Archiv der Kategorie: Die Geschichte von Euseus

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 9

In der Gemeinde verstanden sie es zu lächeln und behielten auch die Überlieferung aufrecht, dass RABBI oft mit den Jüngern lächelte und scherzte. Das stimmte. Die Gläubigen dieser Gemeinschaft kannten nicht die ideologischen Quälereien des späten, kanonisierten Christentums. Sie lebten mit einfachen, natürlichen Überzeugungen. Jeschua war hier der Sohn von Josef und Maria, ein Mann von beispielloser Reinheit, ein Mann mit einem besonderen Auftrag des VATERS, kein GOTT, ein Prophet über allen Propheten. ER hatte Geschwister, SEIN Bruder Jakobus war eine Festung der Jerusalemer Gemeinschaft der Jünger des RABBI. Und das enstammte nicht irgendwelchen Fantasien: Zum Rat dieser Gemeinschaft von Juden, die auf den GESALBTEN gewartet hatten, gehörten Menschen, die Jakobus, den Bruder Jeschuas, persönlich kannten und sogar mit ihm befreundet waren; außerdem sah und hörte Sacharia den lebendigen LEHRER.

Hier wussten alle (und darüber gab es keine Meinungsverschiedenheiten), dass Jeschua die große Mission vor seinem dreißigsten Geburtstag mit der HERABKUNFT des HEILIGEN GEISTES und durch das Zeugnis des Elia in der Person Johannes des Täufers offenbart wurde: Jeschua wurde vom Propheten Johannes-Elia im Wasser des Jordans getauft und hörte, als er aus dem Wasser stieg, eine Stimme vom HIMMEL: „Du bist MEIN SOHN, jetzt habe ICH DICH geboren!“ An diesem Tag wurde der Menschensohn erweckt, erkannte schließlich seine Mission und erhielt die Eingebung für die ERFÜLLUNG. Danach folgten das Fasten, die Überwindung der Versuchungen in der Wüste, und dann die ersten Predigten. Alles war einfach und klar.

Auch wurden hier die Briefe und Sendschreiben des Apostels Paulus nicht gelesen. Und man war ihm gegenüber nicht neutral eingestellt. Die harmlosesten Definitionen für Paulus waren „Abtrünniger“ und „falscher Apostel“. Es gab auch härtere – „Prophet des Satans“…

Es gab einfache, nicht obligatorische Regeln für das Essen, an die ich mich auch heute noch erinnere und die ich zu befolgen versuche. So wurde zum Beispiel Wasser einige Zeit vor den Mahlzeiten getrunken – mit Dankbarkeit – und nur im Sitzen. Die Speisen wurden natürlich mit Segen und Dank zu sich genommen, und sie wurden sorgfältig gekaut. Der Magen wurde nicht vollständig gefüllt; man sollte aufhören zu essen, auch wenn man Lust auf mehr hatte. Ein Maß für die Nahrungsmenge war die eigene zu einer Schale gefaltete Handfläche. Man sagte, dass Jakobus der Gerechte es so machte. Mir ist aufgefallen, dass sich unter den Gewürzen immer auch Wein oder Obstessig befand. Auch wurde verdünnter junger Wein getrunken. Warum jung? Weil er die frische Ernte nur selten überlebte, keine Zeit zum Reifen hatte. Aber ich weiß von Großvater, dass Jakobus der Gerechte, wie auch Johannes der Täufer, keinen Wein trank …

Die unumstrittene Autorität in der Gemeinde war der Vorsitzende des Ältestenrates, Lehrer und Ausleger des GESETZES, der Älteste Sacharia. Ein Mann von bemerkenswerter Tiefe und Herzlichkeit im Alter von fünfundneunzig bis sechsundneunzig Jahren. Sacharia war ein enger Gefährte von Jakobus dem Gerechten und kannte meinen geliebten, damals noch jungen Großvater aus Jerusalem (sie müssen im gleichen Alter gewesen sein). Aber das Wichtigste: Er war einmal in Jerusalem Zeuge eines Gesprächs der Pharisäer und Schriftgelehrten mit RABBI. Er war von der Einfachheit, Klarheit und Tiefe SEINER Antworten beeindruckt und erkannte SEIN Licht sehr klar. Diese Begegnung fand kurz vor der Hinrichtung des LEHRERS statt. Zu jener Zeit gehörte Sacharia zu den Jerusalemer Essenern, einer jüdischen Schule, deren Mitglieder sich als das wahre Erbe, als das kommende Jerusalem, als Söhne des Lichts betrachteten, und die sowohl rituelle als auch innere Reinheit forderten …

Sacharia wurde in der ägyptischen Hauptstadt Alexandria geboren, einer großen Stadt des (römischen, Anm.d.Übers.) Reichs, mit einer Mischung verschiedener Kulturen, Religionen und Philosophien. Wahrscheinlich gab es in Alexandria mehr Juden als in Judäa selbst. Seit seiner Jugend war er ein Schüler von Philo von Alexandria, dem großen Weisen, Reformer und Interpreten des Judentums.
Und mit diesem bemerkenswerten Menschen (Sacharia, Anm.d.Übers.) gewährte mir die göttliche Vorsehung eine Begegnung. Wieder einmal hatte ich eine unmittelbare Gelegenheit, mit einem Ältesten zu lernen und zu denken, wie ich es einst mit Großvater tat. Wie ähnlich sich doch diese Ältesten im Inneren waren!
Als wir uns das erste Mal trafen, umarmte er mich sofort, so wie es Johannes getan hatte. Er war groß, stattlich und gut aussehend. Ganz in Weiß, mit langen Haaren, einem langen Bart und hellblauen Augen, die mit stiller Weisheit und kindlicher Unbekümmertheit strahlten.
– „Ich freue mich, dich begrüßen zu können, Apostel des GESALBTEN. Ich danke GOTT, dass ER mir begegnet ist.
Ich sehe eine blutige Narbe in deinem Gesicht. Ist das nicht das Resultat des Überbringens der BOTSCHAFT des MESSIAS zu den Juden?“ – lächelte er.
Ich lachte, verbeugte mich, wobei ich  meine Hand auf mein Herz legte:
– „Dank sei dem VATER für diese Begegnung. Kraft und Gesundheit für dich, verehrter, lieber Sacharia. Ja, so ist es. Meine Narbe ist die bleibende Erinnerung an die Verbreitung der BOTSCHAFT unter den eifrigen Juden. Und jetzt habe ich Angst, wieder zu ihnen zu gehen, obwohl ich in diesem Gefecht wahre Freunde gewonnen habe.
Ich denke, die Juden, die auf den MESSIAS warten, sind in einer schwierigeren Situation als die Heiden. Für uns ist es einfacher. Wir haben nicht so viele heilige Schriften, also liegt alle Hoffnung auf der Stimme des Herzens. Ihr habt ja zwei TOREN, habt Propheten des Gesetzes und viele, die sich als Propheten betrachten – bei dieser Fülle ist es nicht nur für mich, den Heiden, schwer, sich zurechtzufinden, sondern auch für die Juden selbst … Die einen warten auf den MESSIAS in Gestalt eines Kriegerkönigs, der Israel von Rom befreien wird; andere warten auf einen Hohepriester, der sie von ihren Sünden erlösen wird; wieder andere warten auf Melchisedek, Priester und König in einer Person. Ist es möglich, all diese Erwartungen zu erfüllen? Wie sollen die Juden IHN erkennen?“

Sacharia hörte mir zu und lächelte mit freundlichen Augen.
– „Du bist vom HIMMEL gesegnet, mein Sohn… Du hast IHN erkannt, ohne IHN gesehen zu haben … Und mir, einem Gelehrten, einem jüdischen Schriftgelehrten, wurde gegeben, IHN nicht zu verpassen. Gelobt sei der HERR! Und ich sage dir: Gefäße, die mit allem Möglichen angefüllt sind, taugen nicht dazu, dem MESSIAS zu begegnen. Sie müssen für das NEUE leer gemacht werden.
Ich habe mich mit dem Studium der geschriebenen und der ungeschriebenen TORA, der anerkannten und nicht anerkannten Propheten beschäftigt, aber eine konkretere Anweisung als die von MOSE im Dewarim1 (Deuteronomium) habe ich nicht gefunden. Da steht alles ganz einfach. Eines Tages, als sich die gesamte Gemeinde am Berg Horeb (Sinai) versammelte, baten die Juden GOTT durch Mose: ´Wir dürfen nicht länger auf die Stimme des HERRN, unseres GOTTES, hören und in diese große Flamme schauen, sonst kommen wir um!“ Und der HERR sprach zu Mose: „Sie haben Recht gesprochen. ICH werde ihnen einen Propheten wie dich geben – Er wird einer von ihnen sein. ICH werde ihm MEINE Worte in den Mund legen, und er wird ihnen alles verkünden, was immer ICH ihm zu verkünden gebiete.`
Damit ist eigentlich alles klar … Die interessante Frage ist, wann wird es geschehen, und wie werden wir diesen Menschen erkennen? Schließlich wird er einer von uns sein. Und der HERR wird nicht vom HIMMEL aus sprechen, sondern durch IHN. Das ist der Mensch, der das WORT des HERRN verkünden wird, das ER, der HERR, zu verkünden gebietet … Nicht das, was wir hören und sehen wollen, sondern was ER uns verkünden will! Und wie sollen wir IHN erkennen? Nur ein reines Herz sieht das Vertraute ….
Und so wird das NEUE, das ganz NEUE und einfache, das GÖTTLICHE, offenbart werden! Der Weg der inneren Reinheit und LIEBE. Aber wir sind es gewohnt, den Weg dorthin zu suchen, wo wir hin wollen, und nicht dorthin, wo der ALLMÄCHTIGE uns hinführen will. Wir wollen die Befreiung vom römischen Joch, aber sind wir innerlich rein, um frei sein zu können?
Der MESSIAS hat vom HERRN den WEG der Befreiung von uns selbst, vom inneren Feind, gezeigt. Ein langer WEG, so lang wie das Ende der Zeiten …“

