akkuraten Spiralmuster aus Weißgold bestickt war.

Er hockte neben mir im Heu. Ich erhob mich und verbeugte mich dankbar vor ihm mit der Hand am Herzen. Der starke Eindruck seiner Erscheinung ließ mir die Haare zu Berge stehen und eine Gänsehaut vom Scheitel bis zu den Fersen entstehen. Er machte eine Handbewegung, die so etwas bedeutete wie: „Komm schon, setz dich, setz dich“.

Ich setzte mich. Als ich mich zu Jasna umdrehte, schlief sie mit einem Lächeln im Gesicht.

– „Sie schläft tief und fest, wir werden sie nicht stören“, hörte ich den ruhigen Bariton des Fremden. Ich fühlte mich wieder wie ein Kind vor einem allwissenden Erwachsenen.

– „Wer bist du, Fremder, mein Retter?“ – fragte ich, immer noch beunruhigt und in Gedanken nackt vor seinen Blicken stehend.

Es gab eine kurze Pause.

– „Ich denke darüber nach, wie ich dir antworten soll“, sagte der Bariton mit einem Lächeln. Ich nenne unser Gespräch mit ihm ein Gespräch, auch wenn es ein schnellerer Prozess war.

– „Bist du ein Engel?“ – fragte ich eilig.

– „So könnte man es nennen“, lächelte er leise. – „Dann der, der im Heer auf der linken Seite ist!“

– „Satan“, rief ich aus.

– „Ihr habt viele Namen für mich erfunden … Aber Namen sind nur ein Klang, der euer Wesen und euer naives Verständnis der Welt widerspiegelt … Seth, Ares, Satan, Angra-Manju, Ahriman. In fernen Ländern, die ihr noch nicht kennt, nennt man mich Tetuatlipoka, den Rauchigen Spiegel. Nicht so weit weg von hier, in Indien, wo du nicht hinkommst, Schiva … Einige dieser Namen sind weit vom Wesen meiner Welt entfernt, einige etwas näher. Wähle … obwohl Tetuatlipoka für dich ungewohnt sein wird …“ – ein sanftes, beruhigendes Lächeln umspielte die Lippen meines ungewöhnlichen Gesprächspartners.

Ich nickte aus irgendeinem Grund mit dem Kopf, tat unwillkürlich so, als würde ich alles verstehen, und beruhigte mich allmählich.

– „Ahriman also“, sagte ich fast selbstbewusst. – „Nun, wir sind in Parthien, so nennt man dich hier, und deine Kleidung gleicht der eines Hüters des Feuers.“

– „In Ordnung, aber ohne ‚h‘ bitte“, fuhr er lächelnd fort und beruhigte meine Aufregung.

– „Ariman, wird Humat, der Sohn von Dasda, Indien mit der Botschaft erreichen?“ – diese Frage wurde vielleicht gestellt, um mich etwas zu trauen.

– „Das wird er. Er wird deine Pläne zu Ende führen … Verschwende keine Zeit, Ascha Euseus, wir haben nicht viel Zeit. Stelle deine Fragen.“

– „Ja, Ariman … Dein Name gibt mir keinen Einblick in dein Wesen.“

– „Stelle die Fragen genauer, Ascha. Reiß dich zusammen, wir haben uns bereits getroffen. Ich kann sie in deiner Aura sehen. Warum muss ich sie herausfischen, bemühe dich selbst. Deine Argumentation mit dem Mobed kommt zuweilen in die Nähe des Ziels. Nur Mut!“

Ich wurde rot, eine leichte Gänsehaut überkam mich, aber die Haare auf meinem Kopf bewegten sich nicht mehr.

– „Also! Satan ist ein Engel Gottes, der den Menschen verführt. Ares – Gott des Krieges, der die Menschen provoziert. Ahriman … also gut, ohne ‚h‘, Ariman – Bruder des Schöpfers unserer Welt, der Zerstörung und das Böse in unsere Welt bringt. Sie alle werden von ihren Völkern als Anführer der Mächte wahrgenommen, die sich Gott widersetzen und den Menschen daran hindern, den Willen des Schöpfers zu erfüllen. Satan und Ariman heißen auf Griechisch gleichermaßen: Teufel.

Die Frage ist: Hat der Schöpfer unserer Welt den Teufel erschaffen, der ihm mit entgegengerichteter Kraft gegenübersteht?

Und da ist noch etwas, Ariman! Warum hilfst du mir und rettest mich vor dem Tod?“

– „Na also! Du kannst es doch! Stimmt, im Kopf herrscht noch ein gewisses Durcheinander. Aber das ist ganz normal.

Ich werde ein einfaches Bild der Welt in einer Sprache skizzieren, die du verstehen kannst. Die Eigenschaften deines Denkens können mit dem Erfassen dieser unkomplizierten Skizze umgehen. Dies ist kein Kompliment, sondern eine Tatsache.

Wir sollten keine Zeit damit verschwenden, die Fehlerhaftigkeit deines Verständnisses zu betrachten. Wir wollen die Realität näher betrachten. Du gestehst ein, dass die Menschen nicht die einzige Welt in all dieser Schönheit sind“, er blickte zum Sternenhimmel. – „Meine Welt ist sehr alt, vor allem im Vergleich zu deiner. Es hat keinen Sinn, jetzt zu erklären, wo sie sich befindet, in welchem Sternensystem. Deine Welt ist jung. Ihr seid eine junge Zivilisation, die unter Beteiligung mehrerer alter Welten des Universums erschaffen bzw. erdacht wurde. Auch meine Welt war an der Entstehung dieser Zivilisation beteiligt. Und natürlich beobachtet derjenige, der in den Anfängen beteiligt war, die Entwicklung, so wie ein Elternteil die Entwicklung seines Kindes beobachtet. Meine Welt war einer der wichtigsten Betreuer eures Werdens in einem bestimmten Zeitabschnitt. Das übliche Bild für das Weltall.

Alle Welten des unendlichen Universums sind durch das Eine Gesetz des Schöpfers der Welten entstanden. Und niemand in einer verstandes-orientierten Welt widersetzt sich dem. Widersetzlichkeit – das ist ein charakteristisches Merkmal der jungen Welt. In der Anfangsphase der Entwicklung hilft es ihrem Werden. Aber dieses Stadium zu verlängern ist nicht ratsam, es kann zur Selbstzerstörung der Zivilisation führen …

Ihr seid nicht nur eine junge Welt. Ihr habt auch ein ungewöhnliches Maß an Emotionen. Es ist auf jeden Fall interessant, eure Entwicklung zu beobachten … Eure Perspektiven sind nicht groß. Aber es gibt sie.

Wir analysieren euch, und auf dieser Basis bieten wir euch Entwicklungsprinzipien an, und ihr verwandelt sie in Glaubenssätze. Aber ihr habt die freie Wahl. Die Freiheit der Wahl ist ein unveränderliches Gesetz für alle Welten. Eure jugendhaften Entscheidungen, die von übermäßigen Emotionen geprägt sind, tendieren oft zur Zerstörung. Das ist ein großes Problem für euch selbst …

Das war’s in Kürze, in allgemeiner Form, über das Universum und über mich, über meine Welt. War das verständlich?“

Ich nickte. Ein paar Rückfragen gingen mir durch den Kopf.

– „Lass dir Zeit“, lächelte Ariman sanft. – „Ich sehe deine Fragen. Lasst uns zuerst das noch Verbliebene abschließen.

Der Teufel, ein ‚Verleumder‘. Diese Eigenschaft ist nicht Teil meines Wesens. Ich biete ein Bild an, eine Idee, ein Prinzip, eine Illusion, wie du sagst; aber ob man das, was angeboten wird, nutzt, bleibt jedem selbst überlassen.

Die Verleumder seid ihr. Das ist eure Welt. Ihr verleumdet euch gegenseitig, erzählt euch Lügen und verbreitet Hass. Und ihr sucht außerhalb nach dem Schuldigen. Das ist euer Problem: völlig abnormal, durch ein kaum kontrollierbares Maß an Emotionen, wird in euch die Angst um euer Leben ausgelöst.

Und da ihr immer jemanden haben müsst, dem ihr die Schuld geben könnt – und das auch glaubt – schafft ihr diesen ‚Schuldigen für alles‘ – denjenigen, auf den ihr eure Ängste richtet. Das ist eure Illusion, und die ist bereits ziemlich massiv. Eure Überlegungen gemeinsam mit dem Hüter sind schon sehr treffend. In diesem von euch geschaffenen Klumpen, in diesem Dämon konzentriert sich, wie ihr es ausdrückt, die schwere Kraft, die Energie eurer Ängste. Wenn er von euch geschaffen wurde, hat er demzufolge die gesammelten Eigenheiten eures Denkens. Das bedeutet, dass seine geistigen Fähigkeiten die eines einzelnen Menschen übersteigen.

Für seine Existenz benötigt er die Energie eurer Angst. Ihr versorgt ihn damit in großem Maße und steigert so seine Möglichkeiten und Bedürfnisse. Diesen Teufelskreis habt ihr geschaffen. Das ist es, was ihr den Teufel nennt.

Ich habe nichts mit ihm zu tun. Ich bin nicht an der zerstörerischen Kraft eurer Angst interessiert. Wie auch kein anderer im Universum. Aber für euch ist er todesgefährlich. Von außen betrachtet seht ihr aus wie eine Zivilisation, die sich auf die Selbstzerstörung zubewegt. Ihr seid eine Gefahr für euch selbst und für den Planeten, auf dem ihr erschienen seid …

Gehen wir weiter. Deine zweite Frage: Warum helfe ich dir? Ich bin ein Engel des Schöpfers, ich bin berufen, den Menschen zu helfen“, verbeugte er sich leicht und lächelte. – „Diese Grundsätze der Kommunikation, von denen Joschua von Galiläa, den du „Rabbi“ nennst, gesprochen hat, sind euch sehr nahe. Nahe eurer Gefühlswelt. Und schon jetzt kann man sehen, dass sie die Aussicht haben, sich in dem großen Reich unter verschiedenen Nationen auszubreiten. Das Ergebnis deines Wirkens in Parthien, deine Begegnung mit dem Hüter des Feuers, einem Priester eines anderen Glaubens, bestätigt das.

Dieses große Reich, auf dessen Straßen du dich bewegst, wird noch Jahrhunderte lang eure Entwicklung bestimmen, wobei es territoriale Veränderungen erfährt. Für eine stabile und beschleunigte Entwicklung der Zivilisation ist es besser, wenn die verschiedenen Völker ein einheitliches Weltbild, einen einheitliches Glauben haben. Deshalb hält meine Welt es für sinnvoll, die Verbreitung des Christentums, wie ihr die Lehte genannt habt, zu unterstützen.

Deine Eigenschaften, die Logik des Denkens, deine psychischen Besonderheiten erlauben es dir, aktiv an der Verbreitung der Lehre mitzuwirken. Deshalb kümmere ich mich um dich“. Auf Arimans Lippen sah man schon ein vertrautes Lächeln. – „Natürlich helfen wir – und wir haben nicht nur dir geholfen. Wir haben auch einigen Jüngern nach Jeschuas Fortgehen geholfen. Wir haben mit Zeichen die Bewegung des Rabbi in den Ländern Judäas unterstützt … Sieh doch, wie gut wir mit dir in Parthien zusammengearbeitet haben. Das Ergebnis übertrifft sogar die Erwartungen: Die Botschaft über Christus, dem Sohn Gottes, dem Retter der Menschen, ist tief in den Osten vorgedrungen …

Ich kann sehen, wie Fragen in deinem Kopf herumschwirren. Nehmen wir diese, eine grundlegende ….

Meine Welt hat keine direkte Beziehung zum Erscheinen des Jeschua. Ich habe dir bereits gesagt, dass mehrere Welten an der Geburt, an der Erschaffung eurer Zivilisation beteiligt waren. Wir sind nicht direkt mit der Welt verbunden, aus der Er kam, wir interagieren nicht direkt mit ihr. Ihr aber seid damit verbunden, denn es ist eine eurer Elternwelten. Sie ist euch nahe, so wie der Gesandte jener Welt euch nahe ist. Jeschua ist in seiner Struktur praktisch identisch mit euch. Wir beide, du und ich, haben ein geringeres Maß an Identität. Der Gesandte ist euch in Seinen gefühlsmäßigen Eigenschaften sehr nahe, so dass das, was er erzählt, euch sehr nahe ist. Und da Seine Lehren dazu gedacht sind, euch zu korrigieren, euch von Aggression zu befreien, euch von emotionalen Verzerrungen zu befreien, unterstützen wir die Verbreitung dieser Lehre. Denn wenn ihr sie erfüllt, werdet ihr unfähig sein, euch selbst und damit den Planeten zu zerstören.

Alle Vorgänge im Universum geschehen nach dem Willen des Einen Schöpfers. Alle Welten führen Seinen Willen in verschiedenen Richtungen Seiner Manifestationen aus … Kannst du das verdauen?“ – fragte Ariman interessiert.
– „Ich glaube ich kann,“ lächelte ich.
– „Gut“, nickte er. – „Ich habe mich auch an dein Auffassungsvermögen angepasst. Von jetzt an stellst du die Fragen selbst.“

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 27


– „Ascha Bodhisattva Dasda“, umarmte ich meinen Freund. – „Jetzt muss ich nicht mehr nach Indien gehen, um den Weg des Erwachens von Schakjamuni Buddha zu erlernen. Uschta sagte mir, dass der Älteste der buddhistischen Gemeinschaft dich als Bodhisattva identifiziert hat, der bewusst die letzte Inkarnation auf sich genommen hat …“

– „Mein weiser Freund, Ascha Euseus. Auch wenn du mein Schwiegersohn bist – du bist ein Bodhisattva (aus dem Sanskrit: erleuchtetes/erwachtes Wesen“, Anm.d.Ü.). Du hast eine Sehnsucht, ein Gefühl für eine zweifellos schöne junge Frau – ich spreche von meiner Tochter -, aber es beherrscht dich nicht, du weißt, wie du dich von ihm lösen kannst. Der feurige Drache hat es nicht geschafft, deinen Weg zu überschatten. Du bist unwiderruflich entschlossen, andere zu erwecken, indem du den Weg der Erlösung, dessen Botschaft du uns gebracht hast, selbst erfüllst. Deshalb bist du ein Bodhisattva, wenn auch ein Schwiegersohn“, lächelte Dasda wie immer gutmütig. – „Deshalb bitte ich dich, nicht nach Indien zu gehen und noch eine Weile hier zu bleiben. Humat wird nach Indien gehen, er wird an deiner Seite stärker werden und wird gehen. Er wird ganz sicher gehen. Der WEG des ERLÖSERS ist für jeden zugänglich – man muss kein Mönch werden, um das Karma zu reinigen und ein Erwachter zu werden … Es gibt einen Unterschied im letztendlichen Ziel, aber der ist unwesentlich.

Nirvana, das ist die völlige Abwesenheit von Leiden und die Abwesenheit von Inkarnationen. Das HAUS der LIEDER ist ebenfalls die Abwesenheit von Leiden und von Inkarnationen, mit nur einer letzten, ewigen Inkarnation in der EPOCHE des NIRVANA, wo es kein Leiden geben wird.“
– „Dasda“, ich konnte mein Lachen kaum unterdrücken, „du solltest nach Indien gehen: dann werden diejenigen, die dir zuhören, auch Avestaner.“
– „Humat wird es besser machen als ich, er hat noch nicht die rituellen Dogmen im Kopf, die sich in meinem Alter schon festgesetzt haben“, lächelte der Hüter mit seinen Augen.

– „Und welche Schriften wirst du ihm mit auf den Weg geben?“
– „Ascha, fragst du, ob ich ihm neben den Evangelien, die du mitgebracht hast, auch die Paulusbriefe mitgeben werde?“
– „Ich habe noch keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Aber du hast nichts über deine Einstellung zu diesen Briefen gesagt. Sie verbreiten sich im Westen, sogar bis nach Parthien.“
– „Humat wird die Pergamente von Paulus nicht nach Indien bringen. Es ist eine unnötige Last auf der langen Reise. Sie werden die Behauptung nicht akzeptieren, dass durch das Blut eines Menschen, wenn auch eines GESANDTEN des HIMMELS, die Sünden anderer gesühnt werden können. Und es wird nicht nur von den Jüngern Buddhas, sondern auch von den Avestanern oder Juden nicht akzeptiert werden … Du kannst dein Karma nur durch deine eigenen Schritte ändern – im Osten weiß das jeder …
Ascha, das Bild, das ich von Paulus‘ Ansichten habe, passt nicht zusammen. Diese Botschaften sind unzulänglich. Und es gibt schon keine Fragen mehr. Nach dem, was ich gelesen habe … Gute Kenntnisse der Thora, wie ein Schriftgelehrter. Und die griechische Sprache ist gut. Wie ein Versuch, eine neue Schule auf der Grundlage seiner Auffassung der Thora zu gründen und diese Schule den Juden zu bringen. Aber die Juden können das natürlich nicht akzeptieren, ebenso wenig wie die Hüter des Avesta – der GESALBTE GOTTES, der ERLÖSER, kann kein nicht-menschliches Wesen, kein Gott sein.
Das mögen sich die Griechen und Römer anhören, die haben immerhin ein Pantheon von Göttern, aber nicht die Juden.

Aus den Briefen geht hervor, dass man durch den Glauben an den Sühnetod von GOTTES Sohn gerettet werden kann. Aber ob man durch gute Taten, Gedanken und Worte gerettet werden kann, ist nicht klar. Ich habe dort nicht die eigentliche Lehre gesehen, auch nicht die Gebote dessen, den er CHRISTUS nennt …
Mein Freund, ich bin ein Hüter des Avesta, und Paulus hält an der Vorstellung fest, dass der VATER seinen geliebten SOHN geopfert hat, um für die Sünden der Menschen zu sühnen – derjenigen, die daran glauben, und daran, dass der LEHRER in einem Körper auferstanden und in den Himmel aufgestiegen ist … Von welchem VATER ist die Rede? Vom ALLMÄCHTIGEN SCHÖPFER ? Aber RABBI sagte, sein VATER ist LIEBE und LICHT, und LIEBE richtet nicht, bestraft nicht … Ascha, vielleicht genug der Argumentation, die nichts in unserer Welt ändert?“ – Dasda lächelte.
– „Ja, genug, Ascha Bodhisattva“, verbeugte ich mich mit meiner Hand vor meinem Herzen.

– „Als Hüter des Feuers, möchte ich hinzufügen“, Dasdas Augen leuchteten wie die eines Kindes. – „Das vom ALLMÄCHTIGEN geschaffene Fleisch kann nicht sündig sein und darf nicht vom Menschen getötet, zerstört werden … Und das Wichtigste: Ascha! Bevor wir uns an die Arbeit zum Wohle unserer Nächsten machen … Aus den Briefen des Paulus geht nicht klar hervor, was man tun muss, um im REICH GOTTES zu sein. Aber RABBI sagt klar: Tut SEIN WORT und seine Gebote und ihr werdet das REICH GOTTES sehen. Ein einfacher verständlicher Weg … Liebe deinen Nächsten nicht weniger, als du dich selbst liebst; wünsche ihm alles Gute, bete für ihn; wenn du auf die Wange geschlagen wirst, erwidere es nicht, halte ihm die andere Wange hin; lebe nicht vom Handel; gib den Bedürftigen von Herzen und vergiss, was du gegeben hast; verlasse deine Frau nicht nach Belieben; tue niemandem etwas an, was du dir nicht selbst antun würdest …“
– „Und tue für die Menschen das, was du für dich selbst wünschst“, fügte ich hinzu.
– „Schluss jetzt, lieber Schwiegersohn! Umarmen wir uns und gehen an die Arbeit“, lachte Ascha.

Nach der Umarmung sagte Dasda:
– „Ascha, du hast zwei unangenehme Tage in deinem Horoskop. Ich wünsche, dass du in diesen Tagen weniger unternimmst. Dein Horoskop stimmt nicht immer mit dem Leben überein, aber sei trotzdem vorsichtig.“
Ich ging in die Schmiede, dort gab es immer viel Arbeit. Dasda machte sich zusammen mit Humat und Raschnu daran, das Äußere des HAUSES des FEUERS zu säubern.

… In der Nacht wachte ich durch Olivias Berührung auf. „Euseus, es wird nicht lange dauern … Zu Hause ist alles in Ordnung. Ani erzählt dir, dass sie mit Jasna zusammen ist, sich über ihre Schwangerschaft freut, auf dich wartet, auf euch … Aber ich bin aus einem anderen Grund hier – um dich zu warnen: Morgen ist ein gefährlicher Tag für dich, für Jasna. Sie soll zu Hause bleiben, nehmt sie nicht mit … Und seid nicht allein“, lächelte Olivia und ihre Glocken läuteten leicht. – Ich verschwinde, ich hätte dich nicht direkt warnen dürfen, das ist ein Verstoß gegen die Regeln der Hüter …“

Der Satz blieb mir im Gedächtnis: ‚Lass Jasna zu Hause‘. Ja, Jasna trug ein Baby in sich und sagte, es würde ein Mädchen sein. Zeitlich gesehen war es auf halbem Weg zur Geburt.
– „Wer war hier, mein Liebster?“ – fragte Jasna im Schlaf.
– „Olivia hat uns gute Wünsche von Ani mitgebracht.“
Jasna lächelte und schlief ein.

Am Morgen, als ich mich zum Aufbruch bereit machte, sagte ich:
– „Warte zu Hause auf mich, Liebes. Ich werde früh zurück sein. Nächstes Mal gehen wir gemeinsam in die Werkstatt.“
– „Ja, mein Lieber. Meine Mutter wird meinem Vater heute das Mittagessen bringen. Ich warte zu Hause auf dich … Bleib bitte auf dem Rückweg nicht allein.“

… Als die Sonne den Abend ankündigte, verließ ich Uschtas Werkstatt. Uschta und der Lehrling wollten mich begleiten – Dasda hatte sie darum gebeten. Ich beschloss, allein zu gehen: nicht weil ich mutig war, sondern weil ich meine Freunde nicht einer Gefahr aussetzen wollte, weil ich Angst hatte …
Ich nahm den direktesten Weg nach Hause, ein längerer Weg mit weniger Kurven …

Zwei Personen kamen aus dem Bogenzaun eines Hauses auf mich zu, zwei weitere – ich sah es mit einem Blick zur Seite – kamen aus dem gegenüberliegenden Haus und bewegten sich hinter mir. Ich drehte mich um und stand mit dem Rücken an einer weißen Kalksteinwand. Sie näherten sich mir in einem Halbkreis, um mich in Schach zu halten. Sie zogen ihre Schwerter, die länger zu sein schienen als sonst. Ich stützte mich an der Wand ab, es gab keinen Ausweg, und ich sah keine Notwendigkeit, mein Halbschwert aus der Scheide zu ziehen. Ein kalter Krampf entstand in meiner Magengrube. Die Männer sahen entschlossen aus, in ihren Gesichtern war keine Heiterkeit zu erkennen …
– „Warum wollt ihr mein Leben?“ – sagte ich und schaute in die Augen des in der Mitte Stehenden, der in seiner linken Hand ein Schwert hielt – er schien der Anführer der Bande zu sein. Ich dachte: ‚Ich hätte des nachts nicht so träge sein sollen – und Pars mit Lichtern warnen sollen.‘
– „Ich würde nicht sagen, dass wir dein Leben wollen. Aber wir werden dich töten … Das wird nur dann nicht geschehen, wenn du ein Bote von Zarathustra oder Ahura selbst bist … Und nicht einer von Ahriman.“
– „RABBI, hilf!“ – sagte ich bestimmt. Es war das naheliegendste Gebet in dieser Situation.

Die Kämpfer blieben ein paar Meter von mir entfernt stehen, sahen sich um … Alles ging schnell, schneller als man die Beschreibung des Ereignisses lesen kann …

Ich sah Olivia und Heva. Ich glaube, ich sah auch Atalia, Tschista, Leta, sah den Hüter, dem eine riesige weiße Katze gehorchte … Ich sah Virkus und Krukis. Der Linkshänder mit dem Schwert machte einen Schritt auf mich zu, stolperte aus unerklärlichen Gründen, fiel hin …
– „RABBI, hilf!“ – sagte ich wieder, ich habe mich selbst gehört. Mein Bewusstsein registrierte langsam, aber deutlich, was geschah.
Zu meiner Linken sah ich Johannes, der nicht allein war … neben ihm war ein junger Mann in einem hellen Mantel und jemand anderes in einem ungewöhnlichen Gewand …
Zu seiner Rechten stand ein älterer Mann mit langen Haaren und Bart, der einen Stab trug, vor ihm ein kleiner Mann mit langen, zu Zöpfen geflochtenen Haaren …

Der linkshändige Räuber erhob sich vom Boden, und ich trat direkt auf ihn zu und stieß ihn gegen die Schultern, bevor er sich überhaupt aufrichten konnte. Der Stoß warf ihn auf den Rücken. Die anderen Räuber machten einen Schritt auf mich zu … Ein Augenblick der Verwirrung – plötzlich war da ein Geräusch wie das Rauschen des Windes … Der helle Tag wurde noch heller, grell … Die Räuber hoben zu gleicher Zeit ihre Köpfe. Mir gegenüber, wo der linkshändige Kämpfer vom Stoß zu Boden gefallen war, sah ich einen großen Mann in einem Gewand, das dem Gewand eines Hüter des FEUERS glich. Ich erkannte ihn sofort – es war der scharfsichtige Fremde, der mich einst vor der drohenden Gefahr in einem Dorf gewarnt hatte. Dasselbe Gewand, bestickt mit dem inzwischen vertrauten Muster aus Weißgold, dieselbe Kopfbedeckung … Und der kluge, durchdringende Blick …

Die Angreifer ließen ihre Schwerter fallen, bedeckten ihre Augen mit den Händen und fielen auf die Knie …
Der Fremde sah mir mit einem ruhigen, leichten Lächeln in die Augen. In dieser Verwirrung hörte ich die Worte an mich gerichtet: ‚Bete für sie, wenn du es für richtig hältst.‘

Und plötzlich war alles weg – der bereits vertraute Fremde, die Geräusche und das zusätzliche Licht zu dem Abendlicht. Es gab weder Johannes, noch seine Begleiter, noch die Hüter … So als wäre nichts geschehen. Aber da waren noch die geblendeten Räuber: Sie knieten noch immer auf dem Boden, die Augen starrten in den Himmel, Tränen flossen aus ihren Augen …

Ich kniete nieder, sprach ein Gebet, pries den VATER und dankte den HIMMLISCHEN und IRDISCHEN MÄCHTEN. So haben sich die Mächte für mich eingesetzt!
– „Was sollen wir tun, Perser?“
– „Töte uns, Bote des Zarathustra. Wir haben es verdient zu sterben“, sagte der Linkshänder.
– „Wurde euch dafür Geld gegeben?“
– „Ja, eine Menge Geld. Und sie sagten: ‚Wenn du ein Gesandter Ahuras bist, kannst du nicht getötet werden. Wenn du aber von Ahriman geschickt wirst, bist du des Todes und der Höllenqualen würdig, denn du gibst vor, etwas zu sein, was du nicht bist.‘ “
„So kann man Gott definieren“, dachte ich.
– „Und wer benutzte euch?“ – fragte ich.
– „Ich kenne diese Leute nicht. Es waren zwei, die ihre Gesichter verdeckten und schlechtes Persisch sprachen. Ich hörte Fetzen von Aramäisch, als wir gingen.“

Ich setzte mich eine Weile auf den Boden, um nachzudenken … Dann befahl ich den geblendeten Kämpfern, sich an den Händen zu halten und in einer Kette hinter mir zu gehen. Den vordersten Kämpfer, den Linkshänder, führte ich selbst an der Hand. In dieser behutsamen, langsamen Karawane bewegten wir uns auf den Tempel zu.
Ich sagte ihnen:
– „Lass uns zum Hüter des FEUERS gehen.“
Sie stapften hinter mir her, mit gesenktem Kopf und tränenüberströmten Gesichtern. Sie wussten, dass der Tod sie erwartete, wenn sie als solche bezeichnet wurden, die das Gute angegriffen haben.

Während wir uns unsicher auf den Tempel zubewegten, rannten Kinder hin und her. Dasda, Humat, Raschnu und sein Bruder kamen bereits auf uns zu.
Raschnu und sein Bruder haben mich an der Spitze der Kette abgelöst. In der Zwischenzeit erzählte ich Dasda und Humat, was geschehen war. Ich erzählte ihnen von der wundersamen Erscheinung der HIMMLISCHEN und IRDISCHEN MÄCHTE und von dem prachtvollen Fremden, der wie ein Mobed gekleidet und mit Weißgold bestickt war. Prachtvoll nicht wegen seiner Kleidung: Neben diesem Fremden, der entweder ein Engel oder ein himmlischer HÜTER war, fühlte ich mich wie ein Kind, das dabei ist, die Welt kennenzulernen und dessen Handlungen sämtlich bekannt sind.

Im Tempel befragte Dasda die Räuber ausführlich über das Ereignis selbst und die Einzelheiten der vorangegangenen Verschwörung … Es wurde beschlossen, die geblendeten Räuber bis zum Morgen im Geräteschuppen in Dasdas Haushalt unterzubringen. Raschnu blieb, um sich um sie zu kümmern und ihnen Essen zu geben. Humat und sein Bruder Raschnu sollten die Menschen über eine morgige Vollversammlung im Haus des FEUERS informieren.

Der Morgen kam. Die Menschen versammelten sich in großer Zahl beim Tempel. Die vier geblendeten Männer, große, kräftige, junge Männer, standen auf einer eigens zusammengehauenen breiten Holzstufe, damit jeder sie sehen konnte.
Dasda sprach deutlich und laut über die Geschehnisse, das Komplott und die Bezahlung des Mordes.
– „Der ALLGUTE Ahur, der seinen BOTEN beschützt hat, hat ihnen nicht das Leben genommen, sondern sie geblendet. Und die Entscheidung über ihre Schicksale hat er uns, dem Volk, anvertraut. Der BOTE hat das letzte Wort,“ schloss Dasda seine Rede.
– „Richtet sie hin! Richtet die Diener von Ahriman hin, richtet die Diener des Bösen hin!“ – kam es holprig aus der Menge.

Ascha hob die Hand und mahnte zur Ruhe. Dann fragte er diejenigen, die gegen die Gesetze Ahur-Masdas verstoßen hatten, ob die Ereignisse richtig wiedergegeben wurden. Der Linkshänder nickte zustimmend für alle vier und sagte:
– „Ja, richtig.“
Dieselbe Frage wurde dem Hüter des FEUERS, dem Hüter der WAHRHEIT, und mir gestellt. Ich bejahte die Frage.

– „Brüder und Schwestern, die auf dem Weg des Guten wandeln, auf dem Weg des allgütigen Ahur“, sprach Dasda weiter und wandte sich an alle. – „Um der Reinheit und unseres Wohlergehens willen schlage ich vor, das Urteil über diejenigen, die gegen das Gesetz Ahurs verstoßen haben, dem BOTSCHFTER des ALLGÜTIGEN SCHÖPFERS anzuvertrauen. Ascha, wir warten auf deine Entscheidung“, verbeugte sich der Mobed mit der Hand vor dem Herzen vor mir.

– Ja, ja … Sag uns, GESANDTER … BOTE, sag uns deine Entscheidung, sag uns dein Wort …“, das Volk wurde hellhörig; die Autorität von Dasda und seinem Clan war in Midia enorm.
– „Avestaner, ihr treuen Anhänger des Zarathustra“, begann ich, während mir das Blut in den Kopf schoss. – „Ich bin mit der BOTSCHAFT des von Zarathustra versprochenen ERLÖSERS zu euch gekommen … Der ERLÖSER sagte: „Vergib, und dir wird vergeben.“ Ich hege keinen Groll gegen diese Menschen, sie sind meine Brüder, die sich auf den Straßen der FINSTERNIS verirrt haben. Unser VATER ist ALLGÜTIG und hat uns geheißen, ihm gleich zu sein … Ich habe diese Menschen vergeben ….“
Ein zustimmendes Gemurmel ging durch die Stadt. Ich fuhr fort:
– „Der Erlöser sagte: ‚Tut Gutes denen, die euch hassen, betet für die, die euch verfolgen und beleidigen …‘ Ich werde zum RUHM des ALLERHÖCHSTEN über diejenigen beten, die gegen SEIN Gesetz verstoßen haben … Und es geschehe nach SEINEN WILLEN!

Die blinden Kämpfer knieten nieder. Ich bat sie, näher zusammenzurücken, so dass sie die Schultern des anderen spüren konnten. Ich breitete meine Arme über sie aus, lobte den VATER, rief RABBI an, sah das LICHT auf uns herabströmen … Zu dem vertrauten Gefühl des Sakraments gesellte sich dieses Mal das Rauschen des Windes …

– „Ich kann sehen!“ – Ein Brüllen hallte über den Platz; es war der Schrei des Linkshänders. Die drei anderen stimmten in den Ruf ein. Tränen strömten aus ihren Augen. Dasselbe geschah mit meinen Augen und mit Dasdas Augen … und mit den Augen aller, die ich um mich herum sah …

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 26

Uschtas Leben als buddhistischer Mönch.

Uschta hatte fast drei Jahre in der buddhistischen Gemeinschaft verbracht. Alles, was der weise Älteste, der Bodhisattva, gelehrt hatte, war ihm nahe. Fast alles. Uschta verstand und akzeptierte das Unvermeidliche: Die Welt, in die wir hineingeboren werden, basiert auf Vergänglichkeit, alles Geschaffene wird zerstört, Der Mensch wird geboren und stirbt unweigerlich. Früher oder später muss man sich von dem trennen, den man liebt – die Voraussetzungen dafür werden unweigerlich geschaffen. Unsere Gefühle und Gedanken sind unbeständig. Wir können angenehme und unangenehme Eindrücke und Bilder von manchen Dingen haben, aber auch sie sind unbeständig und manchmal ändern sich die Dinge. In unseren Wünschen sehnen wir uns nach angenehmen Dingen; unangenehmen Dingen versuchen wir auszuweichen. Und wenn wir nicht bekommen, was wir wollen, wie es oft im Leben geschieht, so leiden wir.

Leiden lässt sich generell nicht vermeiden, wenn man inkarniert ist. Und dann hat Buddha Recht, wenn er sagt, dass die ganze Welt Leiden ist, das mit der Geburt beginnt.

Uschta bezweifelte nicht, dass die Ursache des Leidens in unseren Wünschen, Anhänglichkeiten und dem Verlangen nach sinnlichen Vergnügungen liegt. Und dieser Durst führt zu neuen Geburten, bei denen es wieder ein Verlangen nach Sinnesfreuden und eine Ansammlung von Anhänglichkeiten gibt …

Wenn also die gesamte inkarnierte Welt leidet, muss man, um das Leiden zu beenden, einen oder mehrere Wege finden, um vom Durst nach Begierden frei zu werden. Und Uschta hat sich entschlossen, den vom Buddha vorgeschlagenen Weg zur Beendigung des Leidens zu erforschen – den Achtfachen Heiligen Weg. Er wurde sich seines Karmas bewusst und verstand, dass jede Handlung ihre Konsequenzen und Resultate hat. Er hat gelernt, wie man das Richtige tut. Dazu gehörte, keinem Lebewesen Schaden zuzufügen, d.h. keine Nahrung zu töten, sich nicht die Güter anderer Leute anzueignen, nichts zu tun, was zu Rauschzuständen führt, die Wahrheit sagen … Kurz gesagt, auf die richtige Art zu leben, in Übereinstimmung mit den Lehren.

Während seines Lebens in dieser Gemeinschaft lernte er einfache, aber sehr wichtige Dinge: Er hörte auf, sich selbst zu belügen, Unwahrheiten über andere zu erzählen, zu verleumden, Schlechtes über andere zu sagen, Dinge zu sagen, die er nicht wusste. Er hörte auf, jemanden zu beschimpfen und seine Empörung auszudrücken, Menschen zu bewerten … Bodhisattva lehrte ihn geduldig all dies und erklärte ihm die Folgen jeder falschen Handlung, die unweigerlich zu Unglück führen. Er lehrte Uschta, sich vom Leiden fernzuhalten, sich von Begierden fernzuhalten.

Die Praxis der Selbstkontemplation ist ein wichtiger Teil des Lebens der buddhistischen Gemeinschaft. Zusammen mit anderen Mönchen, unter dem sanften Rauschen der Bäume, studierte Uschta die Kontemplation, um seine Gedanken zu beobachten, ihr Auftauchen und Verschwinden, das Auftauchen und die Auflösung von Sinnesreizen … Uschta erlernte die Loslösung von Objekten der sinnlichen Wahrnehmung und damit von Begierden … Durch solche Meditationen und die Erkenntnis, dass der Abschied von der Geliebten ihn zur Erlösung führte, überwand Uschta bald seinen starken Wunsch, zu seiner Geliebten zurückzukehren. Er überwand es und wünschte seiner Geliebten, ihrer Familie und ihrem – wie es sich ergab – Verlobten gute Tage und ein besseres Karma. Dies rief ein zustimmendes Lächeln bei dem weisen alten Mann hervor.

In der Gemeinschaft glaubte man, dass jeder Mönch, der genau dem Weg folgte, den Buddha gegangen war (seine engsten Schüler hatten seine Lehren und Predigten aufgezeichnet), auch ein Erleuchteter werden konnte. Aber das ist nur in einer klösterlichen Gemeinschaft möglich. Ein Mensch, der in dieser Welt lebt, kann sein Karma durch gute Taten nur zum Besseren verändern, kann aber nicht erleuchtet werden. Nur Mönche haben den Weg zum Nirvana, zur letztendlichen Loslösung von der Welt und zum Ausstieg aus Samsara, dem Kreislauf der Inkarnationen …

Uschta möchte in die Welt zurück, um zu helfen

Der Bodhisattva hat sich viel mit Uschta unterhalten. Uschta hatte sehr warme Gefühle für den Weisen und spürte seine väterliche Fürsorge. Eines Tages hatten sie ein Gespräch, in dem Uschta Zweifel an seiner eigenen Fähigkeit, Erleuchtung zu erlangen, äußerte.