Ich hörte Sacharia zu, mit einem wohligen Gefühl im Inneren : Ich dachte an Großvater. Wie sehr ähnelten sich diese Ältesten! Ich spürte eine Welle herzlicher Gefühle für Sacharia, spürte etwas Väterliches in ihm, und Tränen wollten sich in meine Augen einschleichen. Aber ich habe mich zurückgehalten und die Nase geschnieft.
Mein Zustand blieb nicht unbemerkt. Sacharia stand auf, kam auf mich zu und wir umarmten uns. Tränen tropften auf die Schultern des Ältesten … Wie groß ist der HERR! Wie groß ist sein WILLE! Wie wundervoll diese zaghaften Versuche, Liebe zuzulassen.
– „Ich danke dir, Sacharia, für dein freundliches Herz. Ich habe meinen Großvater und Vater wiedergetroffen …“
– „So soll es sein. Ehre sei GOTT. Die Welt ist voller LICHT. Wenn du es siehst und lebst, dann ist das die Auferstehung von den Toten.“ – Der alte Mann schwieg und blickte ins Leere: „Wahrlich. Wenn du deinen Nächsten liebst, den du ja kennst, wozu dann über die Liebe zu GOTT sprechen, den du nicht kennst …

Euseus, man sagt, dass du auch Dämonen austreibst.“ – Sacharia richtete seinen lächelnden Blick auf mich.
– „Ja“, nickte ich, „Johannes hat es mir beigebracht. Aber hier in der Gemeinde kann ich das nicht praktisch zeigen – hier gibt es niemanden, den der Teufel als sein Zuhause wählen würde. Und es ist kein großes Verdienst, einen Dämon auszutreiben – es geschieht ja nicht aus eigener Kraft
– „Ja, durch die Kraft des Lichts. Aber dazu bedarf es des GLAUBENS.“
– „Auch das hat Großvater mich gelehrt.“
– „Glauben kann man nicht lehren, mein Sohn. Du kommst nur aus eigener Kraft dazu, durch deine eigenen Anstrengungen, indem du dein Herz reinigst. Und dann wirst du das KÖNIGREICH sehen …
Es gibt hier einen Jungen, der irgendwo einen Dämon erwischt hat – oder der Dämon ihn. Wirst du mir helfen, wenn du Zeit hast? Ich kann das schon nicht mehr, es ist nicht mehr viel Lebenskraft übrig.“
Ich nickte:
– „Ich freue mich, dir behilflich sein zu können, Sacharia. Es ist schon lange her, dass ich das gemacht habe, über einen Monat – damit ich nicht aus der Übung komme.“

– „Sag mir, Euseus, was hat Johannes über neue Leben gesagt? Wird ein Mensch wiedergeboren? Haben die Jünger RABBI danach gefragt?“
– „Ja, der RABBI sagte, es gibt ein solches Gesetz. Von der Reinheit des Herzens hängt es ab, welche Kleidung du in deinem neuen Leben bekommen kannst. Aber die Jünger konnten IHN nicht weiter befragen, um dieses Gesetz zu verstehen …“
– „Ich danke dir, mein Sohn, dass du diese Botschaft mitgebracht hast. Ich war in meiner Jugend ein Schüler von Philo von Alexandria – Verneigung und Dank dem großen Weisen. Philo hat mir viel gegeben: seine Erfahrung, seine Nachforschungen in den Überlieferungen der Vorväter, in der mündlichen TORA. Schon früh, vielleicht im Alter von zwölf Jahren oder sogar noch früher, stellte sich mir die Frage: Kann das Göttliche im Menschen den Tod erfahren? Wenn der VATER uns nach SEINEM Ebenbild erschaffen hat, kann es dann eine Macht geben, die das Leben dieses Ebenbildes beenden kann?“
– „Sacharia, Verehrter, Weiser und Schüler eines Weisen, teile mit uns das, was du gelernt hast! Hältst du es für möglich, dass ein Mensch aufgrund seiner Unreinheit zum Beispiel die „Kleidung“ eines Schweins oder eines Schakals erhält?“ – stellte ich eine Frage aus meiner Kindheit.
– „Das kann er nicht, mein Sohn. Aber das ist meine Meinung. Die tierische Seele ist eine Sache, die menschliche Seele eine andere. Die menschliche Seele braucht menschliche Kleidung. Philo glaubte jedoch, dass die Seele auch in einem Tier verkörpert sein könne, zum Beispiel in einer Schlange oder in einem Stein, wenn sie eine besonders harte Strafe verdiente.“
– „Warum wissen wir nicht, als wer wir in der Vergangenheit geboren wurden?“
– „Alles geschieht nach dem Willen des ALLERHÖCHSTEN. Wenn wir dieses Wissen benötigten, würde der VATER es uns geben. Ich denke, es ist der WILLE des ALLERHÖCHSTEN, dass wir ein neues Leben ganz von vorne leben sollen. Aber durch Fühlen, Nachdenken und Beobachten können wir viel über uns selbst erfahren … Und das Unbekannte unserer Vergangenheit, die Taten der Vergangenheit führen uns wiederum dahin, das nicht Bearbeitete zu bearbeiten. Das ist die Antwort auf die uralte Frage: Warum leiden rechtschaffene Thora-Gläubige, müssen Entbehrungen und Mühsal erleiden? Diese Leiden sind die Folgen von Sünden, die in einem früheren Leben begangen wurden.“
– „Eine Seele, die etwas Unwürdiges aus der Vergangenheit korrigiert, muss demnach in diesem Leben die gleiche Prüfung durchmachen, nur dass sie dieses Mal richtig, im Sinne des GÖTTLICHEN, handelt, damit das Leben lichtvoller wird“, überlegte ich laut.
– „Ja, mein Lieber, ich stimme dir zu; ich sehe das auch so. Und die Seele wird uns sagen, wie wir im jeweiligen Fall das Richtige tun können. GOTT spricht durch sie. Und wir sollten auf die Seele hören und ihre Hinweise nicht außer Acht lassen.“
– „Vielen Dank, Sacharia. Und was wird das Ergebnis sein? Wenn die Seele gereinigt und vom Licht des VATERS erfüllt ist, was dann? Auferstehung?“
– „Die Seele mit LICHT, mit Liebe zu füllen – ja, das ist die Wiederauferstehung zum wahren Leben. Es gibt dazu zwei grundlegende Überlegungen der Weisen, der Philosophen der TORA, und nicht nur der TORA … Mein Meister Philo war sowohl ein Weiser als auch ein Mystiker. Hast du von den Mystikern der Merkaba, der Bewegung der „Thronwagen“, gehört?“
Ich schüttelte den Kopf.
Sacharia fuhr fort:
– „Die jüdischen Rabbiner brachten aus der babylonischen Gefangenschaft ein System von Ritualen mit, mithilfe derer man göttliche Visionen empfangen konnte. Ich habe dieses Ritual nie praktiziert. Aber Philo beherrschte es. Das ist eine geheime Schule, über die man unter Priestern üblicherweise nicht spricht, die aber bis heute Verwendung findet, auch in der Schule der Propheten. Es ist ein Zustand, der durch Fasten, Reinigungen, und durch viele Stunden des Gebets unter Anrufung des Namens GOTTES erreicht wird. Und man gerät in eine Ekstase der mystischen Gemeinschaft mit der HÖHEREN Welt, bis zum dritten Himmel oder höher. Man sieht göttliche Wesen, Engel, kommuniziert mit ihnen. Philo sagte, er sei in den fünften und sechsten Himmel aufgenommen worden. Er glaubte, dass die direkte Kommunikation mit GOTT und schließlich die Vereinigung, die Verschmelzung mit IHM das Ziel des Lebens sei. Und der Gang der Seele durch die Kette der Wiedergeburten ist der Weg der Befreiung aus dem leiblichen Gefängnis und der Rückkehr in die höhere Welt, die Heimat …
Ich, mein Sohn, teile diese Ansicht nicht. Vor allem, nachdem ich den GESALBTEN kennengelernt und den von IHM gebrachten Weg angenommen habe. Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass sich das REICH GOTTES nicht DORT, sondern hier auf der ERDE zeigen wird ….
Ich denke so: Die Rückkehr ins körperliche Leben, die Reihe von Inkarnationen ist eine Periode der Vervollkommnung, der Reinigung der Seele. Wenn die Seele rein ist, erfüllt von GOTTES LICHT, dann ist es möglich, einen ewigen, vollkommenen, vergeistigten Körper zu bekommen. Das wird die letztendliche Auferstehung von den Toten sein. Alles nach dem WILLEN GOTTES!

Also, mein Sohn. Wir haben heute miteinander gesprochem, haben ein Lieblingsthema meiner Jugend angesprochen. Ich komme seit Jahren immer wieder auf diese Fragen zurück … Ich denke, wir beenden unsere Betrachtungen für heute. In bedeutungsvollen Betrachtungen kommen bedeutungsvolle Fragen auf. Aber es ist nicht einfach, über das unergründliche Große zu argumentieren, wenn man noch nicht gelernt hat zu lieben,“ – lächelte Sacharia. – „Und ich bin heute etwas müde.“
– „Ich danke dir, du Weiser“, lächelte ich. – „Großvater Johannes beendete sein Gespräch mit mir auf ähnliche Weise.“
– „Weise Großväter, die hundert Jahre alt werden, sind alle irgendwie gleich“, sagte Sacharia abschließend.

1  Das fünfte Buch der Tora

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 8

Die sechs oder sieben Tage der Reise (wir gingen lange) bis zur gesuchten Gemeinde waren Tage des Zusammenhalts und des näheren Kennenlernens untereinander innerhalb unserer Gemeinschaft.
Uns allen war klar, dass es unwahrscheinlich war, dass Nasir und Junia jemals wieder getrennte Wege gehen würden; die Reise hatte sie zu einer Familie gemacht. Und unsere Freundschaft unter Männern entwickelte sich zu einer brüderlichen Verwandtschaft, in der dem Nächsten nur das Beste angeboten wurde.

Nathan und Adonia brachten ihre Selbstlosigkeit zum Wohle des Nächsten in die Gruppe von Freunden ein. Sie gaben ihr Essen an Andere weiter, wenn es denen nicht reichte, während sie selbst gesättigt und zufrieden blieben – obwohl sie nach bisherigem Verständnis zum Erhalt ihrer Körpergröße große Mengen an Nahrung benötigt hätten. Sie hatten nachts Dienst am Feuer, wechselten sich untereinander ab – ein kurzes Nickerchen reichte ihnen. Die Brüder brachten auch eine vibrierende körperliche Kraft mit – sie strömte aus ihnen heraus zum Wohle aller, als ob sie nie versiegen könne.