– „Meister, hilf mir“, sagte Uschta zu dem Weisen. – „Ich versuche, die Kontemplation zu erlernen, die Loslösung von der Welt des Leidens; manchmal gelingt es mir … Aber die Kontemplation führt dazu, dass ich nicht hart genug arbeite, um für mein Leben in der Gemeinschaft zu sorgen, für Nahrung, Kleidung, Werkzeuge für die Bewirtschaftung des Landes … Dasselbe gilt für meine Brüder: Wir können nicht für uns selbst sorgen, unser Leben hängt von der Hilfe der Menschen im Dorf ab …“

– „Ja, so ist es, weiser Uschta,“ lächelte der Älteste. – „In dieser Welt ist jeder auf den anderen angewiesen. Der Weg der persönlichen Vervollkommnung besteht nicht nur darin, den nahen Raum vom Einfluss von Mara zu reinigen, so dass es weniger Leiden geben kann … Indem du das tust, hilfst du bereits den Menschen im Dorf. Und indem sie der Gemeinschaft helfen, indem sie euch helfen, verbessern sie ihr Karma und folgen ihrem Weg zur Erleuchtung … Ihr wisst doch, jeder wählt seinen eigenen Weg …“

– „Ich danke dir, Meister. Ich möchte, dass du weißt … Der Wunsch, Menschen zu helfen, nicht nur in der Gemeinschaft, lässt mich nicht los … Im Kreislauf von Samsara waren viele Menschen unsere Verwandten, Mütter, Ehefrauen …“

– „Mein Sohn, der Buddha hat nicht gesagt, dass sein Weg der einzige Weg ist, der zum Erwachen und zur Befreiung vom Leiden führt. Die ersten Schüler des Buddha sagten: er stehe an einem Scheideweg, und viele Wege führen zur Erleuchtung … Jeder Mensch hat unterschiedliche Fähigkeiten und Begabungen. Die Ursachen des Leidens verschwinden nicht von selbst, Erleuchtung ist ein Weg der Analyse, des Nachdenkens, der Meditation, des Gebets … Entsprechend den eigenen Fähigkeiten gestaltet sich der Weg … Buddha gab seinen Anhängern aus der Welt einfachere Lehren … Meiner Ansicht nach hast du sowohl die Möglichkeiten als auch die Fähigkeiten, um dem Weg des Buddha, dem Weg eines Mönchs zu folgen. Aber das ist nur eine Ansicht, keine Nötigung eines Lehrers.“

– „Meister, ich glaube, ich habe gelernt, mich von Anhaftungen und Wünschen fernzuhalten und die Konsequenzen der Handlungen zu verstehen, die zu Leiden führen, mich selbst zu beobachten, zu sehen, wie und warum meine Gedanken fließen … Ich danke dir und Buddha für das Geschenk des Achtfachen Pfades … Und ich denke, dass ich noch nicht bereit bin für Samadhi, für völliges Losgelöstsein. Ich konnte wahrscheinlich das Karma der Sippe nicht ändern. Mein Vater ist Schmied, ein einfacher Schmied, der den Menschen mit seinen Händen hilft. Und in mir lebt der Wunsch, meinen Brüdern und Schwestern nützlich zu sein, die sich mit mir im Rad der Geburten drehen …“

– „Mein Freund Uschta“, lächelte der Älteste. – „Möge sich dein Weg zum Erwachen über ein langes Leben erstrecken, zum Wohle der fühlenden Wesen, die das Erwachen suchen … Samadhi zu entsagen, obwohl du den Weg dorthin kennst, um fühlende Wesen zu retten, das ist der Pfad des Mitgefühls, der edelmütige Pfad …

Ich werde dich nicht zum Bleiben überreden … Ich erinnere mich an eine Begegnung mit einem jungen Priester, einem Hüter des FEUERS aus dem westlichen Reich. Er kam zu mir auf der Suche nach Weisheit, da er selbst rechtschaffen war. Er blieb zwei Monde lang im Kloster, wir hatten einen regen Austausch …. Dieser Mann geht den Weg des guten Handelns, der guten Gedanken und Worte, den Weg des Mitgefühls, des Erweckens anderer. Und er kam bewusst in diese Welt … Dies ist seine letzte Inkarnation. Er ist ein Bodhisattva. So habe ich es gesehen …

Du musst weit nach Westen gehen, dorthin, wo die Berge enden, fast bis zum großen Fluss. Er wird dein Freund und geistiger Lehrer sein …“

Uschta kehrt in sein Heimatdorf zurück, geht weiter zu Dasda

Uschta kehrte in sein Heimatdorf zurück und erfreute seine Eltern damit, dass er noch lebte. Er überraschte sie mit seiner völlig veränderten Welt und Lebensauffassung, indem er ihnen von dem Weg erzählte, den er gefunden hatte. Er bedankte sich bei seinen Eltern für das Leben, das ihm geschenkt worden war, für die Möglichkeit, sich zu inkarnieren. Eine kurze Zeit lang arbeitete er mit seinem Vater in der Schmiede. Der Vater hörte sich die vernünftigen Gedanken seines Sohnes an, seine Ideen über die Arbeit mit Eisen, und er beruhigte sich.

Vor der langen Reise besuchte Uschta die Eltern seiner Jugendliebe und bedankte sich bei ihnen dafür, dass sie das gegenseitige Gefühl geduldet haben, das zur Ursache seiner Veränderung wurde. Und bat sie, seine Ergebenheit und seinen Dank an das Mädchen und ihre Familie zu übermitteln …

Und nach einem Monat der Reise in das westliche Königreich, in Richtung des großen Flusses, traf Uschta das Ziel seiner Reise – Ascha Dasda, einen Freund und Lehrer, der Uschta geholfen hatte, zuerst ein echter, gutmütiger Mann und dann ein Meister zu werden. Wie Dasda sagte, wenn man es in umgekehrter Reihenfolge macht, wird man kein echter Meister und verpasst die Zeit, ein echter Mann zu werden.

– „Und jetzt habe ich dich getroffen, Ascha, einen Schüler des Buddha aus Judäa“, lächelte Uschta. – „Ich traf den, auf den Dasda gewartet hat. Und mein Weg zur Erleuchtung ist geebnet …

Und die Stupa auf der Münze, die Pagode – damit begann unser Gespräch … Bodhisattva erzählte uns Mönchen, dass im Dorf Kuschinagara Buddha Schakjamuni, ein Weiser aus der Schakja-Familie, in der Pose eines Löwen – auf der rechten Seite die rechte Hand unter dem Kopf, den Kopf nach Süden, das Gesicht nach Osten – in Kontemplation versunken war … und das Nirwana erreichte.

Die Schüler übergaben den Körper des Gurus dem Feuer … Ja, dem Feuer. In diesen Gegenden wird ein leerer Körper verbrannt – so wird nach den Gewohnheiten des Landes der irdische Körper der Erde zurückgegeben … Und hier, wie du wahrscheinlich schon weißt, entweihen wir das heilige Feuer und die Erde nicht mit einem leeren Körper. Zuerst geben Vögel und Hunde den Körper der Erde zurück, dann trocknet die Sonne ihn, und die Überreste kommen in tönerne Gefäße … So sammelten Buddhas Schüler die Asche seines Körpers ein, säuberten sie und legten sie in diese Gedenkstätten – Stupas, Pagoden … Das war ihre Entscheidung.“

Uschta wird von dem Dämon Aschdahak versucht

Am folgenden Tag nach der Geschichte über Uschtas Leben fragte ich ihn:

– „Was ist mit Aschdahak, hat er dich nicht mehr heimgesucht?“

– „Ja, er kam zu mir, als wir unser zweites Mädchen bekamen. Ein großer, hässlicher Mann, mit einem Schwanz wie eine Eidechse. Es war keine Freude ihn anzuschauen, und die Stimme krächzte innerlich. Er sagte: ´Was hast du gewonnen, Schmied? Und dein weiser Mann ist tot, und deine Liebe ist nicht bei dir, und ihr Mann schlägt sie, weil sie an dich denkt … Und du hast kein Geld. Obwohl dein Stahl gut ist … Nun, das ist Vergangenheit. Ich brauche ein Schwert. Du sollst es schmieden.´

Was soll ich verheimlichen; mir war innerlich kalt und ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich dieses Monster sah und hörte. Ich dachte, ich sollte etwas sagen und versuchen, keine Angst zu haben. Ich atmete ein und aus und erinnerte mich daran, dass es ein Gebet gab. Ich sagte zu ihm: ‚Wozu brauchst du ein Schwert? Du machst sowieso schon jedem Angst.‘ ‚Wenn du es machst, werde ich dir sagen, wo du es hinlegen sollst`, sagte er, als hätte er meine Frage nicht gehört, ‚und wo du die Belohnung abholen kannst. Ich zahle dir genug für deine zukünftigen Kinder. Und weigere dich nicht voreilig, Schmied! Geh zum Fluss, sei nicht träge … Am Ufer, flussaufwärts, liegt ein großer gelber Stein. Darunter befindet sich auf der Nordseite ein flacher Sack mit hundert Goldstücken. Es ist keine Anzahlung, nur ein Geschenk, damit du weißt, dass alles fair abläuft …‘ Und er verschwand, als ob er nie da gewesen wäre.

Am Morgen ging ich zum Fluss und fand einen kleinen Beutel unter einem Stein in der Erde, in dem sich hundert Goldmünzen befanden. Natürlich habe ich es nicht mitgenommen, ich habe es dort gelassen.

In der Nacht tauchte das Ungeheuer wieder auf. Seine Augen waren blutunterlaufen, um es noch beängstigender escheinen zu lassen: ‚Ich brauche dein Schwert dringend. Die Zeichnung und die Abmessungen werden am Morgen vor deiner Haustür liegen. Eine Truhe mit Goldmünzen wird in deiner Werkstatt stehen, noch bevor du mit der Arbeit begonnen hast. Wenn es fertig ist, musst du es nirgendwo hinbringen. Ich werde die Bestellung selbst abholen, ganz wie du es wünschst.‘

‚Nein, Mara … ich werde den Auftrag nicht annehmen‘, versuchte ich, klar und ruhig zu sprechen. Mit dieser Vorgehensweise Aschdahak gegenüber fühlte ich mich sicherer. – ‚Ich werde dein Gold nicht annehmen, egal wie viel du mir noch gibst. Der Bodhisattva lehrte mich, mich von Wünschen zu befreien und nicht wegen dem zu leiden, was ich nicht habe … Ich habe alles, was ich zum Glück und für Samadhi brauche‘- Und ich rezitierte ihm, ohne den Blick zu senken, unsere wichtigste Avestische Regel: ‚Humata, Huchta, Huwarscha‘ – gute Gedanken, gute Worte, gute Taten.

Er zitterte: ‚Schmied! Du sagst, du hast keine Wünsche oder Anhänglichkeiten? Leiden werden deine Jüngsten, deine Liebsten …‘

Und ich setze meinen Weg fort, ohne auf seine Drohungen einzugehen. Ich wiederholte die HEILIGEN Namen des HERRN. Ich stellte mir vor, dass das FEUER des ALLGUTEN in mir brennt und alle Worte des Dämons leer sind und im FEUER verglühen. Und ich begann das Ahunwar zu rezitieren, rhythmisch, klar … Der Dämon begann im Rhythmus des Gebets zu zittern. Er grinste und verschwand …

Das ist die Geschichte, Ascha. Ich hatte dennoch keine Angst vor ihm. Und die Schule des Klosters hat mir geholfen …“

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 25

Die Schmiede. Ich war oft dort, wenn ich die Gelegenheit dazu hatte. Die Schmiede führte der hervorragende Meister Uschta, der mit Spitznamen „Der Mönch“ genannt wurde. Der Spitzname stand im Kontrast zur Realität – Uschta hatte eine liebende Frau und fünf Töchter.

Zusammen mit einem talentierten Lehrling von vierzehn Jahren half ich dem Meister, Werkzeuge für die Gemeinschaft und zum Tausch herzustellen. Uschtas handwerkliches Geschick und seine Weisheit waren in der ganzen Gegend bekannt, er brauchte seine Produkte nicht auf den Markt zu bringen; die Leute kamen von weit her zu Uschta – zuerst um zu bestellen, dann um die Werkzeuge abzuholen. Jeder wusste, dass Uschta nicht von jedem einen Auftrag zur Herstellung einer Waffe annahm, egal wie viel Geld geboten wurde. Uschta hatte eine Regel: Der Kunde, ob adlig, reich oder arm, musste selbst zum Meister kommen, nicht den Auftrag per Bote weitergeben. Uschta sprach mit dem Kunden, bevor er eine Entscheidung traf, und gelegentlich lehnte er eine Person ab, nachdem er sie gesehen und mit ihr gesprochen hatte, und erklärte ihr, dass es aus Sorge um sie sei.

Die Qualität des Stahls, die Uschta erreicht hat, habe ich in meinem Leben noch nie gesehen, weder vorher noch nachher. Die Waffen, die Uschta herstellte, waren ein Kunstwerk. Er war nicht nur ein unnachahmlicher Schmied, sondern auch ein Künstler: hochwertig gemusterter Stahl, feine Gravuren mit feinen Linien sowohl auf dem Produkt selbst als auch auf der Scheide. Er zeichnete die Muster selbst und beherrschte die Linie meisterhaft.

Am Gürtel von Ascha Dasda, den er als seinen Meister betrachtete und bezeichnete, hing ein Geschenk von Uschta. Der HÜTER des FEUERS musste einen Halbschwertdolch besitzen und ihn gut führen können: um das FEUER, das Symbol AHURAS, bis zum Letzten zu verteidigen, selbst wenn es ihn das Leben kostete.

Neben Uschta fühlte ich mich wieder wie ein Lehrling, trotz meines bereits reiferen Alters. Das Erlernen der Geheimnisse der Handwerkskunst und die erfolgreiche Anwendung dieser Geheimnisse auf die Erzeugnisse hat mich wieder einmal sehr bewegt. Er kannte die Technik zur Herstellung von Erzeugnissen höchster Qualität und teilte diese Geheimnisse offen und mit Freude mit mir, als wolle er seine Dankbarkeit für die BOTSCHAFT der LEHRE der LIEBE ausdrücken.
Ich vollzog alle Zusammenhänge, Zutaten und Temperaturverhältnisse nach und benutzte eine Sonnenuhr, um die Zeiten festzuhalten, zu denen der Meister ein Metall von besonderer Qualität erzielte. Ich habe gelernt, Stahl in einer Qualität zu produzieren, die ich nie zuvor erreicht habe, aber es ist mir nie gelungen, die ausgewogenen Eigenschaften zu reproduzieren, die Uschta beständig erreicht hat.

Uschta freute sich über meinen Erfolg, beantwortete meine detaillierten Fragen, lobte mich und sagte, er habe noch nie einen so klugen Schüler getroffen. Aber sein Metall war das beste, was die Qualität der Struktur anbetrifft.

Doch dann kam der Tag, an dem ich den Schlüssel sah und mich für meine Unachtsamkeit schämte. Als Uschta Stahl herstellte, ließ er sich nicht durch Gespräche ablenken, sondern summte ein Mantra mit den heiligen Namen des HERRN. Ich hingegen dachte bei der Arbeit mit dem Metall meist intensiv nach, entweder über das Endergebnis oder über eine ethische oder praktische Aufgabe der Gemeinschaftsbildung.

Ich habe dem Meister nicht sofort von meiner Entdeckung erzählt. Zunächst beschloss ich, meine Vermutung zu überprüfen: dass die Worte, die ich sprach, und der Zustand meiner Gedanken, während ich das Metall bearbeitete, seine Qualität beeinflussten. Ich versuchte, mich bei der Arbeit am nächsten Stück nicht von fremden Gedanken verwirren zu lassen, sondern wechselte zwischen Gebet, Lobpreis des Vaters und einigen Psalmen zum RUHM des HERRN, die Lukas in der Johannes-Gemeinde am Euphrat komponiert hatte … Und ich erreichte eine Qualität, die ich noch nie zuvor erreicht hatte und die mit der Qualität des Stahls von Uschta vergleichbar war.

– „Nun, dein Stahl ist mindestens so gut wie meiner“, lächelte Uschta und ermutigte mich. – „Ich hätte nicht erwartet, dass ein Schüler seinen Lehrer so schnell übertrifft … Obwohl ein guter Lehrer genau der ist“, zwinkerte Uschta mir zu.

In der Werkstatt befand sich ein großer Bestand an Münzen, zumeist Silbermünzen, die der Meister je nach Kundenwunsch zum Schmelzen oder zum Einfassen verwendete.

Es gab griechische und römische Münzen, Münzen aus parthischen Königreichen und sogar aus der großen Dynastie der Achämeniden in Persien – sie waren ein halbes Jahrtausend alt.

Unter den Münzen gab es ein paar fast neue, die einen Feueraltar darstellten. Uschta erklärte:
– „Neu. Der König von Parthien, Walachscha, in eurer Sprache Wologes … Die Buchstaben sind aramäisch, aber die Sprache ist Altpersisch. Walachscha begann hier, die erhaltenen Teile des heiligen Avesta zusammenzutragen. Er kam mit einer Truppe in diese Region und traf Dasda und seinen Vater. Walachscha bat Dasdas Familie um Hilfe bei der Wiederherstellung des Avesta.“

Ich habe in einer Sammlung eine schäbige Münze gefunden, auf der ein für diese Gegend ungewöhnliches Gebäude abgebildet ist. Ich fragte Uschta:
– „Ist es ein Schrein?“
– „Es ist ein buddhistisches Stupa (ein kuppelförmigs Bauwerk, oft mit einem Spitzturm, Anm.d.Ü.), Ascha. Die Münze ist alt. Sie ist wahrscheinlich etwa dreihundert Jahre alt. Man findet sie noch in Ostparthien … Das dortige Königreich Margiana ist meine Heimat. Dort gibt es eine buddhistische Gemeinschaft … Der Weg des Buddha, des Weisen des Schakja-Geschlechts … Der Herrscher des nordindischen Königreichs, Aschoka, war ein Anhänger des Buddha; er sandte Boten in die östlichen Königreiche von Parthien …“

Über den Buddhismus

– „Ich habe von Mönchen gehört, die diesen Weisen verehren. Ich hörte, dass Buddha den Weg der Entsagung von Begierden und das Verlassen der Abfolge von Inkarnationen predigte …
Mein Freund Uschta, ich habe ein großes Verlangen, diese Lehre eingehend zu studieren und den Jüngern Buddhas von meinem Weg, von RABBI, zu erzählen; habe aber dennoch beschlossen, dass ich nicht weiter nach Osten gehen werde … Und Ascha Dasda versprach, dass Humat mit der Botschaft des WEGES der LIEBE in diese Länder gehen wird.“

– „Ja, Ascha Euseus, lass es die Jugend tun. Du hast jetzt viele irdische Dinge zu tun. Man sagt, deine erste Frau sei sehr schön. Und ich habe Jasnas reine Schönheit gesehen, seit sie ein Kind war. Jasna ist eine einzigartige Perle. Ich zweifle nicht daran, dass auch deine entfernte Geliebte außergewöhnlich ist. Du bist einer solchen Frau würdig, Ascha. Ich wünsche dir, dass du dein Geschlecht von diesen reinen Schönheiten, die deiner Beachtung würdig sind, fortsetzt“, lächelte Uschta warmherzig. – „Ich werde dir helfen … Damit du dich nicht zu weit von den schönen Frauen entfernen musst, werde ich dir ein wenig über den Weg des Buddha erzählen. Und der zweite Teil deines Wunsches wird von Humat erfüllt werden. Wenn Dasda sagt, dass Humat nach Osten gehen wird, dann wird das so sein … Ich werde dir von der Stupa und der Pagode erzählen und warum ich „Mönch“ genannt werde …

Wir haben den ganzen Tag bis zum späten Abend gebraucht, um über das Leben von Uschta zu sprechen. Und am nächsten Tag kehrte er zu seiner Geschichte zurück. Während unseres Gesprächs war Uschta dabei, ein Stück mit einer fertigen Zeichnung zu gravieren, und ich war dabei, meine eigene Zeichnung auf Jasnas Haarnadel zu gravieren.
Ich werde Uschtas Geschichte in meiner eigenen, stark gekürzten Erzählung wiedergeben, werde erzählen von dem, woran ich mich am lebhaftesten erinnere …

Uschta wurde in einem Dorf im gebirgigen Parthien auf der iranischen Hochebene geboren, eine Mondreise östlich von seinem jetzigen Wohnort in Midia, mit einer Karawane vielleicht sogar weniger. Dort wuchs er auf. Er war seit seiner Kindheit mit dem Nachbar-Mädchen befreundet und hatte sich in sie, und sie sich in ihn, verliebt. Sie träumten davon, Mann und Frau zu sein und viele Kinder zu haben: Uschta träumte von Mädchen, die so schön waren wie seine Geliebte, das Mädchen träumte von Jungen, die so männlich und vernünftig waren wie Uschta. Aber die Eltern des Mädchens hatten sie, wie es damals oft der Fall war, im Rahmen einer langjährigen Vereinbarung mit einem Nachbardorf verheiratet – für sie war es also im Ganzen gesehen von Vorteil.

Das Gefühl des jungen Mannes war sehr stark; es ist schwierig, mit sechzehn Jahren anders zu lieben. Genauso stark und lang und herzzerreißend war die Erfahrung des Abschieds von seiner Geliebten, denn er und sie waren bereits in Träumen verwoben. Uschta konnte es nicht ertragen, in seinem Heimatdorf zu bleiben, alles um ihn herum erinnerte ihn an das unerfüllte Gefühl; es gab Momente, in denen der junge Mann vor Erinnerungen erstickte …

Er verließ sein Zuhause und bat den Himmel, über sein Leben zu verfügen. Er bewegte sich auf kleinen Tierpfaden. Die Tage waren heiß, die spärlichen Bäche waren trocken. Er aß Insekten, Eidechsen, Wurzeln … Er leckte den Morgentau von den Blättern. Die Tage zählte er nicht mehr …

Eines Tages schlief er im Halbschlaf an einem trockenen Bachbett ein. Er sah entweder eine Vision oder eine Realität. Ein Dämon erschien vor ihm, der mehr als einen Kopf zu haben schien.
„Es muss Aschdahak sein, der Oberste der Dämonen, der mich holen kommt“, dachte Uschta.
„Ja, ich bin der, für den du mich hältst“, hörte Uschta. – „Möge es Aschdahak sein, wie sie ihn in deinem Dorf nennen … Ich werde dir deine Liebe wiedergeben. Aber es ist eine Frage des Geschäfts. Du wirst meinen Wunsch erfüllen – und ich werde dir zurückgeben, was du verloren hast, was du mehr als das Leben begehrst … Du musst den alten Mann töten, den Ältesten im Kloster. Sie nennen ihn den Bodhisattva … Es ist nicht schwer, er hat keine Kraft mehr in sich. Genau wie jetzt geschehen wird ein Mann kommen und dich zu dem alten Mann führen … Und zu Hause wirst du deine Liebe wiederfinden … Alles liegt in deiner Hand. Es liegt an dir …“

Uschta fand den Mönch an einem ausgetrockneten Bach, gab dem jungen Mann etwas Wasser und schleppte ihn in die buddhistische Gemeinschaft. Das Kloster existierte bereits seit mehr als hundert Jahren. Der Bodhisattva war seit der Gründung der Gemeinschaft dabei. Der weise Älteste, von dem man annahm, dass er ein letztes Mal wiedergeboren wurde, bevor er ins Nirwana ging, half Uschta schnell, seine Gesundheit und Stärke wiederzuerlangen. Er lehrte ihn die Kraftatmung. Vor allem aber half der Älteste Uschta durch seine Gespräche und Kontemplationsübungen, einen Sinn in seinem Leben zu finden, und erklärte ihm die Ursache seines Leidens …

Die Geschichte Buddhas

Und natürlich erzählte der Erleuchtete Uschta von dem Begründer des Weges, den die Mönche als Ziel ihres Lebens gewählt hatten – von Siddhartha Gautama, Schakjamuni Buddha.
Der Name Siddhartha bedeutet „einer, der das Ziel vollständig erreicht hat“. Nach der Erzählung des Ältesten entschied sich der zukünftige Buddha für die letzte Geburt und wählte die Familie des Herrschers eines Königreichs in Nordindien für seine Inkarnation. Ein im Königreich bekannter Priester-Astrologe sagte den Eltern voraus, dass ihr Sohn alle Eigenschaften eines Weltherrschers besäße und ein großer Mann, ein Herrscher der Welt werden würde. Aber er wusste nicht, ob er über die Welt der Menschen oder die Welt der Begierden und Leidenschaften herrschen würde. Der Vater hatte seinem Sohn den Namen Siddhartha gegeben und ihn mit allem umgeben, wonach der Mensch normalerweise strebt – Reichtum, Luxus, exquisites Essen und dergleichen Vergnügungen – nur damit Siddhartha das Leid der Welt nicht sehen möge. Der Vater traf alle möglichen Vorkehrungen, damit sein Sohn ein großer Herrscher der Menschen werden konnte. Das Leben des jungen Mannes war heiter, es floss dahin im Studium der Wissenschaften, in der Ausbildung des Körpers, in der Befriedigung aller Begierden. Als er erwachsen war, heiratete er eine schöne Prinzessin, die er in einem fairen Wettstreit der Freier um Geschicklichkeit und Stärke gewann.

Aber das Unvermeidliche war nicht zu vermeiden, wie Dasda zu sagen pflegte. Im Alter von neunundzwanzig Jahren erschien ein bedeutsames Ereignis vor Gautamas Augen, die Finger des Schicksals deuteten auf den Auserwählten. Die Zeichen der Ereignisse folgten aufeinander: Er sah einen alten Mann, der sehr schwach war, müde von Alter und Krankheit; einen Mann von wohlhabendem Geschlecht, der von einer schweren Krankheit geplagt war; einen toten Körper … Das vierte Zeichen war ein armer asketischer Mönch mit einem heiteren Lächeln auf seinem Gesicht. In dieser inneren Losgelöstheit, in dieser inneren Ruhe des wandernden Asketen, sah Gautama den Weg.
Das Leiden, das er in den Zeichen sah, erschien ihm noch schwerwiegender, denn er verstand: Der Tod wird das Leiden nicht wegnehmen, ihm werden neue Geburten folgen, neues Leiden …

Er verließ sein Zuhause und wurde ein Wandermönch. Er begnügte sich weder mit Yoga-Praktiken unter der Anleitung von Lehrern, um den Geist von Leiden zu befreien, noch mit sechs Jahren sehr strenger Askese zu demselben Zweck …

Im Alter von fünfunddreißig Jahren (das war auch mein Alter in der Zeit mit Uschta) versenkte sich Siddhartha in Kontemplation unter einem Baum und sagte sich, dass er nicht eher aus dieser Versenkung gehen würde, bis er die Wahrheit erkannt habe. Neunundvierzig Tage lang meditierte er unter dem Baum des Erwachens. Der Teufel, der an jenen Orten Mara genannt wird, setzte den Heiligen allen möglichen Versuchungen aus, einschließlich der größten Versuchung: Maras Töchter – Begierde, Lust und Leidenschaft – verführten Siddhartha mit erotischen Tänzen … Aber er widerstand diesen immensen Versuchungen – Mara und die Dämonen zogen sich zurück … Und Gautama wurde Buddha, der Erwachte: am Morgen des neunundvierzigsten Tages löste er endlich das Rätsel des Leidens und sah den Weg, das Leiden zu überwinden. Er hatte die endgültige Loslösung vom Leiden erreicht, die Abwesenheit von Leiden …

Als Uschta von Gautamas Prüfungen sprach, lächelte ich vor mich hin: Der Buddha war von den größten Verführerinnen mit leidenschaftlichen, erotischen Tänzen verführt worden, und er hatte diese außerordentlich Prüfung überstanden – während sie mir nur den Kopf auf die Schulter gelegt hatten … Und ich sah schnell den Sinn darin.

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 24

Jasna wurde meine Frau. Die Ereignisse wurden lebendiger wahrgenommen, ihr Ablauf verdichtete sich. An einem Tag lebten wir ein ganzes Leben. Wenn man weiß, dass die Zeit, die einem lieb und teuer ist, begrenzt ist, versucht man, mehr Aktion ins Leben zu bringen.

Ich bereitete Jasna gern Freude, indem ich in ihre reine, sanfte Welt eintauchte. Ich nahm gern an allen Aktivitäten der Gemeinschaft teil, kommunizierte mit Dasda und Humat, die das Fundament der Gemeinschaft bilden sollten, behandelte die Kinder der Stadt und vertrieb Dämonen, die gelegentlich auftauchten … Und ich spürte eine neue Welle von Gefühlen für Ani, als sei sie gegenwärtig …

Das Leben, was mich angeht, beschloss gleichsam mich daran zu erinnern, dass ein Mann, auch wenn er ein Bote ist, der dem Schicksal folgt, die Fülle des Lebens nicht spüren kann, ohne von der Liebe einer Frau erfüllt zu sein, und es schenkte mir eine Begegnung mit Jasna, deren Welt der von Ani erstaunlich ähnlich ist. Früher hatte ich den Eindruck, dass ein Teil meiner Mutter in Ani lebte, jetzt scheint es, dass Ani in Jasna gegenwärtig ist. Es war, als hätten sie sich auf wundersame Weise darauf geeinigt, mich gemeinsam zu lieben, worüber sie glücklich waren, und darüber, dass ich mich durch ihre Mitwirkung voller Leben fühlte. Diese Beschreibung mag seltsam klingen, aber ich konnte keine anderen Worte für meine Gefühle finden.

Jasna war mit dem Geheimnis, von einem Mann etwas zu fordern, nicht vertraut; in Dasdas Familie wurde das nicht gelehrt. Deshalb wollte ich es schaffen, mehr für sie etwas zu tun, was sie sich wünschte. Und sie wollte, dass ich es nicht erwarten kann, nach Hause zu kommen. Schließlich erwartete mich zu Hause ein Raum, der von reinen Gefühlen und Zärtlichkeit geprägt war. Das von Jasna zubereitete Essen war ungewöhnlich köstlich, es war darin eine Spur ihrer Dankbarkeit für das Leben, ihrer Lieder, ihrer Liebe.

Jasna war aus irgendeinem Grund von der Richtigkeit aller meiner Überlegungen, Entscheidungen, Ziele und meiner Wahl überzeugt. Wo ich vielleicht an der Richtigkeit eines Schrittes gezweifelt hätte, hielt sie ihn für den einzig richtigen. Dies führte dazu, dass ich sogar Dinge tun konnte, zu denen ich vorher nicht in der Lage gewesen war: Unter der Anleitung eines großartigen Handwerkers namens Uschta schmiedete ich eine Spange für ihr dichtes Haar in Form eines Weinblatts und legte die Adern des Blattes mit Silber ein.

Über das Avesta

Sie tat etwas Wichtiges, das gar nicht so einfach war: Sie übersetzte das Hauptgebet des Avesta, Ahunwar, aus der alten persischen Sprache, die dem Sanskrit ähnelt, ins Griechische. Dieses Gebet gab der allmächtige Schöpfer der Welt, Ahura-Masda, Zarathustra als sein alles überwindendes WORT.

Um mich mit der Avestischen Sprache vertraut zu machen, beschlossen Jasna und ich, uns zu Hause in dieser Sprache zu verständigen. Ich kam nicht annähernd an ihre Sprachkenntnisse heran, aber ich lernte, von Liebe zu sprechen und Freude auszudrücken.

Das Gebet – sein vollständiger Name war Jata-Ahu-Wairjo – war ungewöhnlich für meine religiöse Erziehung, die von Johannes und den Büchern der griechischen Philosophen geprägt war. Es war ein Gebet und ein Mantra zugleich, in einundzwanzig Worten.

Die Avestaner betrachteten das Ahunwar-Gebet als das heilige WORT von Ahura. Es musste mit besonderem Rhythmus, Reim und innerer Rhetorik vorgetragen werden. Und natürlich mit Reinheit der Gedanken, im Streben nach dem, was das Gebet aussagt, in einem Zustand der Dankbarkeit. Und Jasna wusste, wie man das macht. Es wurde ihr, wie es sein sollte, von ihrem avestischen Vater beigebracht. Außerdem war er Ascha Dasda – Priester und Hüter des FEUERS.

Jedes Wort des Gebets ist die Bezeichnung eines Teils der Lehre (des Avesta), und es ist die einundzwanzig-fache Verehrung des ALLMÄCHTIGEN. Das Gebet enthielt also die Essenz des Avesta.

Ein wenig über die Geschichte der Texte der Avesta-Lehre – das hat mir ein enger Freund und einer meiner beiden Lieblingsschwiegerväter, Ascha Dasda, erzählt. Historisch gesehen, ich kann keine genauen Zahlen nennen, wurde das Avesta durch mündliche Überlieferung in priesterlichen Linien weitergegeben. Etwa sechs Jahrhunderte vor meinem Treffen mit Dasda, zur Zeit des Aufstiegs der Dynastie von Achämenid aus dem Königreich Pars, wurde das Avesta auf eine große Anzahl fein gearbeiteter Ochsenhäute, d. h. auf Pergamente, aufgetragen. Die Legende besagt, dass das Avesta damals mit goldener Tinte geschrieben wurde, und dass diese Arbeit mehrere Jahrzehnte dauerte.

Im vierten Jahrhundert vor Christi Geburt verbrannte Alexander der Große, der Persien eroberte – aus Rache für die Eroberung von Hellas durch die Perser – zahlreiche Pergamente mit den Texten des Avesta.

25-30 Jahre bevor ich Dasda begegnete, begann der parthische König Walakscha mit Hilfe der Hüter des Feuers, einzelne überlebende Manuskripte verschiedener Teile des Avesta zu sammeln und wies die Priesterclans an, die fehlenden Teile des Avesta in Texte umzusetzen, indem sie sie aus der mündlichen Überlieferung hervorholen. Der Dasda-Klan war für die Rekonstruktion der Jasna verantwortlich, dem Teil des Avesta, der für die Essenz der LEHRE und die grundlegenden Rituale verantwortlich ist. „Jasna“ bedeutet übersetzt „Ehrerbietung“.

Zurück zum Gebet. Dasda war ein bekannter Meister des Gebets in Westparthien. Wenn Dasda betete, war kein Platz für etwas Unreines im Tempelraum. Es erklang mit tiefer, fester Reinheit des Rhythmus, des Tempos und der vom Priester geschaffenen Bilder.

Jasna hat mir eine Geschichte über ihren Vater erzählt. Wie ich bereits sagte, war Ascha Dasda ein Reformer des Avesta. Er kannte die alten Lehren sehr gut, kannte die Gathas („Gesänge“, Teil des Avesta – Anm.d.Ü), die Predigten von Zarathustra, der die alten Lehren erneuerte, auswendig. Dasda war auch in der Thora bewandert, war ein Experte in griechischer Philosophie, ein Astronom und Astrologe. Und er hat die rituellen und zeremoniellen Aspekte mutig vereinfacht, um sie seiner Meinung nach der Zeit anzupassen.

Unter den parthischen Priestern gab es natürlich auch solche, die glaubten, Dasda sei ein Diener Ahrimans und habe durch seine Reformen das Böse in die alte Religion gebracht. Einer dieser Priester schickte im Namen der guten Sache einen angeheuerten Mörder zu Dasda, überzeugt davon, dass Dasda durch sein Leben das FEUER des ALLERHÖCHSTEN entweiht.

Der Söldner, der von der Unreinheit des Hüters des Feuers überzeugt war, beschloss, den Tempel zu betreten, als Dasda das Ahunwar-Gebet verrichtete. Die Avestaner glauben, dass ein Gebet, das in hoher Qualität rezitiert wird, den Menschen mit Licht erfüllt, den Raum um ihn herum reinigt, für die Reinheit der Gedanken sorgt, ihn vor Machenschaften Ahrimans und seines Hauptdämons Aschdahak schützt und den Feinden des Menschen ihre Feindschaft zurückbringt. Als der Söldner beim Betreten des Tempels den Dolch zog und seine Hand zum Schlag erheben wollte, fiel er plötzlich um und verlor das Bewusstsein. Es war ein Herzinfarkt …
I
nnerhalb eines Monats hatte Dasda den Mann mit Hilfe eines heilenden Wortes und Gebeten wieder auf die Beine gebracht, ihn der Entkörperung entrissen und ihm so ermöglicht, sein Sarma weiter zu verändern. Aber der Priester, der den Mann geschickt hatte, um den anderen Priester zu töten, starb an einem Herzinfarkt. Das ist die Geschichte …

Nach der Verrichtung des Gebets von Jasna lag ein besonderer Duft von Reinheit und … Weiblichkeit im Raum des Hauses. Ich wollte in diesem Raum sein, und er war äußerst erholsam.

Jasna lernte sofort das Gebet, mit dem ich lebte. Und sie rezitierte es fünfmal am Tag und vertiefte sich darin. Zuerst sprach sie das Avestanische Gebet und dann das Gebet von RABBI. Es kann nie zu viel gebetet werden.

Eine freie sinngemäße Übersetzung des Ahunwar-Gebets von Jasna, die mir am nächsten ist, lautet wie folgt:
„Jeder fromme Mensch ist, wie jeder Herrscher in der Welt, so mächtig, wie es WAHRHEIT und GÜTE in ihm gibt.
Die Gabe der guten Gedanken erwirbt derjenige, der zum RUHM des ALLMÄCHTIGEN SCHÖPFERS wirkt. Und die KRAFT des HERRN ist für den da, der denen hilft, die der Hilfe bedürfen.“

Natürlich muss das Ahunwar-Gebet in der Muttersprache im richtigen Rhythmus und Reim gesprochen werden. Jasna hat mir auf meine Bitte hin gezeigt, wie man das macht. Und ich erinnere mich immer noch daran. Und den Dämonen gefällt das immer noch nicht …

Vielleicht hat Jasna sich mit einigen Bitten an mich gewandt. Vielleicht. Aber ich kann mich jetzt nicht mehr daran erinnern. Ich erinnere mich nur an einen Umstand, der einer Bitte ähnelte.
Gleich zu Beginn unserer intimen Beziehung hatte ich eine etwas komplizierte Einstellung: Während unserer Intimität musste ich mich beherrschen, damit Jasna nicht schwanger wurde. Das hatte natürlich mit dem Gedanken zu tun, dass ich bald nach Hause gehen musste und das Kind vaterlos sein würde.
In unserer zweiten oder dritten Nacht sagte Jasna leise zu mir:
– „Euseus, mein Liebster … Es ist so wichtig für mich, für uns …“
In meinem Kopf gab es manchmal Gedankenfetzen, Bilder vom lang erwarteten Treffen mit Ani, von ihrem Wunsch, Jasna möge bei uns sein, von Jasnas mehrmonatiger Reise zu uns durch unsere Gemeinschaften. Aber etwas fehlte in den Empfindungen, um sich diese Momente deutlicher vorzustellen …

Aufbau der Gemeinschaft in Midia

Ich werde nicht im Detail auf die Entstehung unserer avestischen christlichen Gemeinschaft eingehen. Die Grundsätze der Gemeinschaftsbildung habe ich auf diesen Seiten bereits erwähnt. Wir sollten sie nicht zu einem Handbuch für den Aufbau einer Gemeinschaft machen. Jede Epoche hat ihre eigenen Besonderheiten. Und wenn jemand wirklich wissen will, wie eine christliche Gemeinde in der heutigen Zeit aufgebaut wird, dann kommt nach Südsibirien, dort werdet ihr mich und meine Freunde finden.

Unsere Gemeinde in Midia wurde nach den Regeln der ersten Gemeinschaft der direkten Jünger aufgebaut, ähnlich denen, an denen ich das Privileg hatte, teilzunehmen. Wir trafen uns häufig, denn das Herzstück der Gemeinschaft waren die Avestaner und die beiden Hüter des FEUERS, Dasda und Humat, und wir bemühten uns, in Taten, Worten und Gedanken rein zu sein, gemeinsam nach den richtigen Handlungen und Worten in kritischen Situationen zu suchen und uns dabei auf die Gebote zu verlassen, die uns RABBI hinterlassen hat. „Wenn du die Gebote der Liebe erfüllst, die der ERLÖSER gebracht hat, wirst du aus dem Einfluss des Sarma herauskommen und durch das Paradies in die Ewigkeit gelangen“, sagte Dasda und lächelte mit freundlichen Augen.

Das Leben wurde auf selbstloser gegenseitiger Hilfe aufgebaut. Die Bedürfnisse der Haushalte wurden an den Ältestenrat herangetragen, und die Vorsteher der Häuser waren dafür verantwortlich, die Bedürfnisse an den Rat weiterzuleiten. Der Ältestenrat, der auch als Rat der Meister bezeichnet wird, verteilte das, was fehlte, an die Haushalte.

In der Gemeinde gab es mehrere wichtige Werkstätten. Die Arbeiten der Handwerker gingen in die Gemeinde, wurden aber auch auf dem städtischen Markt gegen das getauscht, was in den Haushalten fehlte. Manchmal verkauften die Handwerker ihre Produkte an die Außenwelt, das Geld wurde für den Unterhalt der Werkstätten verwendet und floss in die gemeinsame Selbsthilfekasse …

Nachdem sich die Nachricht vom Sieg über Aschdahak selbst schnell in der Stadt verbreitet hatte, kam das Volk in die Geneinde. Ein Wunder ist auch in Parthien ein Wunder. Einige wenige blieben in der Gemeinschaft, um an ihrer Reinheit zu arbeiten, aber diejenigen, die nicht blieben, verbreiteten die Nachricht von einer nicht vom Bösen verunreinigten Gemeinschaft, die vom Oberdämon der iranischen Länder gefürchtet wird. Die Nachricht verbreitete sich schnell in Midia, Parthien und weiter östlich durch Karawanen.