Lukas war an der Seite der Brüder sichtlich stärker geworden und hatte es sogar gewagt, in den Pausen gegen Adonia zu kämpfen. Adonia brachte Lukas geduldig das Ringen und die Griffe bei. Die Brüder waren als Kinder von ihrem Vater im Ringen unterrichtet worden, der wiederum von seinem hellenischen Freund die Techniken des griechischen Ringkampfs erlernt hatte.

Asana schloss schnell Freundschaft mit Junia. Sie war gutmütig, sanft, und dabei auf besondere Weise schön: schwarzes lockiges Haar, schwarze, tiefe, weit auseinanderliegende, träumerische Augen, weiße Haut, eine weibliche Figur – zarte Knochen mit ausgeprägten Hüften. Ich wusste nicht, welcher Nationalität sie angehörte – wahrscheinlich hatte sie das Blut mehrerer Nation in sich.

Alan verschlug es die Sprache in Asanas Gegenwart – sie hatte eine magische Wirkung auf ihn. Er war verliebt – wahrscheinlich unwiderruflich. Diese Liebe wird Alans unbeirrbare Einstellung gegenüber Frauen erschüttern. Er glaubte, dass er nur eine Jungfrau heiraten könne, die nicht von einem unreinen Mann verunreinigt worden war, geschweige denn von einem Mann eines anderen Glaubens, oder sogar ohne einen solchen.
Asana kam nach den turbulenten Ereignissen in ihrem Leben, die ihr sehr intensive Gefühle beschert hatten, nur allmählich zu sich, und sie bevorzugte keinen der Männer, sondern behandelte Alan wie jeden anderen – mit freundlicher Fürsorge und gleicher Aufmerksamkeit. Nur dass ich als Apostel und als derjenige, der sie von einem Ort gerettet hatte, an dem sie nicht mehr leben konnte, ein wenig mehr Aufmerksamkeit bekam. Ein Umstand, der Alan beunruhigte. Kurz gesagt, er hatte sich wirklich verliebt …

Am letzten Abend der einwöchigen Reise erreichten wir die Gabelung von drei Straßen, die nach Norden und Osten in die Berge führten. Unsere Straße war die linke. Wir entschieden uns zu gehen, obwohl ich mich an die Warnung des Fremden erinnerte, nicht in der Dunkelheit zu gehen.
Wir gingen mühelos bergauf. Es wurde schnell dunkel. Der Weg wurde immer weniger erkennbar und verlor sich manchmal im Dickicht. Kleinere Pfade tauchten auf, die den Hauptpfad kreuzten oder von ihm abzweigten.
Schließlich brach die Nacht herein und der Weg war nicht mehr sichtbar. Sterne erschienen am Himmel, der Mond war noch nicht aufgegangen. Wir hielten an, um zu beten … Wir berieten uns und beschlossen, über Nacht zu bleiben. Nathan und Adonia meldeten sich ganz selbstverständdlich freiwillig für die Nachtwache. Plötzlich raschelte es bedrohlich im nächtlichen Wald. Asana zuckte heftig zusammen. Auf der kleinen Lichtung stand etwas Weißes und ziemlich Großes. Seine Augen leuchteten wie zwei Lichter in der Dunkelheit. Es war eine riesige Katze, deren Färbung man wegen des fehlenden Mondlichts nicht erkennen konnte. Wahrscheinlich ein Luchs – Panther sollte es hier nicht geben …
Dann bemerkte ich den Hüter neben dem Luchs. Er war stämmig, breit, in Felle gekleidet, trug einen langen Bart und ein Kurzschwert am Gürtel. Eine Hand ruhte auf dem Kopf der großen Katze, die andere war mit offener Handfläche in unsere Richtung erhoben – er grüßte uns. Ich hob meine Hand, um ihn willkommen zu heißen und zu zeigen, dass ich ihn sehen konnte. Mit dieser Geste habe ich auch unsere Mannschaft beruhigt.
– „Es ist alles in Ordnung“, sagte ich laut. – „Der Hüter ist bei uns.“
Der Hüter verbeugte sich mit einem leichten Nicken und verschwand im nächtlichen Dickicht. Das Tier kam ruhig auf mich zu, stieß mit dem Kopf an mein Knie und lud mich ein, ihm zu folgen.

Nach einer Stunde wurde es heller, der Wald lichtete sich, der Sternenhimmel wurde nicht mehr durch dichte Baumkronen verdeckt.
– „Shalom“, erklang ein Gruß.
– „Shalom“, antwortete ich misstrauisch und ging auf das dichte Gebüsch zu.
Zwei Männer kamen auf uns zu. Ich sah sie, berührte sie mit meinen Sinnen, und die Spannung verschwand sofort.
– „Friede auf deinen Wegen, Apostel. Wir haben seit Tagen auf dich gewartet. Ihr seid mehr geworden. Es kam die Nachricht, dass sich ein Dritter zu euch gesellt hatte – ein flüchtiger Perser … Ihr seid schon eine große Gruppe!“
Wir verbrachten die Nacht in einem Zelt aus dunklen Fellen. Das Zelt hatte ein rechteckiges Dach und eine Feuerstelle in der Mitte. Es war warm und gemütlich. Alle schliefen ein, vertrauten dem, was geschah – wir waren sehr müde.

Der Morgen war sonnig und wir schliefen länger als sonst. Als wir das Vordach des Zeltes öffneten, sahen wir die Siedlung. Unsere Unterkunft befand sich auf einer kleinen Anhöhe. In einem gemütlichen Tal mit einem klaren Fluss und einem angelegten Teich waren vierzig bis fünfzig Häuser: größtenteils rechteckige Zelte aus dunklem Leder, die anderen Häuser aus Kalkstein. Aus den Behausungen stieg fast durchsichtiger Rauch auf – die Feuerstellen waren schon lange geschürt worden. Auf einer großen Lichtung versammelten sich die Menschen, es waren schon viele da. Sie warteten darauf, uns zu treffen.
Dieselben beiden Männer brachten uns Essen. Wir stellten fest, dass es kein Fleisch, sondern nur Fisch gab. Man bot uns an, uns mit verdünntem Wein mit Kräutern und wildem Honig aufzuwärmen: Der Winter begann und der Morgen war kühl. Wir willigten ein, obwohl es hier zu Beginn des Winters noch neun bis zehn Grad warm am Morgen ist, solange die Luft die Sonne noch nicht erwärmt hat …

Auf der Lichtung hatten sich etwa zweihundert Menschen versammelt, darunter auch Kinder verschiedenen Alters. Als wir uns der Lichtung näherten, wurden wir mit Verbeugungen, Jubel und Lächeln begrüßt.
Ein älterer, grauhaariger Mann in den Fünfzigern hob die Hand, um Ruhe zu schaffen. Er war Mitglied des Ältestenrates.
Jeder von uns Reisenden stellte sich vor und erzählte kurz etwas über sich. Der Älteste sagte, dass ich, ein Apostel Christi, der von dem ehrwürdigen Johannes in diese Gegend gesandt wurde, und meine Freunde von der Gemeinde erwartet wurden. Und er schlug vor, dass wir den Winter in der Gemeinde verbringen sollten. Ich antwortete:
– „Wir nehmen das Angebot dankend an und möchten euch zu Diensten sein.“
Der Älteste stellte die Gemeinde vor und erzählte uns von ihr. Es war eine jüdisch-christliche Gemeinde – eine Gemeinschaft von Juden, die RABBI als den GESALBTEN GOTTES (den MESSIAS) angenommen hatten. Die Gründer der Gemeinschaft waren mehr als dreißig Jahre zuvor an diese Orte gekommen, nachdem die römischen Armeen Jerusalem und das Hauptheiligtum der Juden, den Tempel in Jerusalem, zerstört hatten. Zu den Gründern gehörten ehemalige Mitglieder der Jerusalemer Gemeinde der Jünger CHRISTI (Jakobus der Gerechte, Petrus und Johannes,) sowie Jesuiten aus Jerusalem, die an das Kommen des MESSIAS geglaubt hatten. Unter ihnen war auch ein Freund Jakobs des Gerechten, ein Gesetzeslehrer, Rabbi Sacharias. Sacharias lebte noch und war fast hundert Jahre alt, und er war der Älteste im Ältestenrat.

Sie teilten ihre Besitztümer und lebten nach dem Vorbild der Gemeinschaft in Jerusalem. Es gab gemeinsame Mahlzeiten, das Abendmahl, voreinander Beichten in Versammlungen. Die Familien, aus denen die Gemeinschaft bestand, hatten ihre eigenen Haushalte. Witwen, Witwer und alleinstehende Frauen lebten in Naturfamilien. Helle Kleidung war hier gern gesehen, ganz gleich, welcher Art von Arbeit man nachging. Der Schwerpunkt lag auf der inneren und äußeren Reinheit. Dem obligatorischen Gebet (dreimal am Tag) ging eine Waschung voraus, meistens im Fluss. Vor der Waschung gab es unbedingt eine innere, individuelle Buße, d.h. eine Person betrat schon innerlich rein das lebendige Wasser und nahm die Waschung vor.

Die Gemeinschaft war eine geschlossene Einheit. Nicht jede beliebige Person konnte hierher kommen. Die Menschen wurden auf Empfehlung von christlichen Freunden eingeladen, die außerhalb der Gemeinde (in nahe gelegenen oder weit entfernten Dörfern) lebten. Selbst nach dieser Empfehlung musste man noch bis zu sechs Monate auf Probe in der Gemeinschaft leben, um Vollmitglied zu werden.
Ein junger Mann, der in der Gemeinschaft aufgewachsen war, konnte unter zwei Bedingungen in der Gemeinschaft bleiben: wenn er selbst den Wunsch hatte, zu bleiben, und wenn die Männerversammlung ihm vertraute, in der Gemeinschaft zu bleiben.
Ein Mädchen blieb aus freien Stücken und mit Zustimmung ihrer Eltern in der Gemeinschaft.
Fleisch wurde hier nicht gegessen, diese Regel bestand schon seit der Gründung der Gemeinde. Fisch wurde gern gegessen, der Fluss lieferte ausreichend.
Natürlich hatte die Gemeinschaft wichtige Werkstätten. Und es gab natürlich zu meiner und Lukas´ Freude auch eine Schmiedewerkstatt.
Die Jungen wurden hier bei der Geburt beschnitten …

Das erste Treffen in der Gemeinschaft dauerte lange. Nach den Worten des Ältesten sagte ich, dass ich eine Abschrift der Botschaft von Johannes bei mir habe, und dass ich sie zu Ende schreiben muss, bevor ich sie in die Welt hinausschicke. Und dass die Schriften von Johannes zur Verfügung stehen, solange wir in der Gemeinde sind: Sie befinden sich im Gebetshaus, wo gemeinsame Lesungen organisiert werden können.
Ich habe versucht, die Schriften von Johannes so kurz wie möglich wiederzugeben. Aber ich konnte bis zum Nachmittag nicht einmal die Hälfte von dem erzählen, was ich vorhatte. Von dem, was Großvater nicht aufgezeichnet hatte, erzählte ich seine Version einer wohlbekannten Geschichte aus dem Evangelium:

Junge Männer, Schüler der Schriftgelehrten (Lehrer des Gesetzes), kamen eines Tages zu RABBI. Sie verneigten sich vor ihm in Ehrerbietung, wie es sich gehört.
Einer von ihnen begann:
– „RABBI! Wir wissen, dass DU in der KRAFT GOTTES gekommen bist und dass die Dämonen vor DEINER KRAFT fliehen …“
– „Nun“, lächelte der LEHRER, „und wie kann ICH helfen? Aus wem kann ICH einen Dämon austreiben?“
– „Das ist nicht der Grund, warum wir heute hier sind, LEHRER. Hilf bitte herauszufinden, ob es erlaubt ist, Steuern an Cäsar zu zahlen? Was meinst DU dazu?“
– „Das ist nichts für MICH“, fuhr RABBI fort und lächelte die jungen Männer an.
– „Man sagte uns, dass DU alle Antworten weißt.“
– „Das war ein Scherz. Alle Antworten hat nur der HERR“, sagte ER und fragte dann: – Wer hat einen Dinar?
Einer der Jungen nahm eine Münze aus der Tasche und reichte sie dem LEHRER.
– „Versucht selbst es herauszufinden …“, lächelte ER. – „Lasst uns gemeinsam raten. Wer ist auf der Münze abgebildet?“
– „Cäsar,“ – antworteten sie IHM.
– „Das ist richtig. Wenn es Caesar ist und nicht jemand anderes, wessen Münze ist sie dann?“
– „Cäsars“, antworteten die jungen Männer lächelnd.
– „Dann gib dem Cäsar was ihm gehört“, sagte der LEHRER. Dann lobte ER sie für ihren Scharfsinn und fuhr fort: – „Und wo ist der VATER?“
Sie zeigten zum Himmel.
– „Dann gebt IHM, was IHM gehört“, sagte RABBI und drückte SEINE Hand auf SEIN Herz …
Einer dieser jungen Männer, ein Schüler eines Schriftgelehrten, wurde an diesem Tag ein Jünger des GESALBTEN. Und er folgte dem LEHRER auf den Straßen Israels, solange RABBI auf der ERDE weilte …

Gegen Mittag beschlossen die Ältesten jedoch, das Treffen zu vertagen. Sie sagten, dass das nächste Treffen in zwei Tagen am Abend stattfinden würde und dass die Reisenden sich jetzt ausruhen müssten. Die Ältesten erinnerten daran, dass sie uns gerne für die Wintermonate aufnehmen würden und dass sich die Regeln der Gemeinde nicht ändern würden, was bedeutete, dass wir eine Probezeit haben würden, wenn auch verkürzt auf einen Monat, und erst dann vollwertige Mitglieder der Gemeinde werden könnten.

Unsere Frauen, Junia und Asana, erhielten Unterkunft in Familien, da sie noch nicht verheiratet waren. Wir Männer bekamen dasselbe Zelt, in dem wir empfangen wurden, und es wurde für fast drei Monate unser Zuhause.

Lukas und ich fanden einen Arbeitsplatz in der Schmiede, und ein Lehrling, ein zwölfjähriger Junge, wurde uns zugeteilt. Nasir, der über verschiedene Fähigkeiten verfügte, und Alan, dem alles leicht von der Hand ging, begannen in der Schreinerei. Nathan und Adonia wurden vom Rat für Arbeiten eingeteilt, die körperliche Kraft erforderten, meistens auf dem Bau.

Es war eine wunderbare Gemeinde, die den Geist der Jerusalemer Gemeinde der direkten Jünger CHRISTI bewahrte. Die Gläubigen lebten einfach, freundschaftlich, in ständiger gegenseitiger Hilfe und bemühten sich, ihren Nächsten das Beste zu geben. Sie waren dem GEIST von RABBI treu, der sagte: „Selig sind die Armen“. Sie verachteten den Erwerb von Gütern und das Streben nach weltlichen Gütern. Sie verstanden, dass „derjenige, der die Welt erkannt hat, eine Leiche gefunden hat, und dass es die Armen sind, die das Himmelreich erben.“

Hier liebten und kannten sie auswendig eine Passage aus dem heute nicht mehr existierenden aramäischen Evangelium, das die Grundlage für die griechische Fassung des Matthäus-Evangeliums bildete. Dies ist einer der beliebtesten vorkanonischen Texte in der Gemeinde:
Einer von zwei reichen Männer sagte:
– „LEHRER, was soll ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen?“
ER sagte zu ihm:
– „Mensch, erfülle das Gesetz und die Propheten.“
Er antwortete IHM:
– „Das tue ich.“
Daraufhin sagte ER zu ihm:
– „Geh hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und dann komm und folge MIR nach.“
Der reiche Mann aber begann sich am Kopf zu kratzen, diese Worte gefielen ihm nicht. Und der HERR sprach:
– „Wie kannst du sagen, dass du das Gesetz erfüllt hat? Denn es steht im Gesetz geschrieben: ´Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Und sieh, viele deiner Brüder, die Söhne Abrahams, sind verdreckt und verhungern, aber dein Haus ist voll von guten Dingen, und nichts davon geht an sie!´“
Und ER wandte sich an Simon (Petrus), seinen Jünger, der neben IHM saß, und sagte:
– „Simon, Sohn des Jona, es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das HIMMELREICH kommt.“

In dieser Gemeinschaft zerbrachen sie sich sowieso nicht den Kopf darüber, ob sie den Reichtum mit ihren Nachbarn teilen sollten oder nicht, sie wollten ihn einfach nicht haben, sie teilten untereinander und gaben das Beste gern ab, denn sie wussten, dass die Armen das Reich ererben und der Reiche niemals hineingehen wird – dafür muss er nun mal arm werden.

Einige der jetzt Inkarnierten könnten möglicherweise sagen, dass diese Gemeinschaft der „Habenichtse“ nicht die Versuchungen des Wohlstands und die Gelegenheiten zur Befriedigung der ständig wachsenden lebenswichtigen Bedürfnisse hatten – sie sollten mal in unserer Zeit als Habenichtse leben!
Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Die Menschen von damals, sage ich euch, sind jetzt inkarniert, und ich kenne sie. Und die Schule dieser Gemeinschaft ist in ihnen sichtbar. Und demjenigen, der (einem Menschen der frühen Gemeinde) vorschlägt, eine Inkarnation mit den Versuchungen der Befriedigung heutiger Wünsche zu durchleben, würde ein Mensch dieser (frühen) Gemeinschaft der „Habenichtse“ einfach antworten: „Weiche von mir, Satan“.1

1  Der in Klammern stehende Text wurde zum besseren Verständnis vom Übersetzer hinzugefügt

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 7

Ich wachte am späten Morgen auf, mein Kopf schmerzte noch immer. Junia hatte den Verband gewechselt und verkleinert, aber die tiefe Wunde mit der Delle im Knochen über meiner rechten Augenbraue blutete immer noch. Bald würde sich die Wunde in eine breite Narbe verwandeln, die mit ihrem Muster und ihrer Farbe lange die Aufmerksamkeit der Nächsten auf sich ziehen würde. Eine Erinnerung für die Ewigkeit. Selbst in meinem jetzigen Leben kratze ich mich aus Gewohnheit an der Stirn über der rechten Augenbraue, wo die alte Narbe war, obwohl meine jetzige Stirn noch glatt ist und selten juckt …

An diesem Morgen kam der Sohn des Priesters, Aaron, zu mir, kniete nieder und verneigte sich.
– „Ehrenwerter Prophet, nimm die Reue für die Taten meines Vaters an. Seit gestern sehe ich die Welt nicht mehr mit den Augen meines Vaters … Und ich muss dafür büßen, was er getan hat. GOTTES Fluch wird auf meine Familie fallen, wenn ich es nicht tue.“
Ich hob den jungen Mann von den Knien auf:
– „Warum glaubst du das?“
– „Ich habe gestern das LICHT und die KRAFT gesehen! Und diese KRAFT ist nicht bei meinem Vater. Ich beschloss, ihn zu verlassen. Ich möchte dich bitten, mich mit dir zu nehmen, damit ich ihn durch meinen Dienst erlösen kann … Aber heute Nacht hatte ich einen Traum, er war wie eine Realität. Zwei Älteste oder Engel sind mir erschienen. Sie waren so hell wie du. Der Älteste sagte: ´Sühnen – das bedeutet nicht, die Heimat zu verlassen, sondern die Wege des HERRN zu gehen da, wo man geboren wurde.´ Er sagte, ich solle um deinen Segen bitten … Segne mich, Prophet, und gib mir KRAFT! Ich muss meinen Vater durch Taten im Geist des NEUEN Gesetzes vom Kommen des MESSIAS überzeugen – und dir auf dem Rückweg mit einer rechtschaffenen Gemeinde begegnen!
Ich segnete den jungen Mann durch Handauflegen. Ich habe ihn umarmt. Tränen flossen aus seinen Augen und ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Ein verwandtes Herz! Ich bat Lukas, Aaron das Gebet und die Evangelien aus unseren Beständen zu geben. In der vorherigen Stadt-Gemeinde wurden die Bücher der FROHEN BOTSCHAFT für unvorhergesehene Ereignisse auf unserem Weg abgeschrieben. Es gab keinen Zweifel – diese Evangelien waren für Aaron bestimmt. Er war damals sechzehn Jahre alt.