In der Stadt gab es eine jüdische Diaspora mit einer Synagoge und damit einem Priester. Der größte Teil des Handels in Midia wurde von Juden betrieben. Es war ihre Aufgabe, den Fremden Essen und Silber zu geben. Dasda und der Priester der Synagoge kannten sich. Die Gesetzeshüter der Diaspora und die Thora-Experten respektierten den Hüter des FEUERS und seine Weisheit. Die Juden der Stadt wussten, dass Dasda die Thora gut kannte, nicht nur die geschriebene, sondern auch die mündliche Thora. Die Griechen der Stadt wussten, dass Ascha ein Philosoph war und sich besser mit dem Pantheon der Götter auskannte als sie.

Die Geschichte von der Austreibung des uralten Dämons mit ihren Details – und die Geschichten erwähnten auch einen in Judäa verehrten Propheten – erweckte bei den Juden großes Interesse an unserer Gemeinde und an mir. Sie wussten von Jeschua, dem von den Römern hingerichteten Propheten und Prediger, und von der Sekte, die in Jerusalem existierte und diesen Prediger für den Maschiach hielt. Sie wussten, dass ich mit der BOTSCHAFT des GESALBTEN nach Parthien gekommen war und dass ich eine Kraft unbekannten Ursprungs bei mir hatte, um schwere Dämonen zu vertreiben. Es war auch bekannt, dass ich ein Grieche war, der von einem Juden, einem Schüler des Sektengründers, ausgebildet worden war.

Das stieß auf Interesse, und einige Juden, und zwar nicht wenige, beschlossen zu kommen, um die Gemeinde, die Regeln der Eigentumsverhältnisse und mich kennen zu lernen. Unter ihnen waren zwei Besessene, die ihre Krankheit loswerden wollten.

Versammlung – Gleichnis

Die Avestaner und ich veranstalteten eine große Versammlung, bei der wir den Anwesenden die Regeln unseres Lebens, die Gebote, die zu halten wir lernten, erläuterten. Natürlich konnte der Pfarrer der Synagoge nicht offen zu einem solchen Treffen kommen, aber er wusste, dass die Gemeinde gekommen war, um die Gemeinschaft und mich kennen zu lernen, und er wartete darauf, von dem Treffen zu hören.

Bei dem Treffen erzählte ich eine Geschichte von Johannes, die RABBI erzählt hatte. Hier ist dieses Gleichnis:
Ein Mann hatte einen Freund zu Besuch. Er kochte das Abendessen und schickte einen seiner Freunde los, um die anderen Gäste zum Essen einzuladen. Der erste, den der Freund zum Essen einladen wollte, lehnte die Einladung ab, weil er auf die Händler wartete, denen er Geld und Aufträge geben wollte.
Der zweite lehnte ab, weil er das Dorf mitsamt den Menschen gekauft hatte und die Abgaben kassieren musste. Der dritte musste das Haus verkaufen. Der vierte ließ einen Mann kommen, der die Schulden zurückzahlen sollte. Der fünfte wartete auf einen Gewinn, da er Denare gegen Zinsen gab …
Sie alle sagten ab, zum Abendessen zu kommen, was der Freund dem Hausherrn mitteilte, der das Abendessen organisiert hatte. Da sagte der Gastgeber zu den Freunden: „Geht auf die Straße und ladet ein, wen ihr finden könnt, damit sie zum Essen kommen.“
RABBI beendete dieses Gleichnis mit den Worten: „Diejenigen, die vom Handel leben, und diejenigen, die jemandem etwas gegen Zinsen geben, werden nicht zu meinem VATER kommen. Derjenige, der einem Bedürftigen etwas gibt und es vergisst, der gewinnt das REICH GOTTES …“

… Nach diesem Treffen kamen nur noch zwei Juden zum nächsten Treffen. Die beiden von Dämonen besessenen Männer, bei denen bei der ersten Begegnung das typische Zittern zu sehen war, kamen nicht ein zweites Mal und zogen es vor, besessen zu sein, anstatt sich zu verändern. Die Wahl ist ausnahmslos frei. Der Kampf geht, wie zu allen Zeiten, um jede Seele. Und der berechenbare Gebrauch der Wahlfreiheit des Menschen erlaubt es den astrologischen Priestern, die ihre Arbeit genau kennen, die Horoskope des Schicksals hinreichend genau zu berechnen und den Menschen durch sein Sarma zu leiten.

Die neue Gemeinde

Diejenigen Mitglieder des aramäischen Volkes, die sich entschieden, in der Gemeinschaft zu bleiben, waren Meister ihres Handwerks und stärkten die Gemeinschaft. Einer war Schuhmacher. Ein anderer war ein vielseitiger Holzhandwerker. Ich habe der Frau des Schuhmachermeisters geholfen, einen kleinen Dämon unwiderruflich loszuwerden. Und dem Sohn des Schreiners mit Magenschmerzen habe ich seinen Magen und seine Beckenknochen in Ordnung gebracht, mit ihm über das Leben gesprochen, ihm erklärt, warum die Schmerzen kommen, ihn gelehrt, Wasser und Essen mit einem kurzen Gebet zu segnen, und ihm ein magisches Gebet gegeben, das ihm helfen wird, gute Dinge im Leben zu tun und deshalb nicht krank zu werden. Kinder wissen, wie man vollständig vertraut.

Nach dem Besuch der Juden in unserer Gemeinde übergab der Diaspora-Priester Dasda die Briefe und Botschaften von Paulus, die bereits nach Parthien gelangt waren.
Der Priester sah in Paulus einen Lehrer einer neuen Sekte in Judäa, mit einem Begründer, der in seinem Heimatland ein nicht anerkannter Prophet war.
Als er Ascha diese Botschaften übergab, sagte der Priester, dass diese neue Schule sich nicht auf dieThora bezieht, und ihr Gründer daher nicht der GESALBTE des HERRN sein könne …
– „Ascha Euseus, Lieblingsjünger des Johannes, den er mit der Vollendung seiner Botschaft betraut hat, was hältst du von diesen Botschaften?“ – fragte Dasda mich.
– „Ascha, ich möchte, dass du sie liest und deine Meinung dazu sagst“, antwortete ich. – „Sie sind in gutem Griechisch und mit Kenntnis der Thora geschrieben.“
– „Dann, mein Freund, sag mir, war Paulus unter den Jüngern des ERLÖSERS?“
– „Er betrachtete sich selbst als Apostel CHRISTI, von IHM gesandt. Er gehörte nicht zu den Jüngern des lebendigen LEHRERS und stand auch nicht in Kontakt mit dem wirklichen LEHRER. Er war auch nicht in der Nähe der Jünger, die RABBI auf den irdischen Wegen nahe gewesen waren. Der LEHRER erschien ihm in einer Vision und beauftragte ihn, wie Paulus sagte, die Botschaft zu den Heiden zu bringen. Paulus war ein hochgebildeter Jude, ein Gelehrter der Thora. Er war der aktivste GESANDTE unter den Aposteln und gründete mehrere christliche Gemeinden in den römischen Provinzen sowie eine Gemeinschaft in Rom … Um seine Auffassung von CHRISTUS zu verstehen, muss man seine Briefe lesen. Johannes hatte nur einmal mit Paulus gesprochen. Er hat mir also sehr wenig erzählt …

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 23

Einem solchen Dämon war ich noch nie begegnet … Dasda und ich legten uns in der Weinlaube auf den vertrauten parthischen Teppich. Nach dem Kampf mit den Dämonen brauchten wir Ruhe. Wir wollten, dass die Spannung des Kampfes von unseren Körpern abfällt. Neben uns stand ein Krug mit einem breiten Boden, der heilenden Wein enthielt. Mit einem Hauch des Geschmacks von schwarzen Johannisbeeren. Damals dachte ich, es handele sich um eine Mischung aus zwei Sorten dunkler Trauben aus Midian: die eine säuerlich süß, die andere mild sauer, mit einem dezenten Duft nach libanesischer Zeder.
Es ist immer noch ein Rätsel, wie es dazu kam, dass in der Weinlaube im Tempelgarten immer ein paar Krüge (bei Bedarf auch ein dritter) des magischen Getränks erschienen.

– „Erst reden wir über Devas, dann über Gefühle“, lächelte Dasda, während er das rubinrote Getränk in schöne, feine Porzellanschalen schüttete.

Gespräch über Dämonen und das Böse

– „Was ist deine Erklärung, Ascha, woher so ein schlauer Dämon kommt? Woher kennt er unsere Gedanken?“ – fragte ich.
– „Deshalb sollen Gedanken gut sein …“, sagte Dasda ruhig, ohne einen bestimmten Rhythmus, und nahm einen Schluck von seinem Getränk.
– „Du kannst dir denken, mein aufmerksamer Freund, dass dies die Illusion von Ahriman ist. Eine uralte Illusion … Der Dämon selbst erklärte: Er lebt, solange Angst und Hass leben … Es sind die Jahrtausende der Präsenz Ahrimans in unserer Welt! Der Herr der Finsternis hat die dichte Welt nicht erschaffen – vielleicht hat er uns eine Idee in den Kopf gesetzt und wir haben sie mit dem gefüllt, was der Dämon ´Scheiße´ nannte …“
– „Und wir haben dem Dämon beigebracht, listig zu sein und von irgendwoher Wissen über uns zu bekommen?“ – fragte ich.
– „Vielleicht ist es so, oder Ahriman
hat diese Fähigkeit direkt in die Idee hineingelegt.“ – Dasda ließ sich Zeit und schenkte nochmal in den Becher ein.
– „Wenn Ahriman s
o etwas in eine Illusion hineingelegt
, dann ist er bereits ein Schöpfer und es ist keine Illusion mehr. Aber der Schöpfer ist, wie das Avesta sagt, Einer und Er ist der allgütige„, sagte ich und nahm mehr als einen Schluck von dem magischen Getränk. – Dieser Teufel denkt wie wir, nur scheint er mehr zu wissen als wir oder vorgeben zu wissen … Er braucht unsere Angst, unsere schwere Kraft … Warum ist er nicht vor Gefräßigkeit geplatzt?“
– „Ich wünschte, er würde platzen! „- Dasda hob die Schale und lachte. – „Er ist nicht geplatzt, weil es viele wie ihn gibt.“

– „Ich habe einmal mit einem sehr ungewöhnlichen Dämon kommuniziert. Er hatte keine Angst vor dem Höheren Licht oder dem Kreuz aus Licht. Wo das Licht ist, hat er einfach keine Aufgabe und geht weg von dort. Er erklärte mir sogar, dass er ein Übertrager-Speicher ist, der die schwere Energie in eine andere Welt umleitet …“
– „Eine alte Legende unseres Volkes besagt, dass es in den kalten Bergen einen Hort der Angst, des Zorns und des Hasses gibt, der von dem Oberdämon Aschdahak bewacht wird.“
– „Wenn die Angst und die schwere Kraft der Sünden an einem Ort gespeichert sind, ist dort vielleicht auch das Wissen über Ängste und Sünden gespeichert? Und alle Dämonen sind
durch dieselbe Kraft mit diesem Speicher und dem Oberdämon verbunden und die überschüssige Nahrung wird dorthin geschickt … So wie wir mit dem Licht der göttlichen Welt verbunden sind, so sind diese Dämonen durch die schwere Kraft mit diesem Speicher verbunden … Und was dann noch in uns Menschen ist, wir sind damit verbunden und dienen dem …“
– „Das ist ein gutes Bild“, nickte Dasda zustimmend. – Ahriman ist ein Schöpfer der Illusion, der Ideen … Und wir zerstören die
Gute Welt mit unseren eigenen Händen und Köpfen, und auch mit Hilfe von Dämonen. Und gemeinsam mit ihnen füllen wir den Speicher der Angst auf …“

Wir schwiegen.
– „Und wozu dann das alles an Ahriman?“ – fügte Dasda hinzu.
– „Diese Frage habe ich schon gestellt. Du hast mir gesagt, wir werden zwischen den Inkarnationen darüber nachdenken.“ Ich lachte.
– „Dann sollten wir den Becher mit diesem magischen rubinfarbenen Getränk füllen, dessen Kern die Lösung aller Geheimnisse des Universums enthält.“
– „Fülle es so, dass nicht alles auf einmal gelöst wird.“
– „Einverstanden. Sonst wäre das Leben nicht interessant“, lächelte Dasda ruhig. – Wir sind uns schnell einig. Welche Frage bleibt also noch? Warum das alles für Ahriman?“
– „Sind wir bereits zwischen zwei Inkarnationen?“ – fragte ich ihn.
– „Stellen wir uns vor, mein lieber Freund, wir haben es nicht eilig, wir warten auf den ewigen Körper, wir sind durch den Fluss aus feurigem Metall gegangen, so auch durch frisch gemolkene Milch … Wir warten auf das ewige Leben und sprechen über Ahriman.“
– „Er wird dann also nicht mehr da sein.“

– „Richtig. Er wird nicht da sein, aber er ist da und er hat etwas vor … Versetzen wir uns in seine allwissende Lage.“
– „Er sieht vor sich eine schöne, gute Welt, in der der Mensch dazu neigt, das Böse dem Guten vorzuziehen“ – begann ich auszuführen.
– „Ja. Und da er das sieht, ermutigt er uns, noch mehr Böses zu tun, was bedeutet, dass wir die gute Welt zerstören, in die wir mit einem ganz anderen Ziel gekommen sind“, fuhr Dasda fort.
– „Oder uns selbst in dieser Welt zu zerstören. Warum sollte er die Welt zerstören, die sein Bruder geschaffen hatte?“
– „Ein guter Jäger tötet einen Tiger nicht umsonst“, fuhr Dasda nach einer Pause fort. – „Er respektiert ein kluges Tier … er tötet ein Tier nur, wenn es eine Bedrohung für die Welt darstellt. Und wir gefährden sehr unser eigenes Leben …“
– „Und dieser vierarmige Dämon nährt sich zusammen mit dem Besitzer des Speichers von uns, unserer Kraft, und provoziert in uns Angst und Zorn … Es ist ein Teufelskreis … Eine Falle!“
– „Du siehst, Bruder Euseus, was dieses köstliche Getränk mit unserem Verstand macht. Wir haben überraschend schnell eine Lösung für eine schwierige Frage gefunden … Wir müssen die Grenze spüren, sonst erkennen wir das Unerkennbare.“
Ich lachte. Ascha Dasda war großartig. Ein erstaunlicher Mann.

Gespräch über Jasna

Es war ein warmer, sonniger Tag, der sich bereits dem Abend zuneigte. Die Sonne fiel an verschiedenen Stellen auf die Rebstöcke und zeichnete für uns bizarre Muster …
Die Spannung des Kampfes gegen einen uralten Dämon löste sich in der wunderbaren Welt um uns herum auf. Zu dieser Auflösung trugen bei sowohl die Sonnenflecken auf den sich von einer leichten Brise bewegenden Weinreben, als auch der magische Traubentrunk und
ein kuscheliger Partherteppich mit angenehmem Flor und meisterhaft gewebten Trauben verschiedener Weinsorten

– „Bruder Dasda“, – seufzte ich, – „genug jetzt von Dämonen; es gibt sie und es wird sie noch für Jahrtausende geben … Aber es gibt eine viel wichtigere Frage…“
– „Und seine Entscheidung kann nicht auf Jahrtausende hinausgezögert werden“, fuhr er fort. – „Und das betrifft meine wunderbare, geliebte Jasna, unsere Jasna und dich, mein Freund, mein kluger Bote.“
– „Ja“.
– „Mein Freund, sie ist ein ungewöhnliches Mädchen. Und das nicht nur, weil sie meine Tochter ist“, Dasdas Augen leuchteten mit einem Lächeln auf. – „Sie kann fühlen. Auf eine Art und Weise, wie weder ich noch Daiti es können … Und sie weiß, wie sie ihre Gefühle ausleben kann … Ich habe in meinem Leben noch nie jemanden getroffen, der so lebt – mit einem reinen Herzen … Jetzt habe ich dich getroffen habe, ihr seid euch ähnlich … Jasna sollte im Paradies sein und auf die Inkarnation in der Ewigkeit warten, nicht die auf die Welt im Zeitalter der Verwirrung schauen. Vielleicht wollte sie gerade jetzt geboren werden … Ahur weiß es besser.

Am Morgen des Tages, an dem du und ich uns am Heiligtum trafen, sagte sie zu mir: ´Papa, heute kommt er´. Er – das bist du, mein Freund. Ich wartete an jenem Tag auf dich als Ahuras Gesandten, sie wartete auf dich als ihren Geliebten. Eine märchenhafte Geschichte.
Erstaunlich, besonders für eine Frau … Sie weiß, dass du nicht mehr lange da sein wirst, aber sie hat geduldig auf dich gewartet … und ihr Wissen über dich bestand nur aus Gefühlen und Träumen …

In meiner Jugend bat ich meinen Vater, mich die Geliebte heiraten zu lassen, die ich seit meiner Kindheit kannte. Und meine Eltern – dank sei ihnen – ließen es zu, wobei sie eine Vereinbarung mit der Familie eines befreundeten Priesters brachen, eine Vereinbarung, die seit meiner Kindheit bestand … Und unsere gegenseitigen Gefühle mit Daiti führten zur Geburt unserer schönen Kinder, unserer Jasna…

Daiti und ich hätten nicht anders handeln können, wir ließen Jasna nicht jemanden heiraten, den sie nicht liebte, aber einen Geliebten hat niemand von uns gesehen …
Daiti und ich kannten und liebten uns, und Jasna lebte nur in Erwartung dieses Gefühls und glaubte fest daran: es wird so kommen, wie sie sich fühlt …

Natürlich habe ich mir ihr Horoskop angeschaut. Dort gibt es ein Treffen. Ein kurzes Treffen mit einem Geliebten aus einem fernen Land … Aber was ist ein kurzes Treffen für ein Mädchen, das davon träumt, ihr Leben ihrem Geliebten zu widmen?
Jasna sagte einmal etwas ganz Einfaches zu mir: `Vater, kann denn eine Seele eine andere zwingen, gegen ein Herz zu handeln, in dem Ahur lebt?`
Das ist die Geschichte, mein Freund … Nun, und ihre Träume, ihre reinen Träume, sie sind genauer als meine Sternkarten. Jasna kennt das Alphabet ihrer Träume gut.“

Dasda füllte die Schalen, und wir tranken gemütlich ein paar Schlucke, während wir uns gegenseitig die Sonnenhasen ansahen. Ich schätze, ich wollte den Ausgang unseres Gesprächs noch eine Weile hinauszögern, oder besser gesagt, meine Entscheidung über den Ausgang des Gesprächs; aber ich war auch an den Träumen interessiert – wie und woher sie kamen. Also fragte ich meinen klugen Freund und atmete tief durch:

Über Klarträume

– „Ascha, erzähl mir von den Klarträumen.“
– „Also gut, kluger Bruder, lass uns über Träume reden“, lächelte Dasda gutmütig. Er hatte immer ein gutes Gespür, sah meinen Zustand, meine Beweggründe. Und nicht nur meine. Er war in der Lage, mit natürlicher Aufmerksamkeit für das zu leben, was um ihn herum geschah. Er hatte keine eigenen Probleme, er lebte in Sorge um andere.