Die beiden Brüder kamen mit leichtem Schnupfen auf mich zu und knieten nieder. „Die Woge dieser Aktion hat mich ein wenig erschüttert.“ sagte Nathan:
– „Segne auch uns, Meister! Wir haben keinen Zweifel, dass du ein Apostel des GESALBTEN, des MESSIAS, bist.“ – Adonia nickte zustimmend. – „Nach dem, was gestern geschehen ist, können wir dich nicht allein lassen. Wir werden mit euch kommen, weise uns nicht ab. Träume wie den von Aaron haben wir nicht gesehen. Wir haben hier nichts weiter zu tun … Wir verabschieden uns nur von meinem Vater, wenn wir das Dorf verlassen.“
Nach dem Segen umarmten wir uns gegenseitig, wobei Adonia den jungen Aaron in seine Arme zog. Unsere gesamte Gruppe, zusammen mit der Gastgeberin und ihren Kindern, nahm am Sakrament teil …
Wir konnten uns erst am Nachmittag auf den Weg machen, und Aaron hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Gebet gelernt.

Der Pfarrer wartete am Morgen draußen geduldig auf seinen Sohn.
– „Friede sei mit dir und deinem Haus, Priester!“ – habe ich ihn angesprochen. – „Dein Sohn wollte mit uns gehen, es wäre schwer für dich, das zu ertragen ... Er bleibt hier, aber nicht bei dir – sondern bei GOTT. Sein Herz ist rein, er bleibt zurück mit der KRAFT, mit der wir hergekommen sind. Die KRAFT des Glaubens ist mit ihm… Es ist an dir, deinem Sohn etwas durch deine Taten zurückzugeben. Wenn du willst hilf ihm, eine Kirche GOTTES aufzubauen. Aber nicht er für dich, sondern du für ihn! Und auf dem Rückweg, wenn es der Wille des ALLERHÖCHSTEN ist, werden wir zu euch kommen.

Das Haus der Brüder lag am anderen Ende des Dorfes. Sie gingen hinein, um sich von ihrem Vater zu verabschieden. Nach dem gestrigen Ereignis war ihr Vater ein Held geworden. Jeder im Dorf wusste bereits, dass seine Söhne dem Priester und dem Satan selbst getrotzt hatten, indem sie seiner Provokation entgegentraten.
Der Vater kam heraus, um uns auf unserem Weg zu GOTT zu segnen; er hielt die Hand eines schwarzhaarigen Mädchens von sechs oder sieben Jahren. Ihm standen die Tränen in den Augen – seine Söhne waren erwachsen geworden, gingen fort, um JEHOVA auf ihre Weise zu dienen, und er würde sie wahrscheinlich nie wiedersehen …
Nathan war zwanzig Jahre alt, Adonia achtzehn. Unterwegs erzählten sie von sich. Nathan erzählte es uns, und Adonia lächelte gutmütig und sagte manchmal ja.
Die Brüder waren beschnitten, aber ihre Mutter war eine Phrygierin. Sie galten nicht blutsmäßig als jüdisch – denn ihre Mutter war keine Jüdin – sondern aufgrund des Rituals. Die Beschneidung der Vorhaut war ein körperliches Zeichen für den Bund mit Gott. Die Zugehörigkeit seiner Kinder als Juden wurde nicht durch den jüdischen Vater bestimmt.
Ihre Familiengeschichte führte zu Kontroversen im Dorf und zu Spannungen zwischen dem Priester und den Ältesten gegenüber dem Vater der Brüder und den Brüdern selbst.
Ihr Vater hatte sich einst in eine verwitwete phrygische Frau verliebt und nicht in das jüdische Mädchen (die Schwester des Priesters), das nach dem Heiratsantrag ihrer Eltern seine Frau werden sollte. Die kräftigen, mutigen und gutmütigen Brüder waren aus der beiderseitigen Liebe zwischen dem Juden und der phrygischen Frau geboren worden. Die Tatsache, dass dieser Mann die Kühnheit besaß, eine nichtjüdische Frau zur Frau zu nehmen, anstatt sie zu seiner Geliebten zu machen, rief den Zorn des Priesters hervor – und Anfälle von Eifersucht in dem nicht sehr großen Dorf. Die Phrygierin war sehr schön …
Vor sechs Jahren starb sie bei der Geburt und hinterließ ein wunderschönes Mädchen, das genau so aussah wie sie. Das Mädchen wurde von ihren Brüdern und ihrem Vater aufgezogen und erzogen. Den Vater drängte es nicht, wieder zu heiraten, obwohl die Kinder ihn dazu drängten, da es schwierig war, den Haushalt allein zu führen. Der Vater antwortete: „Meine Tochter wird bald erwachsen und eine Hausfrau sein, bis sie heiratet. Und dann werden wir sehen, ob ich dann noch lebe.“

Bis zum nächstgelegenen Dorf waren es zwei Tage und zwei Nächte. Die Nächte waren bereits kalt, und wir mussten das Feuer in Gang halten, indem wir uns am Feuer abwechselten. Wir mussten überlegen, wo wir den Winter über leben wollten. Die Vision des weisen und geheimnisvollen Fremden, der mich auf eine in den Bergen verborgene Gemeinschaft hingewiesen und mir den Weg dorthin gezeigt hatte, kam mir immer wieder in den Sinn. Ich habe seinen Rat nicht befolgt, obwohl ich es wahrscheinlich hätte tun sollen – aber dann hätten wir Aaron nicht kennengelernt und wir hätten Nathan und Adonia nicht bei uns gehabt … Und die Gemeinde, in der wir uns nützlich machen sollen – das war keine Warnung, sondern ein Ratschlag. Wir werden wohl bei der nächsten Gabelung in Richtung dieses Dorfes abbiegen. Und dann werden wir sehen – wahrscheinlich werden wir den Winter dort verbringen …

Auch waren die Momente des letzten Kampfes mit den Dämonen in meinem Kopf präsent. Ich hatte Großvater dort gesehen! Ich habe mich wohl kaum geirrt. Ist es möglich, Großvater nicht zu erkennen?! Aber wenn es Großvater war, wie konnte er dann in meiner Nähe erscheinen, wo er doch in der Welt des VATERS sein müsste? Diese Frage erschütterte meine bereits gefestigte Einstellung bezüglich des Verlassens des Körpers. Vielleicht war es Zauberei und ich wurde von Satan geprüft? Warum sollte er das tun? Mir Großvater zeigen, wozu? Der Dämon sagte auch, dass ich nicht allein in der Macht des Höchsten war, als ich ihn austrieb. Vielleicht meinte er meine Freunde? Oder hat er mich in die Irre geführt? Scherzbold! Warum?! Ich hatte noch keine Antwort auf diese Frage gefunden, sie drehte sich nur wieder und wieder in meinem Kopf, und so beschloss ich, sie beiseite zu legen – die Zeit würde kommen, und die Antwort würde erscheinen…

Wir kamen in ein hellenisches Dorf. Hier gab es keine jüdische Diaspora, sondern nur ein paar jüdische Familien. Nach den hitzigen Ereignissen der letzten Zeit hat diese Nachricht die Spannung, die sich im Inneren aufgebaut hatte, etwas gemildert. Und wir konnten nun verstehen – die BOTSCHAFT vom SOHN GOTTES den Heiden zu bringen, zu denen ich von Geburt an gehörte, war etwas ganz anderes (die Spuren in meinem Gesicht) als die BOTSCHAFT vom Kommen des MESSIAS unter das auserwählte Volk zu bringen, das eifersüchtig seinen Glauben bewahrte auf der Grundlage von 613 Geboten, die einem damals noch kleinen Volk vom ALLERHÖCHSTEN direkt durch MOSE gegeben wurden, zumal in den SCHRIFTEN der TORA (Pentateuch) nirgends ein Zeichen für das Kommen des MESSIAS erwähnt wurde.
Und man kann den Erfolg verstehen, den der Apostel Paulus, ein gebildeter Jude, ein Absolvent der jüdischen Prophetenschule, beim Überbringen der BOTSCHAFT zu den Heiden hatte, und dass die Apostel Petrus und Johannes, die vor kurzem noch Fischer waren, Schwierigkeiten hatten, die BOTSCHAFT den Juden zu überbringen, wo es sehr schwierig war, das Kommen des erwarteten MESSIAS zu verkünden ohne geschlagen zu werden.
Großvater sagte, dass er, als er jünger war, immer vor den Juden davonlief, besonders wenn Pharisäer oder Schriftgelehrte unter ihnen waren …

Für die Freunde der gegenwärtigen Inkarnation sollte ich vielleicht klarstellen, was sich hinter diesen oft wiederholten Begriffen verbirgt.
Die Pharisäer waren eine Art Revolutionäre der frühen Zeiten der Religion des jüdischen Volkes, die später „Judentum“ genannt wurde. Sie gingen vom Geist des Gesetzes aus und befolgten nicht nur die SCHRIFTLICHE TORA (die mosaischen Gesetze, Pentateuch), sondern auch die MÜNDLICHE TORA, die mündlichen Überlieferungen seit MOSE, alles, was der ALLERHÖCHSTE MOSE gelehrt hatte, was aber nicht aufgeschrieben worden war. Die Pharisäer glaubten an die Unsterblichkeit der Seele, an die Auferstehung von den Toten, und einige von ihnen fanden eine Bestätigung der Präexistenz der Seele in der MÜNDLICHEN TORA.
Im Ersten Jahrhundert gab es nicht sehr viele Pharisäer, sie genossen aber den Respekt des Volkes. Wie die Priester waren sie Verfechter der rituellen Reinheit – alle Juden sollten wie Priester sein. Das stellte eine Überforderung dar hinsichtlich des Anspruchs zur Einhaltung der rituellen Aspekte des Glaubens. Unter den Gesetzeslehrern befanden sich oftmals Pharisäer, die die Gesetze des MOSE (die SCHRIFTLICHE und MÜNDLICHE TORA) eingehend studierten und sich mit ihrer Auslegung befassten.