– „Wie ich aus den Avesta-Legenden weiß,“ fuhr Ascha fort, „verlassen wir im Schlaf die inkarnierte Welt und gelangen an die Pforte des Allerhöchsten, wo die Welt eine andere Dimension hat. Der Tiefschlaf ist die Zeit, in der die Seele in der Welt des Menog, der geistigen Welt, neue Kraft schöpft – nach einem schwierigen Aufenthalt in der begrenzten Zeitschleife der dichten Welt in der Epoche der Vermischung von Gut und Böse.
Nach der Rückkehr aus dem Tiefschlaf erfolgt ein schneller Übergang von der multidimensionalen Menog-Welt zur begrenzten dichten Welt: Was die Seele in der geistigen Welt gesehen hat, ist vergessen. Kurze Reste der Vision bleiben als Träume.
Es gibt auch eine Zwischenwelt beim Heraustreten aus dem Tiefschlaf. Eine reine Seele, wie die deine und die von Jasna, hat keine Laster und geht daher rein durch diese Zwischenwelt. Eine unreine Seele aber mit ihren Lastern zieht die Finsternis an und die Wirren der Welt der Dämonen, die dreidimensional ist und sich hier auf der Erde befindet …“

– „Siehst du, Ascha,“ – mischte ich mich in die Erklärungen meines Freundes ein. – „Das bestätigt, dass Devas, Dämonen, Produkte unserer dreidimensionalen Welt sind, von uns selbst. Sie können nicht an den Pforten des Allerhöchsten in der Kraft Seines Lichtes, Seines Feuers, existieren. Es sind unsere Ängste und schmutzigen Gedanken, nicht Ahriman, die die Welt der Finsternis erschaffen haben. – Entschuldigung, ich habe dich unterbrochen …“

– „Ich bin am Ende; nur ein wenig noch. So also schlüpft Jasna, wenn sie aus dem Tiefschlaf erwacht, leicht und schnell durch diese Zwischenwelt, denn ihr Herz braucht nichts vom dämonischen Schleier, sie sieht ihn nicht. Sie bringt einen reinen Moment des Träumens aus der Höheren Welt mit, den sie als ein langes Ereignis wahrnimmt, manchmal als eine lange Vision der Zukunft. Es sind Träume der Offenbarung, reine Träume, Träume ohne Schleier. Ein reiner Traum als kurze verbliebene Erinnerung an das, was in der Welt der Ideen gesehen wurde.
Die Mobed, die Hüter des Feuers, sind äußerlich und innerlich gründlich gereinigt, um solche Träume haben zu können. Und Jasna lebt einfach und sieht Traum-Offenbarungen, ohne besondere Rituale.“

– „Dasda, was tun die Priester, um die Traum-Offenbarungen zu sehen?“ – Ich war weiterhin neugierig.

– „Sechs Vollwaschungen pro Tag mit einer speziellen Mischung. Du benötigst die Formel nicht“ lachte Dasda. – „Vor dem Schlafengehen eine reinigende Buße mit einem Rückblick auf deine Handlungen und Gedanken während des Tages. Die richtige Positionierung des Körpers vor dem Schlafengehen entlang der Erdlinien, mit dem Kopf nach Norden. Oder nach Osten, wenn du neue Kraft schöpfen musst. Der Norden auch deshalb, weil es der Überlieferung nach dort einst einen Kontinent unserer Vorfahren gab, der über vollständiges Wissen verfügte …

Schlaf auf dem Rücken ein, ohne die Beine zu kreuzen – und mit richtiger Atmung. Wenn du Interesse hast, zeige ich dir irgendwann mal das Atmen …

Aber selbst all diese Maßnahmen führen nicht immer zum gewünschten Ergebnis. Man muss zu jeder Zeit ein reiner Mensch sein, nicht nur an den Tagen, an denen man auf die Traumoffenbarung wartet. In der Zwischenwelt jedenfalls ziehst du immer das an, was in der Seele ist, ziehst etwas Ähnliches an, und sowohl Dämonen als auch Menschen wie du erwachen aus dem Tiefschlaf. Es gibt etwas, was man anziehen kann …

Über Jasna als Ehefrau

Mein lieber Bruder Euseus, du siehst doch manchmal reine Träume – und oft ist es nicht möglich, sie zu sehen – obwohl du all diese priesterlichen Geheimnisse nicht kennst. Du lebst in der Herrlichkeit des Allerhöchsten, also ziehst du nicht die Finsternis an: dämonische wie menschliche … Jasna ist genauso, und Ani … Deswegen habt ihr euch getroffen …“
– „Jetzt sind wir wieder bei der Hauptsache,“ – lächelte ich. – „Was würdest du an meiner Stelle tun, Ascha?“
– „Darf ich dich fragen, bevor ich antworte?“
Ich nickte zustimmend und Dasda fuhr fort:
– „Ich weiß, dass dein Herz bei der schönen Ani ist. Gibt es dort auch einen Platz für Jasna?“
– „Ja. Wir sind uns sehr nahe gekommen, Jasna ist ein wunderbares Mädchen … Und du hast alles so arrangiert, dass es so ist“, versuchte ich zu scherzen.
– „Vielleicht“, sagte Dasda und lächelte. – „Aber die Entscheidung liegt bei dir …“
– „Ich habe eine Frau, eine Geliebte. Welche Entscheidung?“ – sagte ich unsicher.
– „Du bist jetzt ein echter Avestaner. Jeder in der Stadt wird wissen, dass du den alten Dämon besiegt hast. Das ist so eine Art von Dämon, den die meisten Menschen nicht besiegen können. Und nicht jeder Feuerhüter würde so etwas tun. Es hat Gelegenheiten gegeben, an die man sich erinnert, bei denen solch mächtige alte Dämonen von Priestern Besitz ergriffen haben…
Und ein wahrer Avestaner, ein reiner starker Mann, kann auch eine zweite Frau nehmen. Und er wird auf keinen Fall zeigen, dass er sie weniger liebt als die erste …“

Nach einem kurzen Schweigen fuhr Dasda fort:
– „Nach dem Avesta-Kodex kann ein Mann eine solche Entscheidung nicht ohne die Zustimmung seiner ersten Frau treffen. Aber auch die Weigerung, dies zu tun, muss von der Ehefrau gut begründet werden. Es gibt mehrere Gründe für das Auftreten einer zweiten Frau: Kinderlosigkeit mit der ersten Frau; die Verantwortung für die genealogische Linie, die Fortführung des Geschlechts – zum Beispiel, damit ein Bruder, der in die andere Welt gegangen ist, ein Kind bekommen kann; das Führen eines großen Haushalts, wenn eine Frau aus verschiedenen Gründen nicht zurechtkommt; die Erziehung von Kindern …

Ich werde nicht alle möglichen Fälle für das Auftreten einer zweiten Frau nennen. Was wir brauchen, ist Zweckmäßigkeit. Kann zur Zweckmäßigkeit das Gefühl einer anderen Frau gehören? Wenn das Gefühl echt ist – was mit der Zeit überprüft wird – kann es das. Ein echtes Gefühl setzt die Geburt gesunder Kinder voraus … Und für einen Avestaner ist eine der Hauptaufgaben die Fortführung der Menschengeschlechts und die Erziehung von Kindern, eine richtige Erziehung. Wir geben die Möglichkeit, dass sich Seelen inkarnieren, um das Gute und die Gerechtigkeit in dieser Welt zu verwirklichen, um das Böse zu besiegen.

In unserem erstaunlichen Fall fehlt ein Glied – Anis Zustimmung. Aber ich glaube nicht, dass Ani, die dich liebt, gegen das Glück einer anderen Frau sein wird, die dich auch aufrichtig liebt.“
– „Ascha, selbst wenn Ani einverstanden ist, habe ich ernsthafte Fragen. Welcher Avestaner übernimmt die Verantwortung für seine Frau und verlässt sie bald darauf?
Und wenn ein Kind geboren wird, ergibt es sich, dass der Mann sich bewusst von einer der Hauptaufgaben – der Kindererziehung – fern hält.

Und wie ist es möglich, ein Mädchen zu heiraten, das dich wirklich liebt, während sie gleichzeitig weiß, dass du bald zu deiner Geliebten gehen wirst?“
Dasda füllte die Schalen und nahm ein paar Schlucke.
– „Mein weiser Freund, in der vom Schicksals gegebenen Situation, gilt das, was du uns gesagt hast, nicht als überzeugendes Argument … Ein aufrichtig liebendes Mädchen weiß, dass ihr Geliebter mit ihr nicht für eine lange Zeit zusammen sein wird und ist glücklich mit diesem kurzen Glück, unserer Meinung nach kurz, sie hat davon geträumt …

Ein Mann und eine Frau verlassen das Leben des anderen früher oder später, aus unterschiedlichen Gründen. Das ist der Wille des Allmächtigen. Entscheidend ist, wie sie die ihnen zugewiesene Zeit gelebt haben. Du folgst dem Weg der Rechtschaffenheit im Namen aller, du bist ein Gesandter, du schreitest voran nach dem Willen des Höchsten. Dein Weg ist vorgezeichnet; auf ihm darf man Abschweifungen nicht zulassen. In der unvermeidlichen Stunde, früher oder später, wirst du den Weg nach Hause finden. Und Jasna weiß das.

Ein weiterer deiner Zweifel. Wenn ein Kind geboren wird … Ascha Euseus, wenn ein Kind geboren wird, werden wir alle glücklich sein. Und meine Familie wird eine anständige Avestanerin großziehen … von einer so reinen Mutter wie Jasna. Und du als Vater wirst dadurch gerettet, dass dein Herz keine Zeit haben wird, sich an das Kind zu binden. Du wirst nicht einmal wissen, mein Bruder, was dein Kind ist. Ein Junge wird deinen Namen tragen, ein Mädchen wird deine Eigenschaften haben …

Und nichts hindert euch daran, dabei an euer Wiedersehen zu denken. Lass sogar drei Vollmonde lang einen Boten aus deiner Heimat kommen, der mitteilt, dass du und Ani auf Jasna warten. Und dann, nach weiteren drei Monden, wird Jasna mit einer zuverlässigen Eskorte bei euch sein, wenn es so sein soll …“

An diesem langen Tag des anbrechenden Frühlings wurde so viel getrunken, wie da war. Und in der Gartenlaube befanden sich zu diesem Zeitpunkt, wie üblich, zwei gefüllte Krüge, jeweils etwa anderthalb Liter, vielleicht auch etwas mehr, nach heutigen Maßstäben. Für unseren Austausch mit Dasda an diesem Tag war eine solche Menge notwendig und ausreichend, wenn man die Qualität und die heilenden Eigenschaften des Getränks – davon ein wenig mit gesegneten Quellwasser verdünnt – in Betracht zieht. Mein Kopf war klar (so schien es), meine Stimmung war leicht, der Frühling war noch frühlingshafter …

Als Dasda und ich uns umarmten und uns bis morgen verabschiedeten, sagte er mit seinem üblichen gutmütigen Lächeln:
– „Weiser Freund, wenn schon der Dämon von deiner zweiten Frau spricht, solltest du vielleicht meine Tochter zur Frau nehmen, damit der Dämon an unseren reinen Motiven erstickt. Und auf einmal platzt?“

Gespräch Euseus und Jasna

Der Abend war schon warm. Jasna, die die Namen des Herrn sang, räumte mein Zimmer auf. Ich saß auf der Türschwelle und hatte noch keinen festen Entschluss gefasst. Und das bedeutete, die Dinge so zu belassen, wie sie momentan sind. ´Ich werde hier immer noch gebraucht, ich muss die Aufgabe, eine Gemeinschaft zu gründen, zu Ende bringen … Und wie lange werde ich dafür brauchen? Und Jasna wird weiterhin voller Hoffnung dieses Haus putzen … Das ist eine große Herausforderung für sie, und auch für mich … Und für Ani wahrscheinlich auch …´ Die Gedanken schwirrten im Kopf herum.

Jasna beendete das Sakrament und setzte sich mit einem leichten, direkten Lächeln neben mich.
– „Du kannst dir vorstellen, Euseus, die ganze Stadt weiß es: Zarathustras Gesandter hat den dreiköpfigen Aschdahak aus Raschnu verbannt.“
– „Und wer ist Zarathustras Gesandter?“
– „Du natürlich.“
– „Und was wird jetzt geschehen, Prophetin Jasna?“
Jasna lachte:
– „Die Menschen werden zu dir kommen, um sich von den Devas zu reinigen. Und neue Menschen werden in unsere Gemeinschaft kommen. Die ganze Stadt spricht über dich.“
– „Uih, das ist zuviel … Vielleicht kommst du ja ohne mich zurecht? Und ich geh nach Hause?“
– „Wir können es noch nicht schaffen“, sagte Jasna und sah mir in die Augen. – „Ich werde versuchen, es zu schaffen. Und Dasda, Humat, Freunde? Sie werden hier noch gebraucht, es ist zu früh, um zu gehen. Wir müssen uns noch in den Gebote festigen, die du den Avestanern gebracht hast …“

– „Liebe Jasna, was ist das Wichtigste im Leben?“
Jasna hat nicht lange überlegt:
– „Glücklich sein und Gott mit guten Gedanken und guten Taten erfreuen. Und den Herrn zu erfreuen, das bedeutet, alle Menschen um einen herum zu erfreuen, denn Ahur lebt in jedem“, sagte Jasna und errötete ein wenig.
– „Und wie wird man glücklich?“
– „Glücklich ist der, der die Wahrheit seines Herzens lebt“, sagte sie. Ich fragte und verbarg ihre Verlegenheit: „Worüber hast du mit Dasda gesprochen? Über mich? Ich weiß, dass es um mich ging …“
– „Und über deine klaren Träume“, fügte ich hinzu.

– „Euseus, du musst dir keine Sorgen um mich machen. Die Hauptsache ist bereits geschehen. Ich habe dich getroffen, ich habe auf dich gewartet. Es ist wahr – du existierst und du bist zu uns gekommen. Und ich konnte dir gestehen. Solange du noch bei uns bist, lass mich immer wieder zu dir kommen, um aufzuräumen und mit dir zu reden … Ich habe Ani letzte Nacht in meinem Traum gesehen. Sie ist genau wie du gesagt hast – sehr schön. Sie umarmte mich und sagte, sie sei glücklich, meine Schwester zu sein …“ – sagte Jasna – und legte ihren Kopf auf meine Schulter.

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 22

Die Sonne und Jasna schauten gemeinsam zu mir herüber:
– „Guten Morgen, Euseus. Dasda bat mich, dich zu holen. Er braucht deine Hilfe.“
Ascha (Dasda, Anm.d.Übers.) umarmte mich:
– „Lieber Freund, wir werden über Liebe sprechen, wenn die Arbeit getan ist. Ahur schenkt uns ein Treffen mit den Devas. Es gibt die Möglichkeit, einem Menschen zu helfen. Und dadurch die KRAFT zu offenbaren als Beweis dafür, dass du der BOTSCHAFTER des HERRN der WEISHEIT bist. Ich erinnere mich, dass der ehrwürdige Johannes dir die Fähigkeit übergab, die ihn der GESANDTE gelehrt hatte.“

Draußen wartete ein Mann, der sich tief verbeugte. Er zitterte ein wenig. Ein kurzer Blick genügte, um eine schwere Besessenheit zu erkennen. Da waren mehrere Dämonen bzw. Devas, wie sie solche Wesenheiten hier bezeichneten.
– „O weiser, frommer Ascha. Gelobt sei Ahur, du bist zu mir gekommen! Hilf mir, großer Mobed. Alle wissen, dass kein Priester in Babylon dir ebenbürtig ist … Ich habe keine Kraft, mich dem Deva zu widersetzen. Er lenkt mich mit verschiedenen Stimmen, es ist der dreiköpfige Aschdahak selbst. Ich fürchte mich, er ist stärker als ich.“
– „Mein lieber Mann, ich habe dir schon einmal geholfen.“
– „Ja, großer Priester … Aber ich konnte den Weg des Guten nicht gehen, obwohl ich es dir versprochen habe.“
– „Ich kann nicht für dich rechtschaffen werden.“
– „Hilf mir, Ascha! Ich verspreche, wenn ich am Leben bleibe … Heute habe ich meine Frau und meine Tochter geschlagen. Ich bin hierher gerannt, damit ich sie nicht töte … Hüter, rette mich… Aschdahak befahl mir, deine Tochter zu töten“, sagte der Mann und schüttelte sich noch heftiger bei dem, was er sagte.
– „Es ist einfacher, dich zu töten“, sagte Dasda ruhig. – „Ich bin bereit, es zu tun, wie ich es tun würde, um das FEUER zu schützen, Ahur ist mein Zeuge.“
– „Töte mich“, sagte der Besessene und fiel auf die Knie.
– „Steh auf“, sagte Dasda nach einer Pause. – „Gehen wir zum Tempel. Und nehmen die Waschungen vor.“

Als wir uns nach den Waschungen dem Tor des Heiligtums näherten, sagte der Mann mit veränderter Stimme:
– „Mobed, du hast bereits dein Haus und deine Tochter durch einen Fremden verunreinigt, jetzt wirst du das Feuer verunreinigen … Ich erwarte dich in der Hölle!“
Nach diesen Worten blieb Dasda am Eingang des Tempels stehen … und brachte uns zurück in den Garten. Dort, hinter der Weinlaube, stand seine Erfindung, ein massiver, breiter, schwerer Stuhl auf Kufen, mit Gurten an den Armlehnen und der Rückenlehne.
Zu dritt schleppten wir den mächtigen Sessel zum Tempeltor, brachten ihn ins Heiligtum und stellten ihn gegenüber dem Feueraltar auf.
– „Dämon, hörst du mich, du Schwätzer. Jetzt wirst du verstehen, was das bedeutet, zwei rechtschaffene Männer desselben Glaubens. Du wirst es selbst sehen“. Dasda erinnerte mich mit seiner Gelassenheit erneut an Großvater.
Der Hüter setzte den Mann in seine Erfindung, befestigte die Hände des Besessenen geschickt an den hohen Armlehnen und zog ihn dann mit einem breiten Gurt an die massive Rückenlehne des Stuhls.
– „Schau auf das Feuer und halte die Augen offen“, sagte er zu dem Mann.
– „Damit werdet ihr nicht durchkommen, ihr Irrgläubigen, ihr Sünder“, rief einer der Dämonen aufgeregt. – „Ich werde diesen Narren noch verschlingen, zur Freude meines Herren … Was, Grieche, hast du die Ohren gespitzt? Wer mein Herr ist? Die Finsternis eurer Sünden! Wenn ihr mich behelligt, verspeise ich als nächstes den Griechen, Johannes´ Liebling. Man kann ihm schon beikommen – auch er ist nicht ohne Sünde
Und als Vorspeise kommst du, Ascha Dasda, zusammen mit deiner Rechtschaffenheit.“
– „Auf das Feuer! Schau auf das Feuer!“ – erinnerte Dasda den Mann streng. – Und sprich das Gebet! An Ahunwar. Wenn du dich erinnerst.“