Die Sadduzäer hingegen, die Priester des Tempels, waren eine sehr konservative religiöse Partei von Hohepriestern und einflussreichen Ältesten, von wohlhabenden, angesehenen Juden, die dem höchsten religiösen Organ, dem Jerusalemer Rat (Sanhedrin), angehörten. Die Sadduzäer waren Hüter des Buchstabens des Gesetzes, lagen in Fehde mit den Pharisäern, anerkannten nicht die MÜNDLICHE TORA, der Auferstehung der Toten, Engel oder der Unsterblichkeit der Seele. Sie versuchten, sich der mächtigen kaiserlichen Autorität anzupassen, wie auch jede andere herrschende Religion in der Geschichte. So erlaubten die Hohepriester den jüdischen Jungen und jungen Männern, gegen das Nacktheitsverbot zu verstoßen – sie durften sich in den Gymnastikstunden der griechischen Schulen entkleiden. Das heißt, die Hohepriester duldeten Verstöße gegen das mündliche Gesetz des Mose, aber niemand verurteilte sie zur Steinigung, weil sie selbst Teil dieses Gerichts waren – des Sanhedrins …
Und eine Synagoge war einfach eine Versammlung von Gläubigen oder ein besonderes Gebetshaus in der Diaspora.

In dem Dorf, in das wir kamen, gab es kein jüdisches Gebetshaus (es gab nur sehr wenige Juden im Dorf), was bedeutet, dass es auch keine Sadduzäer oder Pharisäer gab.
Während des abendlichen Treffens mit den Dorfbewohnern erzählte ich eine Geschichte aus Großvaters Aufzeichnungen, aus der wir auch die Haltung des LEHRERS gegenüber einer Frau ersehen konnten, die für jene Jahre untypisch war – nicht nur für das Königreich Israel, das schon wieder zerstört und in die Sklaverei verkauft worden war, sondern auch für die gesamte griechisch-römische Welt, in der wir mit der BOTSCHAFT des GESALBTEN umherzogen.

Die Geschichte geht so: Eines Tages brachten die Pharisäer und Schriftgelehrten eine Frau zum LEHRER, während er im Tempel lehrte.
– „Meister“, meldete sich einer der Schriftgelehrten. – „Sie hat ihren Mann betrogen und wurde dabei erwischt. Mose sagt uns im Gesetz, solche Frauen sollen wir steinigen. Was sagst du dazu?“
– „Und wer von euch, meine Herren, kann den Ehebruch bezeugen?“ – fragte RABBI und begann, mit seiner Hand etwas auf den Boden zu zeichnen oder zu schreiben.
– „Wir wurden von ihrem Ehemann darüber informiert.“
– „Gab es außer ihrem Ehemann noch andere Zeugen?“ – fragte RABBI, während er langsam weiterkritzelte.
– „Das wissen wir nicht. Ihr Ehemann erzählte es uns.“
– „Habt ihr sie gefragt?“
– „Ja, sie leugnet es.“
– „Wie wollt ihr über sie urteilen, wenn ihr die Wahrheit nicht kennt? Denn einer von ihnen lügt. Und wenn es der Ehemann ist? Wie könnt ihr dann die unschuldige Frau verurteilen?“
Es gab eine Pause. Der Lehrer schrieb weiter etwas auf den Boden und betrachtete das bereits Geschriebene.
– „Was wäre, wenn der Ehemann die Wahrheit gesagt hätte und wir Zeugen des Ehebruchs gewesen wären?“ – fragte der Gesetzeshüter.
Die Pause dauerte an.
– „Wirst du uns antworten?“ – erinnerte der Gesetzeshüter.
Der LEHRER, der mit dem Schreiben fertig war, sah zu ihnen auf:
– „Derjenige unter euch, der noch nie gesündigt hat, soll der erste sein, der einen Stein auf sie wirft.“
Die Fragen endeten. Die Pharisäer sahen sich um, fanden keine Unterstützung und gingen. Die Frau wandte sich an den LEHRER. Er lächelte sie an:
– „Wenn sie die Wahrheit gesagt haben, tu es nie wieder. Wenn du deinen Mann nicht liebst und nicht mit ihm zusammenleben kannst, sag es ihm. Aber täusche ihn nicht.“
Und es stand auf der Erde geschrieben: „Richtet niemanden, und ihr werdet nicht gerichtet werden.“

Das Treffen war beendet. Ein Mädchen kam näher. Ihr Name war Asana. Tränen flossen leise aus ihren Augen:
– „Prophet, bring mich weg von hier. Ich kann hier nicht mehr leben. Ich möchte rein sein, einen Mann und Kinder haben … Das ist hier nicht möglich. Ich bin eine gute Frau. Ich werde dir und deinen Freunden dienen … Du hast bereits eine Frau. Vielleicht kannst du eine zweite gebrauchen?“
Vor kurzem sollte Asana eine Familie mit einem Jungen gründen, in den sie sich verliebt hatte. Sie wurden von ihren Vätern zusammengebracht, die befreundet waren. Ein Hochzeitstermin war vereinbart worden. Asana war auf die Annäherungsversuche ihres Geliebten eingegangen und mit ihm intim geworden.
Alles lief gut, bis ihr Bräutigam plötzlich beschloss, die Tochter eines reichen Bauern zu heiraten, der ihm eine Mitgift, ein Haus und eine große Schafherde versprach. Damit dies geschehen konnte, musste der Bräutigam seine Absage der geplanten Verbindung begründen. So erklärte er, seine Braut sei unrein und keine Jungfrau mehr. Dem Mann wurde geglaubt, und es gab niemanden, der den Vorfall regeln konnte, es gab keinen Rat im Dorf …
Und jetzt schlägt und beschimpft Asanas Vater sie, vor allem wenn er trinkt, und er trinkt viel. Die Dorfbewohner tuscheln hinter dem Rücken des Mädchens und nur wenige wagen es, sie anzusprechen …

Ich habe mir diese traurige Geschichte angehört.
– „Alles nach dem WILLEN GOTTES. Lasst uns gemeinsam weitergehen – dem HIMMEL sei dank!“
So kam Asana in unsere Gruppe. Sie war achtzehn Jahre alt.
Wir fünf Männer besuchten am Abend das Haus ihres Vaters. Wir teilten ihm mit, dass Asana für immer von zu Hause weggehe, dass wir die Verantwortung für sie übernähmen und es nicht nötig sei, nach ihr zu suchen. Ihr Vater nickte stumm – er stimmte sofort zu. Asana fand die Kraft, ihn zum Abschied zu umarmen und ihm zu danken. Er weinte, er war betrunken …

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 6

Am Morgen erzählte ich meinen Freunden von der Vision und der Warnung. Wir berieten uns und beschlossen, dessen ungeachtet in dieses Dorf zu gehen. Wir waren tagelang unterwegs gewesen, brauchten eine kleine Pause und vor allem brauchten wir Brot. Im Dorf könnten wir, nachdem wir die Situation eingeschätzt hatten, bloß um ein Bett für die Nacht bitten und uns mit unseren Händen etwas Brot verdienen …

Das Dorf wusste bereits von uns. Die Nachricht von dem Propheten, der das Jüngste GERICHT ankündigte, und von seinen Jüngern, war aus der Stadt, in der wir bei der Gründung der Gemeinschaft geholfen hatten, hierher gelangt. Das erzählte eine hellenische Frau, die uns in ihrem Haus Unterkunft gewährte. Sie war Witwe und hatte zwei Kinder im jugendlichen Alter, einen Jungen und ein Mädchen. Ihr Haus war das erste am Eingang des Dorfes. Der Haushalt war nicht reich, aber es gab Getreide im Haus. Ich bat um eine Unterkunft für zwei Nächte, sagte, wir würden bei der Hausarbeit helfen, die Kinder heilen und weiterziehen. Die Frau erzählte, in dem Dorf gäbe es eine große jüdische Diaspora, eine Synagoge, einen Priester und Älteste, die alle darauf warteten, den Propheten des Jüngsten Gerichts zu treffen.
– „Es ist unwahrscheinlich, dass du weiterziehen kannst, ohne mit ihnen zu sprechen. Alle wissen bereits, dass du bei mir wohnst.“
Nach ihren Worten spürte ich eine Beklemmung in meiner Brust.
Es war Mittagszeit. Wir zogen uns zum Gebet in verschiedene Teile des Gehöfts zurück.

Nach dem Gebet besprachen wir, was wir nun tun würden. Wir beschlossen, der Witwe im Haushalt zu helfen, auf die Kinder aufzupassen, über Nacht zu bleiben und am frühen Morgen abzureisen.
Nasir arbeitete an der häuslichen Mühle – er tauschte einen Mühlstein  aus – ein Ersatzstein wurde im Haus gefunden. Lukas und Alain haben mit Einfallsreichtum die Scheune ausgebessert. Junia half der Hausherrin bei der Zubereitung des Mittagessens und backte Fladenbrot für uns. Ich habe den Kindern den Unterleib eingerenkt und ihrer Mutter gezeigt, wie man das macht. Ich habe ihnen ein kurzes Gebet beigebracht – und ihnen einfache Geheimnisse aufgezeigt, was man tun muss, um nicht krank zu werden. Ich habe die Kinder gebeten, mir diese Geheimnisse zu wiederholen, sich daran zu erinnern und sie mit ihren Freunden zu teilen.

Als die Sonne gerade hinter dem Berg verschwunden war, kam ein lächelnder junger Mann ins Haus. Er war der Sohn eines Priesters.
– „Ehrwürdiger Prophet! Alle haben sich bereits in der Synagoge versammelt und warten auf Sie. Ich werde Sie begleiten und Sie bei Ihren Anliegen unterstützen.“
Wir beschlossen, alle zusammen zu gehen, Junia mit uns. Die Hausherrin blieb zu Hause, um das Essen für unsere Reise vorzubereiten. Der Platz vor der Synagoge war mit Menschen gefüllt. Die Ältesten saßen auf einer Holzbank, der Priester stand neben ihnen. Gegenseitiges Begrüßen und sich Bekanntmachen.
Ich hatte einen Platz neben dem Priester und den Ältesten. Hinter mir befand sich die Synagoge und ein schmaler Gang. Vor mir befand sich ein Halbkreis von Menschen. Lukas, Alan, Nasir und Junia saßen in der ersten Reihe unter den Einheimischen, meist Juden. Ich hatte noch keine Erfahrung mit denen, die seit Jahrhunderten in Erwartung des MESSIAS lebten.