Der Hüter legte ein Padan an und bedeckte damit seinen Mund und seine Nase. Er ging zum Feuer und brachte ein Räucherwerk dar und streute es mit einer ruhigen, gleichmäßigen Geste über das Feuer.
Der Tempel war von einem vertrauten Duft erfüllt. Dasda begann ein Gebet zu sprechen und sah dabei auf das Feuer, ohne sich von dem besessenen Mann ablenken zu lassen. Der Klang des Gebetes und die Abfolge der Worte waren mir bereits vertraut.
Er rezitierte das Gebet in einem bestimmten Rhythmus, wobei er einundzwanzig Worte exakt in diesen Rhythmus einfügte.
Es schien, als ob der ganze Raum im Tempel zu pulsieren begann, auf besondere Weise zu klingen begann.
Ich stellte mich hinter den Mann. Er zitterte merklich. Das erste Wesen von kleinem Wuchs trat unvermutet aus dem Besessenen irgendwo an der Seite seines Körpers heraus und bewegte sich in Richtung Ausgang. Die Bewegung fiel ihm in den Schwingungen des Raumes nicht leicht, und es begann zu zerfallen. Ich weiß nicht, ob die Kreatur es bis zum Ausgang geschafft hat. Ich konzentrierte mich auf das feurige Kreuz, das im gesamten Körper des Mannes brannte. Und auf die LICHTE KRAFT des VATERS, die sich über mich und das Geschehen ergoss.
Der Mann knurrte wie ein wildes Tier. Dasda verdichtete den Raum rhythmisch mit mir unbekannten Mantras. Ich sah das Grinsen eines Wolfes. Der Wolf heulte. Aber da war mehr als ein Wolf … Ich sah einen menschenähnlichen Umriss mit mehr Gliedmaßen als gewöhnlich. Dieses Wesen pulsierte lautlos mit dem Raum und schien sogar zu versuchen, mich anzulächeln.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf das brennende Kreuz und die unermessliche KRAFT, die von allen Seiten hereinströmte, und ich flüsterte die ersten Zeilen des Gebets … Der Wolf versuchte mit einem kläglichen Heulen aus der Seite des Kopfes des Mannes herauszutreten. Aber ringsumher brannte das goldene Feuer …
Im Tempel roch es nach Feuer. Dasda streute Weihrauch über das Altarfeuer ohne sich dem Besessenen zuzuwenden. Der Hüter rezitierte weiterhin rhythmisch abwechselnd Gebete und Mantras. In seinem Gesicht sah man Schweißperlen.
– „Ich schlage ein Abkommen vor, Priester“, keuchte der Deva, der an den Mann gebunden war, der unablässig mit runden, reglosen Augen auf das Feuer blickte. – „Du lässt mich in Ruhe und ich verspreche, dich nicht anzurühren.“
Dasda fuhr fort, das Gebet zu sprechen, und ich fuhr fort, den VATER zu preisen.
– „Ihr habt die Kraft – ihr habt sie! Es reicht jetzt. Ich werde eine Weile bei ihm bleiben, er ist schon am Ende … Ich werde dir sagen, wo die Truhe mit dem Gold ist. Das reicht für den Hüter und seinen Sohn, um das Feuer und seine Familien für alle Zukunft zu versorgen. Und du, Grieche, hast genug für beide Ehefrauen; du kannst dir auch eine dritte nehmen.“
«Ein ausgewachsener Teufel, erfahren, zerstreut die Aufmerksamkeit, hat sogar Wissen, und versteht es, Intrigen zu weben; eine Kreatur der Finsternis.» Ich lenkte meine Aufmerksamkeit für einen Augenblick auf ihn: Er war ein humanoides Wesen, behaart, bärtig, mit einem großen Mund mit scharfen Zähnen, zwei kurzen Hörnern auf dem Kopf, zwei Paar Hände, die Anzahl der Zehen konnte ich nicht zählen, Beine, die in Hufen endeten …
– „Du denkst richtig, Grieche. Ich bin ein uralter Dämon, ich habe viele Helden gesehen, vergleichbar mit euch … Deine Gedanken sind wahr, der Schöpfer der Welten hat mich nicht erschaffen. Aber wen interessiert das?“ – Der Dämon verwickelte mich in ein Gespräch, und Dasda, mit Blick auf das Feuer, rezitierte rhythmisch ein Gebet.
– „Ich kannte Elia, den Propheten der Juden; er hat mit mir gelitten. Aber wo ist dieser Elia jetzt? Er hat auch Pythagoras um den Finger gewickelt. Er kommunizierte sogar mit mir im Tempel des Apollo durch einen Priester, und er dachte, es sei Apollo …“
„Hör nicht hin“, sagte ich zu mir selbst. – „Bete!“
Der Dämon krümmte und schüttelte sich zusammen mit dem Mann, konnte aber eine Grimasse schneiden und schluchzen.
– „Grieche, beruhige dich! Was soll das? Erbärmliche Menschen, in ihnen steckt genug Sch… für Jahrtausende, “ – knurrte der Dämon. – „Sparen dir deine Kräfte. Es ist sinnlos … Du willst doch lebend zu deiner Geliebten kommen!“
Ich gab mehr Feuer dem Kreuz, das mit dem goldenen Licht des Vaters brennt. „RABBI, hilf!“
Aus den Augenwinkeln sah ich Johannes und noch jemanden bei ihm …
Der Besessene verdrehte seine Augen soweit er konnte und öffnete den Mund weit. Er erstarrte mit diesem Gesichtsausdruck.
Der vierarmige Deva kam nur langsam heraus und schaffte es sogar, die Stimmbänder des Mannes mit offenem Mund zu benutzen – er klang heiser und gurgelnd.
– „Wofür kämpft ihr, Priester?! Für diesen erbärmlichen, rundäugigen Scheißer? Selbst wenn ich ihn nicht fresse, na und? Es gibt Millionen wie ihn … Ihr Gestank nimmt kein Ende, ihre Angst nimmt kein Ende … Und du, du elender Grieche, Jüngerchen Christi, machst immer wieder Unsinn zu deinem eigenen Nachteil ... Ich werde gehen, ich habe viele Häuser … Unsterblichkeit ist euer Traum … Ihr werdet sterben, ihr fresst euch gegenseitig, ich werde leben, für immer leben … Hass und Angst haben kein Ende! Ich kenne alle deine Schwächen, Grieche, deine Ängste … und die deinen, Priester. Ich kenne eure Wünsche … Die Zeit der Dunkelheit gehört mir…“, murmelte der Dämon einen letzten undeutlichen Satz.
Der Mann zuckte heftig, rüttelte den schweren Stuhl – und brach zusammen …

Es herrschte Stille. Dasda sprach ein Gebet. Er sang ein Loblied auf den ALLMÄCHTIGEN und der Duft von Weihrauch erfüllte das Heiligtum. Ich betete im Geiste zum RUHM des LIEBENDEN VATERS und kniete nieder.
Der Hüter löste die Gurte und gab den Körper des Mannes frei. Das Leben kehrte zu dem vom Deva Befreiten zurück.
– „Wie ist dein Name, Sünder?“ – fragte Dasda.
– „Mein Vater hat mich Raschnu genannt“, antwortete der Mann leise.
– „Es ist nicht angemessen, dass du den Namen eines Jasat trägst, der große Verehrung würdig ist. Ändere deinen Namen oder dein Leben … Komm mir nicht mehr mit den Devas hierher, dir hilft niemand mehr. Heute gab es das letzte Geschenk Ahuras durch diesen Mann, den GESANDTEN des ERLÖSERS!“ – Ascha verbeugte sich kurz in meine Richtung, seine Augen lächelten. – „Du hast keine Zeit mehr.“

Rashnu erhob sich taumelnd von dem festen Stuhl, den Dasda erfunden hatte. Er ließ sich auf die Knie fallen und berührte mit der Stirn meine Füße. Ich habe mich nicht bewegt. Dann kroch Rashnu zu Dasda hinüber, berührte seine Füße und erstarrte in dieser Position.
– „Rashnu, egal wie lange du so dastehst, es wird nicht helfen“, sagte Dasda.
– „Hilf, Ascha! Führe mich! Mein Verstand ist leer … Dieser furchterregende Deva hat mein Hirn zerfressen … Du Frommer, sag mir, womit ich anfangen soll … Lass mich nicht so von dir gehen.“
– „Nimm eine Waschung im Garten des Tempels vor und danke der Ganzheit. Sprich ein aufrichtiges Gebet, bis die Tränen kommen. Dann werde ich dich den Rhythmus des Gebetes und die Kraft jedes Wortes lehren … Verrichte das Gebet an den ALLGÜTIGEN Ahura fünfmal, vom Sonnenaufgang bis zum nächsten Sonnenaufgang. Und vergiss nicht, vor jedem Gebet Körper und Kleidung zu reinigen. Vergiss das Kuschti nicht – binde es vor dem Gebet neu.
Rezitiere während der Arbeit die NAMEN des HERRN, oder besser noch, singe ihn, summe ihn vor dich hin. Wenn du am Morgen auf wachst – Waschung, und singe dem ALGÜTIGEN. Sei niemals ohne den HERRN, deine Aufmerksamkeit sei bei IHM, finde IHN überall, atme IHN ein. Und singe mit einem Lächeln. Man soll dich als jemanden kennen, der zum Ruhm des SCHÖPFERS der WELT singt und nicht als jemanden, der von Aschdahak besessen ist.

Wenn du nach Hause kommst, knie vor deiner Frau und deiner Tochter nieder und bereue vor ihnen deine Taten. Tiefgehend und unter Tränen. Sag ihnen, dass du dein Bestes tun wirst, damit das, was geschehen ist, nicht wieder vorkommt, um die gute Welt nicht zu entweihen.
Bring dann unter der Anleitung deiner Frau euer Haus in Ordnung. Bitte sie, dir zu sagen, wie du es machen sollst. Aber bring das Haus selbst in Ordnung. Und das sollst du alle sieben Tage tun, bis ich diese Aufgabe aufhebe.
Iss nicht das Fleisch der guten Tiere, von deren Milch du dich ernährst. Töte sie nicht … Das reicht für den Moment. Hast du dir das gemerkt, Raschnu?“
– „Ja, weiser Mobed“, nickte Raschnu.
– „Morgen früh kommst du zu mir und ich gebe dir eine Arbeit. Nach der Arbeit – Essen für dich und deine Familie. Was kannst du?“
– „Ich kann bauen, Ascha.“
– „Du wirst also den NAMEN GOTTES  rezitieren und die Außenwände des Hauses des FEUERS tünchen.“

… Ein paar Worte noch über das mit goldenem Feuer glühende Kreuz, das zur Reinigung von Raum und Mensch dient.
Es ist wohl klar, dass dieses Bild nichts mit dem Kreuz zu tun hat und auch nicht haben kann, das Jahrhunderte nach der Hinrichtung als Symbol der Verehrung in der römischen Kirche verwendet wurde. Und dort stand, wie wir wissen, kein Kreuz, sondern eine T-Säule, die von den Römern für Hinrichtungen verwendet wurde.
Ich bezeichne das Kreuz in meiner Geschichte als ein Kreuz der LICHTTRAGENDEN GÖTTLIHEN KRAFT, das die Kraft des entgegengesetzten Ursprungs vernichtet und auflöst. So lehrte RABBI Johannes mit Glauben, reinem Herzen und Phantasie, das Unreine zu verjagen. Und Johannes hat es mich gelehrt.

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 21

Die Ereignisse entwickelten sich zusehends schneller. Die Vorsehung schien mich anzutreiben, ich musste es schaffen, das mitzugestalten, was das Schicksal anbot, und mich dabei mehr auf mein inneres Gefühl als auf meine Überlegungen verlassen.

Jasna begann, in meine Wohnung zu kommen, um sie zu reinigen. Die Avestaner zeichneten sich dadurch aus, dass sie auf die Reinheit der Wohnung und des Körpers achteten, in einer Weise, wie ich es noch nie gesehen hatte. Aber die Tatsache, dass die Tochter des Hüters des FEUERS in das Haus eines jungen Mannes kam, um es zu reinigen, entsprach nicht den üblichen Regeln des avestischen Familienlebens, auch wenn Dasda ein mutiger Reformer des alten Glaubens war. Schließlich sollte die Reinheit eines Mädchens bis zur Heirat, die durch die Entscheidung der Eltern bestimmt wurde, in keiner Weise in Frage gestellt werden.

– „Jasna, ich freue mich über die Aufmerksamkeit, die deine Familie mir entgegenbringt … Aber vielleicht ist es besser, ich räume selbst auf dort, wo ich wohne?“ – fragte ich etwas verwirrt über ihr erstes Erscheinen.- „Mein lieber Freund, Bruder Euseus … Mein Vater hat es mir aufgetragen, und ich werde es mit Freude und in guter Stimmung tun … Man kann das Haus nicht ohne Freude putzen,“ – Jasna ließ eine samtene Glocke erklingen. – „Außerdem ist es mein Haus, ich muss es in Ordnung halten, niemand kann das besser als ich. Es ist die Frau, die das Haus in Ordnung hält, nicht der Mann, er sollte sich von solchen Dingen nicht ablenken lassen … Und mein Vater hat mir auch erlaubt, mich mit dir ohne meine Eltern und meinen Bruder zu unterhalten … Alle in unserem Haus lieben dich. Dasda sagt, du hast das Herz eines Avestaners … Und ich kann deine Hwarna sehen … Du bist eine vertraute Person und sehr faszinierend. Ich vertraue dir“, sagte Jasna schnell und beherzt, wobei sie etwas aufgeregt war. Ich hatte in meinem Leben schon ein ähnliches Gespräch erlebt. Die Vorsehung schien mir Neugierde entgegenzubringen: Was würde ich als Nächstes tun?

Ich habe diese Frage nicht aufgeschoben, sondern mich direkt an Dasda gewandt.
– „Bruder, Freund, weiser Mann, warum hast du deine geliebte schöne Tochter geschickt, um das Haus zu reinigen, in dem ein noch junger Mann lebt?“
– „Ja, lieber Freund, ich bin ihr Vater und ich liebe sie sehr, wie du richtig bemerkt hast“, sagte Dasda mit seinem typischen gutmütigen Lächeln. – „Ich sehe in dem, was geschieht, etwas Gutes für sie, obwohl es auch eine Prüfung ist, für alle … Meine Familie, eine Familie von Priestern, hat einen Ungläubigen in ihr Haus aufgenommen: das ist ein offener Verstoß gegen unsere Gebote. Aber meine Freunde und ich halten dich nicht für einen Ungläubigen. Du hältst dich nicht an unsere täglichen Regeln, unsere Reinigungsrituale – weil du nicht in einer Avesta-Familie aufgewachsen bist. Aber die Reinheit deines Gewissens und das Licht deiner Hwarna sind unverkennbar …
Ich habe dich als Boten erwartet. Und genauso ist es gekommen. Das ist eine Situation, die ihr, du und Jasna, nicht umgehen könnt, die wir nicht umgehen können. Wenn man das Größere und das Kleinere gegeneinander abwägt, es ist unumgänglich … Es ist für Jasna vorgezeichnet … und für dich“

– „Hast du Jasna gelehrt, wie man das Schicksal anhand der Sterne sieht?“
– „Nein, mein Freund. Das habe ich nicht. Sie versteht es wie kein anderer in unserer Familie, nach dem Gefühl zu leben. Ich lasse es so geschehen. Ich habe darüber nachgedacht … und ich lasse es geschehen, alles aus väterlicher Liebe … Du weißt doch, der verlässlichste Wegweiser liegt in einem reinen Herzen …“

Jasna kam oft, um meine Wohnung zu reinigen, so wie es die Regeln des AVESTA vorschreiben. Ich werde nicht den Ablauf dieses interessanten Prozesses beschreiben; das Wesentliche war unsere Kommunikation.
Wenn Jasna mich zu Hause antraf – und sie kannte und fühlte sehr gut die Abfolge meiner täglichen Aktivitäten – dann endete die Reinigungsprozedur (ich wartete die Reinigung auf der sonnigen Türschwelle ab) mit einer Konversation bis zum Sonnenuntergang.
Ich habe mehr geredet – mein Leben währte schon länger, und wie sich herausstellte, hatten sich viele Ereignisse angesammelt. Sie fragte mich über alles aus: meine Kindheit, meine Mutter, Johannes, den LEHRER, die Gemeinschaft, mein Exil auf der Insel, Olivia und Athalia, meine Reise in den Osten, meine Freunde. Und natürlich über Ani, wobei sie sich immer zuerst vergewisserte, ob sie nach meiner Liebe fragen dürfe …

Vor dem Schlafengehen, nach dem Gebet, sprach ich mit Ani. Es war wichtig für mich, ihr und der Welt um mich herum mitzuteilen, was mit mir und in mir geschah. Ich beobachtete mich selbst und versuchte, Ani mit meinen Schritten und Gedanken nicht zu beunruhigen – es gab keinen Menschen, der auf der Gefühlsebene so eng mit mir verbunden war wie sie. Das Gefühl, ein reines Gewissen zu haben, war für mich wichtig, sehr wichtig.
Meine Gefühle für meine Geliebte waren unerschütterlich. Und Jasna war Ani sehr ähnlich – im Charakter, im Auftreten, in einer gewissen angeborenen Weiblichkeit und sogar im Klang ihrer Stimme, der in meinen Gefühlen nachhallte. Und irgendwie nahm sie unvermeidlich einen freien Platz in mir ein, der vielleicht durch Anis lange Abwesenheit in der manifesten Realität entstanden war.
Jasna erriet meine Gedanken, spürte meine äußerlich nicht erkennbaren Emotionen; sie ging rechtzeitig, um nicht aufdringlich zu sein. Sie erinnerte sich an alle Geschichten, die ich ihr erzählt hatte. Sie konnte sogar fühlen, was ich zu Mittag essen wollte.

Wenn wir als große Familie zu Mittag aßen, erlaubte Dasda es ihr, mich zu versorgen. Und sie konnte unfehlbar bestimmen, was ich essen wollte. Und sie genoss es – nachdem sie sich bei mir vergewissert hatte, ob sie an einem bestimmten Tag mit meinen Geschmacksvorlieben nicht geirrt hatte.
Sie wurde zu einem angenehmen Schleier in meinen Gefühlen, der in keiner Weise den Wunsch zeigte, besser zu sein als Ani oder sie in den Schatten zu stellen. Das war einfach nicht in ihr; sie schien einfach nur die Zeit wertzuschätzen, die wir zusammen verbrachten.

Einmal – ich kam gerade aus der Schmiede zurück, eine weitere Reinigung des Hauses war gerade abgeschlossen – sagte mir Jasna, dass sie mich liebt.
– „Ich konnte nicht anders, als es dir zu sagen … Ich muss in allem wahrhaftig sein, offen vor dir, vor Gott … Ich habe wenig Zeit, denn du wirst eines Tages weg sein, schon bald. Ich habe keine unreinen Gedanken … Ich liebe dich und Ani, sie ist ein Teil von dir … Aber ich habe keine Möglichkeit, ihr das zu sagen … Lass mich trotzdem kommen und mein Haus putzen, in dem du wohnst“, sprach sie und lächelte.
– „Jasna, hast du deinem Vater davon erzählt?“ – fragte mit einem unbeholfenen Lächeln.
– „Ich werde es ihm heute sagen. Ich musste es dir und Ani zuerst sagen … Dasda weiß alles, auch wenn ich es ihm nicht sage … Er ist Ascha, ich liebe ihn sehr. Und du bist Ascha … Ihr seid euch sehr ähnlich … Vater erlaubt es mir auf meine Liebe zu warten. Er hat mich im letzten Frühjahr nicht einem guten Mann zur Frau gegeben, der darauf wartete, dass ich erwachsen werde. Unsere Eltern sind befreundet und haben schon lange eine Hochzeit arrangiert … Dasda ist ein außergewöhnlicher Vater, ein außergewöhnlicher Mobed.
– „Warten auf die Liebe … Du siehst das Schicksal nicht in den Sternen, oder?“ – Ich musste etwas sagen, und ich habe es gesagt.
– „Mein Vater wollte mir das nicht beibringen. Ich habe ihn darum gebeten, aber er wollte nicht … Ascha hatte wie immer recht. Mädchen müssen nicht nach einem Liebsten suchen, sie leben nach den Sternen. Sie sollten lernen, mit dem Herzen zu leben, mit dem Gefühl. Du hast mir doch von deinen Träumen erzählt. Du bist mit deinem Herzen hergekommen, mit einem reinen Herzen, du kennst die Tabellen der Planeten nicht … Dasda weiß, dass da Gefühle in mir sind“, durchbrachen Tränen das Lächeln in Jasnas Augen. – „Morgen ist es besser … Ich hatte den Mut, dir alles zu gestehen, dir gegenüber offen zu sein. Jetzt fange ich an, Tränen zu vergießen und die Dinge durcheinander zu bringen. Es ist nicht leicht, mit jemandem über Liebe zu sprechen, der seine Einzige liebt …“

Vor dem Schlafengehen erzählte ich Ani wie immer, was passiert war. Ich stellte mir vor, wie sie lächelte und mich umarmte. Ich spürte, dass sie mir, sanft wie immer, etwas Gutes und Ermutigendes sagte …

Als ich einschlief, dachte ich, es sei an der Zeit, Olivia zu sehen.
Ich erwachte im Morgengrauen mit dem Anblick Olivias:
– „Guten Morgen, geliebter Freund, du hast einen weiten Weg zurückgelegt, in das Land der alten Göttinnen!“ – Lächelnd fuhr sie mit ihren Fingerspitzen in einer vertrauten Geste über meinen Kopf – „Mach dir keine Sorgen, wo es keinen Grund dafür gibt. Gib diesem sensiblen, reinen Mädchen das Gefühl zurück. Sie hat Recht, eine solche Begegnung wird es in ihrem Leben nicht noch einmal geben. Reines Mädchen, reiner Mann … `Und möge sie mir eine Schwester sein, eine liebe, und so glücklich wie ich es bin!` Dies sind die Worte, die Ani mich bat, an dich weiterzugeben, Eroberer der reinen Herzen …“

„In eurem Haus ist Wärme, deine Gegenwart ist da. Sie wartet immer auf dich, sie glaubt, sie weiß, dass du wiederkommen wirst. Ani ist eine außergewöhnliche Blume … ein Duft der Weiblichkeit … Ich kann nicht fassen, wie man derartige Feinheiten einer Blüte finden kann. Die ganze Stadt bewundert sie. Ich überlege ständig, wie ich ihr ein Stück meiner Ewigkeit geben kann. Richtig, da könnte ein Unbehagen in dir aufkommen …“ Olivia bimmelte mit ihren Glocken und löste damit die Reste meiner Anspannung auf. – „Lebe, Freund der Hüter, mit reinem Herzen und klarem Kopf. Du musst dich schon sehr anstrengen, um zu lernen, wie man einem Mädchen Schmerzen zufügt. Aber das interessiert dich ja kaum“, lächelte Olivia zum Abschied.