Ich begann zu sprechen, stellte mich und meine Freunde vor und sagte ihnen, wohin wir gehen und warum. Ich erzählte von meinem Lehrer, Johannes dem Juden, der ein langes Leben geführt hatte und einer der engsten Jünger DESJENIGEN war, den viele Menschen in Judäa und noch mehr in den heidnischen Ländern für den MESSIAS, den GESALBTEN GOTTES, hielten.
Ich berührte auch ein Thema, das ich in solchen Treffen am meisten liebte – den davidischen Zweig des RABBI. Das Umfeld des alten Gesetzes und der Propheten verlangte Beweise. Ich zeigte die Abstammung des MENSCHENSOHNS auf.
Dann begann ich, von den Wundern und Heilungen zu erzählen, die RABBI vollbracht hatte. Mittendrin sprach ich von den neuen Geboten, die der HERR durch SEINEN SOHN gegeben hat. Ich habe sie nicht mit dem ALTEN Gesetz verglichen, sondern einfach über das NEUE gesprochen. Ich bemerkte an den besonderen Erscheinungen, dass sich ein Dämon in der Menge befand.

Die Leute hörten aufmerksam zu und nickten manchmal mit dem Kopf. Nach dem Satz „Liebt die, die euch hassen, und ihr werdet keine Feinde haben“ hob der Priester die Hand und bat ums Wort.
– „Ich habe gehört, dass der RABBI die aussätzigen, besessenen Opfer berührte und danach keine Reinigung durchgeführt hat. Wie konnte ein beschnittener Mann aus dem Zweig Davids, der von Geburt an einen Bund mit dem GOTT Israels geschlossen hatte, das ALTE Gesetz nicht erfüllen?“
Die Menge unterstützte die Frage des Priesters mit einem gemischten Gemurmel.
– „Das bedeutet, dass der GESANDTE so rein ist, dass ER kein Ritual braucht. Er ist derjenige, der den NEUEN Bund und neue Gebote bringt, die von demjenigen, der sie erfüllt, eine größere Reinheit des Herzens verlangen. Er bringt die NEUEN Gesetze vom VATER.
– „Steht in der Tora, dass jemand die Gebote und Gesetze, die Moses vom ALLMÄCHTIGEN gegeben wurden, ändern kann?“ – fuhr der Priester fort.
– „Alles geschieht nach dem Willen des ALLERHÖCHSTEN. Im ALTEN Gesetz (Deuteronomium) gibt es direkte Worte des HERRN an Moses, die besagen, dass ER den Menschen einen Propheten ähnlich wie Mose geben würde, ihm SEINE Worte in den Mund legen würde und den Menschen verkünden würde, was immer der HERR verkünden möchte. Was der HERR zu verkünden hat, nicht aber wir beide, Herr Pfarrer!“ – antwortete ich. Diese Worte wurden von den Zuhörern mit einem zustimmenden Raunen bedacht.

– „Sag mir, Prophet, welcher der Propheten oder angesehenen Schriftgelehrten hat von Jeschua als dem GESALBTEN GOTTES Zeugnis abgelegt?“ – fragte der Priester, der sichtlich erregt war.
– „Johannes, der Prophet, der die Juden im Jordan taufte, bezeugte die Herabkunft des HEILIGEN GEISTES auf den SOHN GOTTES und nannte IHN den Größten unter den Propheten“, antwortete ich, und auch ich begann, mir Sorgen zu machen: Ich war besorgt über die Richtung des Treffens.
– „Die Mehrheit des Sanhedrin1 erkannte Johannes nicht als Prophet GOTTES an; seine Bewegung wurde als Sekte bezeichnet, die die Tora auslegt“, sagte der Priester feierlich.
– „Und was ist der Sanhedrin? Braucht ein wahrer Jude überhaupt eine Vermittlung oder Fürsprache bei GOTT? Jeder Jude hat seine eigene persönliche Verantwortung gegenüber dem ALLERHÖCHSTEN, direkt, ohne Vermittler. Ein Jude schließt einen persönlichen Bund mit dem GOTT Israels! Kann es solche vermittelnden Juden im Sanhedrin geben, die die Stimme GOTTES besser hören als jeder andere, um über das Schicksal anderer Juden zu entscheiden?!“ – Ich habe laut gesprochen, damit mich alle hören konnten. – „Und braucht der GESALBTE, der vom HERRN auserwählt ist, überhaupt ein Zeugnis über sich selbst? SEIN Leben, was ER vollbringt, ist ein Zeugnis über IHN selbst! Und reine, offene Herzen sind berufen, das zu sehen!“

Der von einem Dämon besessene Mann begann stärker zu zittern, obwohl er nicht in meiner Nähe war.
– „Wenn ER der Messias ist, warum hat ER den Tempel in Jerusalem nicht wieder aufgebaut? Wenn ER aus dem Geschlecht Davids ist, warum hat ER uns dann nicht vom römischen Joch befreit und Israel wiedervereinigt?“ – fragte einer der Ältesten lautstark.
– „Und warum sollte der GESALBTE das tun, was ihr wollt, was aber nicht in der Tora steht?“ – habe ich gefragt, aber offenbar vergeblich. Der Priester wurde rot im Gesicht.
– „Sind Sie ein beschnittener Prophet, der solche Dinge sagt?“ – rief der Priester. – „Haben Sie das Blutsiegel der Vereinigung mit dem GOTT Israels an Ihrem Körper? Ihr, die ihr über das Gesetz von Moses sprecht!“
– „Ich bin nicht beschnitten. Das Siegel meiner Vereinigung mit dem VATER ist in meinem Herzen“, sagte ich und löste damit ein undefinierbares Gemurmel aus. – „Brüder! Ich bin nicht zu euch gekommen, um etwas zu beweisen, ich bin nicht gekommen, um zu argumentieren. Ich bin gekommen, um denen, die es wollen, die Botschaft vom Heil, vom REICH GOTTES zu verkünden. Ihr habt mich gerufen, um euch von GOTT zu erzählen. Wenn euch das reicht und ihr meine Reden nicht mögt, dann ziehen wir weiter …“
– „Sprich, sprich! Wir wollen dich hören … Geh, du Unbeschnittener, der Satan hat dich zu uns gesandt …“ Aus der Menge kamen unterschiedliche Äußerungen.
– „Zeigt uns ein Wunder, dann werden wir euch glauben“, rief eine betrunkene Stimme. Die Zuschauer feuerten ihn mit zustimmendem Gemurmel an.

Der Priester, der seine Wut zurückhielt, forderte mich mit einer wortgewandten Geste auf, das Angebot des Volkes anzunehmen.
– „Gut“, nickte ich und zeigte auf den Besessenen, der schon seit einiger Zeit grunzte. – „Helft ihm, zu mir zu kommen.“
Lukas und Alan schleppten den Mann zu mir; er hatte Schwierigkeiten zu gehen – der Dämon in ihm wehrte sich. Und der Dämon war nicht allein – ich sah zwei.
Ich legte meine Hände auf den Besessenen. Ich rief den VATER an, rief die strahlende REINHEIT SEINER MACHT herbei … Der Dämon heulte mit zwei Stimmen: die eine mit einem Grunzen, die andere mit einem Knurren. Neben uns tauchte Großvater wie ein Blitz auf. Ich war überrascht und erfreut. Und ich dachte: „Er hat sich gezeigt“.
Der Mann krümmte sich in Lukas´ und Alans starken Armen, und die Jungs verhinderten, dass er zu Boden fiel. Ein Dämon grunzte: „Oh, die Macht greift an! Erbarme dich, Prophet!“ Ein anderer, gesprächigerer, knurrte mit einem Zischen: „Er ist nicht der einzige, Jünger Christi, ich brenne vor dem starken Gebet … Ich kann das jetzt nicht mehr verkraften … Ich ersticke … Beelzebub, hilf mir!“
Die beiden Dämonen flogen aus dem betäubten Mann heraus und stürzten sich in die Menge – keine Gelegenheit für ein feuriges Kreuz in diesem Durcheinander.2

Ich bemerkte, dass der Sohn des Pfarrers, der die Szene mit offenem Mund beobachtete, sich über den Sieg des Lichts freute. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf: ein reines Herz.
Die Menge jubelte begeistert, als sie sah, dass ihr Mitbewohner nicht mehr strampelte und sich wand, nicht mehr knurrte oder stöhnte.
Der Mann hob seine Hände in den Himmel, kniete dann vor mir nieder und versuchte, meine Füße zu küssen. Ich sprang zurück, und noch einmal, dann hielt ich inne (von außen hätte es vielleicht ungewöhnlich ausgesehen – ein springender Prophet) und akzeptierte das Unvermeidliche.

Der Priester war voller Anspannung, wandte sich an die Ältesten und das Volk und deutete auf mich:
– „Er tut dies durch die Macht des Beelzebub. Der Dämon hat den Namen der Macht allen offenbart. Und eine zweite schreckliche Sünde liegt auf ihm – er verdreht die Tora!“
Es ging ein Raunen durch die Menge. Jemand rief:
– „Er heilte Jakob, der immer krank war. Der Priester konnte es nicht, aber er tat es. Er ist ein Mann GOTTES!“ – Die Menge wurde immer aufgeregter und stachelte sich selbst an. Ein Schwarm von Krähen, die ebenfalls aufgeregt krächzten, kreiste immer tiefer über uns …
Eine betrunkene Stimme rief:
– „Er ist der Beelzebub! Schau, hinter ihm brennt ein Feuer!“
Eine andere, kaum weniger nüchterne Stimme verkündete:
– „Eine junge Sünderin ist bei ihm, sie missbrauchen sie … Und er hat Silber aus einem entfernten Dorf gestohlen.
– „Bewacht eure Häuser! Und schlagt sie und nehmt ihnen ihr Silber weg!“ – gab es einen weiteren Anruf.
Die Wut ließ den Priester nicht los. Er hob die Hand mit dem Stein über seinen Kopf … und erstarrte in dieser Position, seine Augen weiteten sich.
Eine vertraute betrunkene Stimme schrie:
– „Schlagt sie! Mit Stöcken! Mit Steinen!“
Die Menge begann sich auf mich zuzubewegen. Meine Freunde liefen auf mich zu und stellten sich neben mich. Ich habe Junia mit mir abgeschirmt. Nasir stand hinter mir und deckte Junia und mir den Rücken.
Über unseren Köpfen kreiste aufgeregt ein Schwarm von Krähen. Einer der großen Vögel schlug mit den Flügeln aus der Hand des Priesters den Stein, den er nicht geworfen hatte. Der verängstigte Priester duckte sich und bedeckte seinen Kopf mit seinen Händen. Ein anderer Vogel versuchte, auf dem Kopf des betrunkenen Schreihalses zu landen und schlug ihm mit den Flügeln auf Kopf und Ohren …
Der Schwarm griff unerwartet und gerade noch rechtzeitig ein; es schien, dass die Vögel absichtlich handelten – sie verwirrten die Anstifter des spontanen Aufruhrs …
Schon flogen Steine auf uns zu und trafen mich an Kopf und Brust. Die Menge drängte sich fast an uns heran und begann uns zu umzingeln. Ich habe verzweifelt ein kurzes Gebet gesprochen: „Ehre sei DIR, oh HERR! Ehre sei DIR, BARMHERZIGER!“ Ich konnte das Blut auf meinen Lippen schmecken, mein Kopf brummte, meine Stirn brannte, Blut tropfte mir in die Augen. Die Wut überflutete die Menge in einer unkontrollierbaren Welle …