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 20

Am Morgen sagte Dasda zu mir:
– „Mein Freund, das ist der direkte Weg zum Sieg über Ahriman“, – Dasda hielt die BOTSCHAFT von Johannes in seinen Händen, die er in der Nacht gelesen hatte. – „Eine GUTE LEHRE … Ich mache dir einen Vorschlag: Bruder Euse
us, bleib noch in Midia. Lasst uns gemeinsam eine Gemeinschaft zu den GUTEN GEBOTEN aufbauen; wir brauchen deine Erfahrung. Warum sollten wir die Zeit unserer Inkarnationen verschwenden, wenn wir den Schlüssel zum Sieg über Ahriman in Händen halten? – Die Augen des Hüters lächelten wie immer.
– „Das ist der Sinn unseres Lebens, Bruder Dasda – wach zu bleiben und denen zu helfen, die auf das Erwachen warten … Lasst uns hier eine Gemeinde aufbauen und die Gemeinden der GUTEN LEHRE untereinander verbinden – von Midia über den Euphrat und Kilikien bis hin zu meiner Heimat … Und ich bitte um deine Hilfe. Wir bauen eine Gemeinde auf – danach gehe ich nach Hause. Aber ich bin nicht nach Indien gekommen … Wir müssen einen Boten finden und ihn ausbilden. Sie sollen zu zweit nach Indien gehen, der Zweite wird aus der Johannesgemeinde am Euphrat kommen.“
– „Das Schicksal ist deiner Heimreise mit gutem Gewissen gewogen! Das Horoskop meines Sohnes
Humat ist sehr aufschlussreich – ihm steht eine Reise in den Osten bevor. Er ist Priester und sieht die Welt wie sein Vater.“
– „Was sagen deine Berechnungen noch?“ – Ich konnte meine Neugierde nicht zügeln.
– „Ich kenne nicht all deine Daten … Ich kenne deinen Geburtsort und dein Alter. Den Monat und die Tageszeit habe ich noch nicht erfahren. Aber ich kenne die Tabellen meiner Familie und meiner Freunde: Ich darf keine Zeit verschwenden, wir dürfen keine Zeit verschwenden … Womit fangen wir an, mein Freund?“
– „Mit gemeinsamen Mahlzeiten und Gemeinschaft. Und zum Gedenken an den LEHRER mit dem Brechen des Brotes und dem Kelch mit Wein. Andere Sakramente gibt es nicht,“
– „Wir werden heute beginnen. Nach der Liturgie lade ich Freunde zu uns nach Hause ein. Ehefrau, Tochter und Schwiegertochter bereiten das Essen zu. Es gibt Brot und Wein. Ich werde meinen Freunden von dem verheißenen Sartoscht-Retter erzählen, der die GUTE LEHRE offenbarte, indem er den geraden WEG zum Sieg über Ahriman bekräftigte. Und wir werden dir Fragen stellen, aber zuerst werde ich dir etwas über dich erzählen … Nun, sag mir, guter Bote, wann wurdest du geboren und wo stand die Sonne am Tag deiner Geburt?“
Ich sagte ihm das Datum des Frühlingsmonats. Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter sagte, ich sei mit den ersten Sonnenstrahlen geboren …

Beim ersten Frühstück entwickelte sich bereits eine Freundschaft mit der Familie des Hüters des FEUERS. Ich bin Zuhause angekommen. In dieser Familie konnte es nicht anders sein. Ascha (der Gerechte) Dasda, ein weiser Mann, der von allen geliebt wurde, nahm mich mit offenem Herzen auf, ebenso wie alle anderen Mitglieder der Sippe. Hier lebte das Vertrauen.

Daiti, Dasdas Frau, war freundlich, lebhaft, lächelnd, aufmerksam gegenüber dem Sprechenden. Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, dass sie jemanden unterbrochen hat, nicht einmal ein Kind. Zwei Töchter, die jüngste war elf, Jasna war sechzehn. Die junge Familie von Humat (dem Sohn von Dasda und Daiti) bestand aus seiner Frau und einem fünf oder sechs jährigen Sohn, dem zukünftigen Hüter des FEUERS. Humat war damals sechsundzwanzig Jahre alt. Aufmerksam und tiefgründig wie seine Eltern. Er war gelehrt – bei einem Vater wie Dasda konnte es gar nicht anders sein. Stark, schwarzhaarig, strahlende Augen.

Jasna. Sie ähnelte ihrem Vater und war schön, nicht nur wegen ihrer berührenden Stimme, deren Klang ich wahrgenommen hatte, als ich ihr zum ersten Mal im Tempelgarten begegnete, sondern auch mit allem anderen, was dem Blick eines Mannes normalerweise und unvermeidlich gefällt. Meine Betrachtungsweise unterschied sich nur wenig vom Normalen, und so achtete ich auf die grünen Augen, die vor dem Hintergrund der schwarzbraunen Haare weiblich und rein leuchteten, und auf die ausdrucksstarke Gestalt, die von unerschütterlicher Kraft und Vitalität erfüllt war. Mir ist auch die Ähnlichkeit zu Ani aufgefallen. Dabei dachte ich: Es ist wohl Zeit für mich, nach Hause zu gehen …

Jasna, mit einer ihr eigenen Direktheit und Offenheit, verhielt sich mir gegenüber sofort freundschaftlich vertrauensvoll, wie zu einem Freund ihres Vaters oder einem älteren Bruder, für den man sich nicht genieren muss. Sie war lebhaft, kontaktfreudig, auf natürliche Weise charmant und wirklich an ihrem Gesprächspartner, also an mir, interessiert.

Die Sympathie zwischen uns entstand unmittelbar, ohne anfängliche äußere Zurückhaltung ihrerseits. Es war ein beiderseitiges Wiedererkennen, was normalerweise entweder auf eine geistige Verwandtschaft oder auf eine gefühlsmäßige Erinnerung an ein früheres Leben zurückzuführen ist, obwohl es vielleicht beides war.

Dasda hatte natürlich alles wahrgenommen – seine Augen lächelten verständnisvoll angesichts der Unausweichlichkeit der Ereignisse.
Als jemand, der bereits einige Erfahrungen gesammelt hatte, gelang es mir diesesmal (auch wenn es vielleicht nur den Anschein hatte) die Grenze im Umgang mit Jasna zu finden, wo ich mich für Taten, Worte und auch Gedanken verantwortlich fühlte. Jasna dachte nicht daran, eine solche Grenze zu finden, sie vertraute mir in der Frage der Verantwortung, denn ich war ein Bote, ein Prediger, ein Jünger des ERLÖSERS … Ich dachte des öfteren an meine Geliebte, ein starkes, unzerbrechliches Gefühl verband uns weiterhin, wobei ich nicht zuließ, dass die offensichtliche Sympathie für Jasna in den Hintergrund trat …

Dasdas Familie und Freunde nahmen mit aufrichtiger Entschlossenheit die Gebote der GUTEN LEHRE und die Regeln der frühen christlichen Gemeinschaften an. Sie hatten volles Vertrauen in den weisen und gerechten Dasda, der sie über die Erfüllung des AVESTA mit den guten Geboten, den Geboten der Liebe, durch den verheißenen ERLÖSER, informiert hatte. Sie schlossen Freundschaft mit mir und nahmen das Hwarna war, das innere Licht, das von einem reinen Menschen ausgeht. Für einen Avestaner gab es nichts Wichtigeres als innere Reinheit, Standhaftigkeit gegen das Böse. Die Avestaner wissen das Geschenk der Zeit in der materiellen Welt wertzuschätzen.
Sie nahmen das Brechen des Brots und die Kommunion mit dem Weinkelch sofort an. Denn so hatte es der verheißene ERLÖSER geboten. Zudem nahmen sie sowohl gesegnetes Brot als auch den besonderen Trank in ihren Liturgien.
Alsbald bekannten sie auch einander ihre Sünden, damit sie nicht durch Böses verunreinigt würden. Sie machten es zu einer absoluten Regel, dass derjenige, der gegenüber seinem Nächsten etwas Unreines in sich trug, nicht zum gemeinsamen Mahl kommen durfte, bis er sich mit seinem Nächsten versöhnt hatte, damit das Sakrament des Brotes und des Kelches nicht verunreinigt würde.

Ich erklärte diese Entschlossenheit meiner Freunde, dieses Streben nach innerer und äußerer Reinheit damit, dass jeder von ihnen schon in der Jugend, im Alter von fünfzehn Jahren (manche auch früher), in Gegenwart des Priesters eine bewusste Entscheidung getroffen und den WEG der RECHTSCHAFFENHEIT betreten hatten – den Pfad der guten Taten, der guten Worte und der guten Gedanken, nachdem er dem Priester, dem Hüter des FEUERS, den Grund seiner Entscheidung erklärt und das Hauptgebet gelesen hatte. Der Ritus der Neugeburt wurde durch das Anlegen eines geweihten weißen Gewandes (Sedre) und eines Gürtels (Kuschti) abgeschlossen, die, ebenso wie Körper und Gewissen, stets rein gehalten werden mussten. Von nun an musste derjenige, der den Ritus vollzogen hatte, bevor er das Gebet rezitierte, nach einer Entweihung durch Unreinheit, und vor einer wichtigen Entscheidung oder Handlung den Gürtel lösen und ihn neu anlegen.

Ein Avestaner, der bewusst durch das Sakrament der neuen Geburt den Pfad des Kampfes mit dem Bösen betrat, verstand, dass man in der aktuellen Inkarnation keine Zeit verlieren sollte, weil man Ahriman und das Böse in sich selbst nur besiegen kann, wenn man einen Körper als Instrument dieses Kampfes besitzt.

Ein Avestaner liebt das Leben, er betrachtet diese Welt als die bessere der beiden geschaffenen Welten. Im Avesta gibt es keine Beschränkungen, die dazu ermutigen, dass sich der Mensch aus der Harmonie des Lebens zurückzieht. Es gibt keine Gelübde der Enthaltsamkeit und des Zölibats, kein Fasten, keine Einsiedeleien, keine Klöster, keine Praktiken der Unterdrückung des Körpers. Der Körper ist ein Instrument für die Entwicklung der Seele. Man ist für die Gesundheit und Reinheit des Körpers verantwortlich. Eine abwertende Beziehung zum Körpers, der göttlichen Gabe, und dessen Unterdrückung ist unzulässig.

Bei einer unserer ersten gemeinsamen Mahlzeiten, die wir jeden zweiten Tag durchführten, erzählte ich zu diesem Thema eine kurze Geschichte von Johannes über ein Gespräch zwischen RABBI und einem Schriftgelehrten, der aufgrund seiner Gelehrsamkeit die Tora und die Bücher der Propheten zu lesen verstand, anders als die meisten Menschen in Judäa. Als der Schriftgelehrte den LEHRER mit den Leuten reden sah, beschloss er offenbar, SEINE Gesetzeskenntnisse zu testen, und schlug vor, dass RABBI mit ihm fasten solle.
– „Welche Sünde habe ich begangen oder bin ihr erlegen?“ – lächelte der LEHRER.
Der Mann konnte nicht sofort eine Antwort finden. RABBI fügte hinzu:
– „Wehe dem Fleisch, das von der Seele abhängig ist, aber auch wehe der Seele, die vom Fleisch abhängig ist.“
Der Mann war noch mehr verwirrt und fragte:
– „Und wie ist diese Aufgabe zu lösen?“
– „Mit einem reinen Herzen“, antwortete RABBI.

Dasda lächelte:
– „Du kannst die Welt um dich herum nicht reinigen, wenn du nicht dein Herz reinigst.“
Dann schlug der Hüter die Botschaft von Johannes auf:
– „Hört zu, Freunde, was der LEHRER über den ALLGUTEN gesagt hat.
Wenn man euch fragt: Woher kommt ihr?, dann sagt: Wir sind aus dem LICHT gekommen, von dem ORT, wo das LICHT aus dem ursprünglichen LICHT entstanden ist.
Wenn man euch fragt: Wer seid ihr?, dann antwortet: Wir sind SEINE Kinder, Kinder des lebendigen VATERS.
Wenn man euch fragt: Was ist das Wesen eures VATERS, das in euch ist?, dann sagt: Es ist Bewegung, Frieden und Liebe.
Wenn man euch fragt: Was ist das Bild deines Vaters?, dann antwortet: Er ist wie eine SONNE …“

– „Weiser Hüter, was sagt das AVESTA über Ahriman? Wer ist derjenige, der uns daran hindert, mit LICHT erfüllt zu werden? Wie ich bereits von dir gehört habe, wurde er nicht vom SCHÖPFER unserer Welt erschaffen. Woher kommt er? Zu welchem Zweck?“ – stellte ich eine alte Frage, auf die es keine Antwort gab.
– „Damit wir geläutert werden und einen ewigen Körper bekommen,“ lächelte der Weise.
– „Wenn es ihn nicht gäbe, gäbe es nichts, wovon man sich reinigen könnte“, sagte ich in eben dieser Auffassung. – Er kam in unsere Welt, damit wir uns reinigen?“
– „Mein Freund,
gesegnet mit Hwarna, stelle mir keine schwierige Aufgabe … Ich kann dir nur sagen, wie ich die alte Legende verstehe. Sie wurde von unseren Vorfahren aus den nördlichen Ländern mitgebracht, noch bevor der Prophet kam.
Der SCHÖPFER unserer Welt, der HERRSCHER der WEISHEIT, und Ahriman, der GEIST des BÖSEN, sind Brüder. In dem Sinne, dass sie aus SEINEM URSPRUNG von allem, dem UNBEGREIFLICHEN URSPRUNG, entstanden sind. Sie sind aus dem ALLEINIGEN GESETZ hervorgegangen.
Der ALLGÜTIGE Ahur hat unsere Welt erschaffen – sowohl die materielle Welt als auch die Welt der Gedanken. Die erschaffene Welt war ursprünglich nicht mit dem Bösen und der Zerstörung behaftet. Ahriman kam in die bereits existierende Welt – um sie auszunutzen, zu verunreinigen und zu zerstören. Warum er das tun sollte? Dieses Wissen habe ich nicht. Wir werden die Vermutungen ein andermal diskutieren.
Um die materielle Welt vor dem Eindringen des Geistes der Zerstörung zu schützen, schuf der Schöpfer eine Zeitschleife, eine endliche Zeit oder eine geschlossene Zeit. Die Brüder sind sich einig über die Endlichkeit der Epoche von Ahrimans Anwesenheit in unserer Welt …
An diesem Kampf (in der vorgesehenen Zeitspanne) mit Ahriman nehmen wir gemeinsam mit dem ALLGÜTIGEN SCHÖPFER teil. Wir haben diese Entscheidung getroffen, bevor wir uns inkarniert haben. Wir glauben, dass wir unsere Welt vor Verunreinigung und Zerstörung bewahren werden. Ahriman glaubt etwas anderes …

Mit dem Sieg im Kampf, der die Welt reinigt, wird auch die lange Ära der Vermischung von Gut und Böse zu Ende gehen. Die Zeitschleife wird ebenfalls verschwinden, und der Mensch wird die Möglichkeit erhalten, in einem zeitlich nicht begrenzten Körper auf der Erde zu bleiben. Und dann wird er ein Helfer bei der Schaffung des GUTEN im UNIVERSUM sein können.
Es wird das Böse nicht geben – weder Himmel noch Hölle werden nötig sein … Alle Seelen aus Himmel und Hölle werden zur Reinigung durch den Fluss aus feurigem Metall gehen müssen. Die Überlieferung besagt, dass die Seelen aus dem Himmel diesen Fluss als dampfende Milch erleben werden. Die Seelen aus der Hölle werden die Qualen der Läuterung durchmachen.
Dann werden wir nach dem WILLEN des ALLGUTEN einen Körper für das ewige Leben auf der ERDE erhalten …
Das ist die Zukunft … Der Weg dorthin ist nicht sehr kurz, aber er ist nicht weit im Vergleich zur EWIGKEIT, die uns erwartet.“

– „Und was kannst du über die absehbare Zukunft sagen, heller Priester?“
– „In 1900 Jahren, zusammen mit dem WASSERMANN, werden wir in das ZEITALTER der Trennung von Gut und Böse eintreten. Es wird einen Todeskampf des Bösen geben. Dann kommt die vorherbestimmte Ankunft des ERLÖSERS mit der GUTEN LEHRE, um die Meilensteine der Zeit zu setzen … Und nun bist du zu uns gekommen und hast die BOTSCHAFT von dem WEG gebracht, der die Berufenen auf den entscheidenden Kampf mit Ahriman vorbereitet.“

– „Ahriman ist der Bruder des SCHÖPFERS unserer Welt, selbst ein Schöpfer. Was erschafft er? Wenn er das Böse erschafft, dann wie?“
– „Vergiss nicht, mein Freund, ich bin nur ein Priester. Ob er das Böse erschafft, und wie? Einige glauben, dass er der Schöpfer der Dämonen ist und sie in unsere Welt gebracht hat … Andere glauben, dass Ahriman nicht die Realität erschafft: Er ist der HERRSCHER der Illusion und Gestalten. Er bietet eine Illusion an, die durch die Entscheidung des Menschen zur Realität werden kann. Das ist meine Sichtweise von seiner Anwesenheit in unserer Welt.“
– „Er bietet uns an, das Böse zu schaffen?“ – sagte oder fragte ich.
– „Und wir haben die Wahl: das Böse oder das Gute zu schaffen, Harmonie um uns herum zu schaffen – oder sie zu zerstören.“
– „Gäbe es keine Freiheit der Wahl, dann gäbe es das Böse nicht“, dachte ich laut.
– „In der Welt der Gedanken, in der nicht-materiellen Welt gibt es keine Wahl, gibt es kein Böses … In der materiellen Welt gibt es dieses Prinzip – die freie Wahl … In der Wahl liegt unsere Bewegung zur EWIGKEIT.“
– „Keine große Auswahl. Entweder wir zerstören unsere Welt oder wir gehen in Richtung EWIGKEIT, auf eben dem einzigen WEG.“
– „Um daran zu erinnern – um von diesem WEG zur rechten Zeit zu erzählen – kommt der GESANDTE, der ERLÖSER. Und du, mein Freund, bist mit der BOTSCHAFT des offenbarten WEGES zu uns gekommen, als Schüler des GESANDTEN. So einfach ist das“, lächelte Dasda.
– „Und wir Menschen holen weiterhin das Böse aus uns hervor, verstärken seine Präsenz in der Welt, wählen das, was Ahriman anbietet … Weiser Freund, hast du Ahriman je gesehen?“
– „Nein, heller Bote, ich habe Ahriman nicht gesehen … Und ohne seinen Wunsch ist es kaum möglich. Aber ich habe viele Dämonen gesehen. Und es werden nicht weniger … Und wir wählen immer wieder das, was Ahriman anbietet, obwohl von GOTT der direkte WEG zum LICHT angeboten wird … Unausweichlich … Das Böse wird in einen Todeskampf eintreten und alles verdunkeln – außer dem wahren Licht, damit der Mensch diesen WEG erkennt. Aber das erfordert Jahrhunderte und eine Zeitenwende.“

– „Ahriman … Das geht alles nicht in meinen Kopf … Er ging hervor aus dem URSPRUNG des WELTALLS, ist der Schöpfer der Gestalten. Die freie Wahl ist unabänderlich in der materiellen Welt … Wozu braucht Ahriman unser Böses, unseren Hass, unsere schwere Kraft? Für Dämonen – klar, das ist ihre Nahrung. Aber wieso sollte er sich davon ernähren?“
– „Mein Freund“, sagte Dasda etwas ernst. – „Über diese interessante Frage kann man zwischen den Inkarnationen und im Traum nachdenken.
Und in dieser schönen Welt werden wir vorerst noch lernen, keine schwere Kraft auszustrahlen. Um die Welt nicht zu zerstören, in die wir gekommen sind, um das Böse zu besiegen …“