Plötzlich ertönte eine donnernde, dröhnende Stimme über die Menge hinweg:
– „Priester! Halte die Menge auf! Ich werde deinen Sohn schlachten wie ein Lamm auf einem Altar!“
Ich wischte mir mit der Handfläche das Blut aus den Augen. Neben uns, Schulter an Schulter, standen zwei Hünen – ich hatte sie zu Beginn der Versammlung in einiger Entfernung von der Menge gesehen. Einer von ihnen drückte den Sohn des Priesters an seine Brust und hielt dem jungen Mann mit der freien Hand ein großes Messer an die Kehle. Der junge Mann machte keine Anstalten, sich zu wehren.
Der Priester schrie wie eine Sirene:
– „Haltet ein!“
Er rannte mit ausgestreckten Armen vor uns her, um uns vor der Menge zu schützen. Mehrere Steine trafen ihn. Das Gesicht, der Kopf und die Schultern des Priesters waren mit buntem Vogelkot bedeckt. Er sah sehr eigentümlich aus.
Unsere Gesichter waren von oben bis unten mit Blut beschmiert. Aber wir waren am Leben und auf den Beinen. Auf Junias Gesicht war kein Blut zu sehen; sie klammerte sich an Nasir. Nasir stand, bewegte sich nicht, und drückte Junia fest an sich.
– „Söhne des Johannes“, wandte sich der rabenschwarze Priester mit einem Zittern in der Stimme an die Hünen. – „Ich werde alles tun, was ihr sagt. Tut meinem Sohn nichts an, er ist der einzige, den ich habe … Der Dämon hat mich verhext!“ – fiel der Priester auf die Knie.
– „Was machst du da, Priester?!“ – sprach einer der Brüder, der den Sohn des Priesters festhielt. Der andere beobachtete ruhig und sicher das Geschehen, aber es war offensichtlich, dass er unvorsichtige Handlungen der gegnerischen Partei kaum verzeihen würde, und die Menge der anderen Dorfbewohner verstand dies offenbar auch.
– „Der Mann hat Jakob sofort geheilt, für den ihr seit Jahren gebetet habt, und ihr habt eure Hand gegen den Heiler erhoben! Also“, so redete einer der Brüder weiter, „bringt sie zum Haus der Griechin am Stadtrand und bringt ihnen Essen, mehr und besseres. Kein Wein soll euch zu schade sein, der beste aus deinem Lager, Priester. Bringt Wasser aus dem Fluss zum Waschen der Wunden … und saubere Kleidung … Haltet Wache vor dem Haus bis zum Morgen. Morgen früh entscheiden wir, wie es weitergeht … Ihr braucht für uns nicht zu beten! Und deine Gebete werden deinem Sohn nicht helfen, sie sind leer …“
Alles wurde so gemacht, wie er es verlangte. Der eine Hünen-Bruder hieß Nathan, der andere Adonia …

Als die Nacht hereinbrach, um diesen ungewöhnlich langen Tag abzulösen, versuchte ich, mit brummendem Kopf, der in ein Tuch eingewickelt war, einzuschlafen, und erinnerte mich an die Worte des RABBI aus Großvaters Aufzeichnungen.
Diese Worte waren einst an die Gesetzgeber, die Pharisäer und die Priester gerichtet worden und klingen in den Jahrhunderten vor dem Kommen des REICHS GOTTES auf ERDEN immer wieder neu:
„Johannes der Prophet, der Täufer, ist gekommen – er isst nicht, trinkt keinen Wein, kennt keine Frauen, rief die Juden zur Umkehr auf, und ihr sagt: ´Es ist ein Dämon in ihm!´ Der MENSCHENSOHN ist gekommen – ER isst und trinkt und vergnügt sich, und ihr sagt: ´ER ist ein Vielfraß und ein Trunkenbold, ein Freund der Zöllner, der Sünder und Sünderinnen!´ Bei GOTT geschieht nichts auf eure Weise … Mit euren Maßstäben könnt ihr den GESALBTEN nicht erkennen. Fragt lieber die Kinder nach GOTT.“

1  Der Hohe Rat, das Oberste Gericht der Juden

2  … um die Menschenmenge vor dem Dämon zu schützen

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 5

Wir waren zu fünft: Lukas, Alan, Nasir, Junia und ich, Euseus. Junia war siebzehn Jahre alt. Sie wurde als Sklavin geboren. Ihre Mutter, ein junges jüdisches Mädchen, war nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem von einem römischen Krieger in die Sklaverei verkauft worden. Wer ihr Vater war, wusste Junia nicht. Ihre Mutter gab ihr einen lateinischen Namen, weil sie dachte, dass es sicherer sei, mit ihm im römischen Reich zu leben.
Die Geschichte von Nasir ist länger und komplizierter. Er wurde nicht als Sklave geboren. Er war der Sohn eines Schafhirten – und daher ebenfalls ein Schafhirte. Er hatte Vater und Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern. Die Familie lebte in der Nähe von Alexandria. In seinem Dorf war eine römische Zenturie1 stationiert. Der Zufall wollte es, dass Nasir sich in die Tochter des Kommandanten verliebte. Nasir verliebte sich mit ganzem Herzen in sie. Sie waren damals sechzehn Jahre alt.
Das Mädchen fand immer irgendeinen Vorwand, um ihren Geliebten zu treffen. Zu Hause war sie gehorsam und lief oft zu Nasirs Familie, um Milch und Feta für ihren geliebten Vater zu holen. Aber ihr Weg zum Milchholen war viel länger als die Strecke zu Nasirs Haus. Auf diesen Milchwanderungen erklärten sich das Mädchen und der junge Mann ihre Liebe und schworen, sich niemals zu trennen.
Der aufmerksame und liebevolle Vater, ein erfahrener Krieger, erkannte natürlich den Zustand seiner Tochter und forderte sie auf, ihre Beziehung zu dem jungen Mann, der nicht ihrem Rang entsprach, zu beenden – und wenn sie der Aufforderung ihres Vaters nicht nachkäme, würde der junge Mann in große Schwierigkeiten geraten. Also riet der Vater seiner Tochter, sich um das Leben ihres Geliebten zu sorgen – ihn zu verlassen.
Das Liebespaar beschloss zu fliehen. Nasir wusste genau, wo sich die koptische Gemeinde, die ägyptischen Christen, aufhielten. Er kannte einen älteren Mann namens Markus, der die Gemeinschaft gegründet hatte. Markus wurde Apostel genannt und soll ein Jünger des Petrus gewesen sein. Gelegentlich ließ Nasir die Schafe auf der grünen Weide zurück und rannte für einen Tag zu Markus. Der Apostel sprach über das Reich Gottes: Dort herrscht die Liebe, es gibt keinen Krieg und keine Sklaverei, alle Menschen sind gleich und sorgen füreinander. Dieses Reich soll in uns und um uns herum aufgebaut werden. Dazu musst du lernen, deinen Nächsten zu lieben wie dich selbst, ihm nicht das anzutun, von dem du nicht willst, dass es dir selbst geschehe – Gutes zu tun auch denen, die dich hassen, für die zu beten, die dich verfolgen … Nasir träumte davon, mit seiner Geliebten unter solchen Menschen zu leben, die lernen, sich gegenseitig zu lieben. Er wollte das REICH GOTTES auf ERDEN errichten. Nasir hatte die Welt, in der er geboren wurde und lebte, noch nicht kennengelernt, aber er erinnerte sich an die Worte des LEHRERS, die Markus überliefert hat: „Wer die Welt erkannt hat, hat einen Leichnam gefunden, wer einen Leichnam gefunden hat – die Welt ist seiner nicht würdig …“ 2.

Die Flucht der Liebenden schützte eine kurze Sommernacht. Sie haben die Gemeinde nicht erreicht. Der Vater holte mit einem Trupp berittener Krieger die Flüchtigen ein … Er tötete Nasir nicht. Der junge Mann wurde gefesselt und ins Gefängnis geworfen. Ihn erwartete die Hinrichtung für einen Anschlag auf eine römische Bürgerin – die seine Geliebte war. Im Gefängnis lernte Nasir, stundenlang zu beten und sich auf den Willen des Vaters zu verlassen. Er hatte Gelegenheit, für denjenigen zu beten, der ihn verfolgte und nicht liebte – für den Vater seiner Geliebten. Und er betete für ihn, für sie, für seine Eltern und seine Brüder und Schwestern.
Das Mädchen sagte ihrem Vater, dass sie auch nicht leben wolle, wenn Nasir stürbe.
Der Kommandant verkaufte Nasir auf dem Markt von Alexandria für einen geringen Preis an einen Sklavenhändler unter der Bedingung, dass der junge Mann über das Meer gebracht und dort verkauft würde. Als der Krieger sich von Nasir verabschiedete, sagte er: „Danke meiner Tochter, dass du noch lebst.“
Heute war Nasir dreiundzwanzig Jahre alt. Er liebte die Tochter des Hauptmanns immer noch, obwohl er wusste, dass das KÖNIGREICH ohne sie errichtet werden würde. Junias Fürsorge, Hingabe und ruhige Geduld erwärmten langsam sein männliches Herz.

Unsere Reise war natürlich reine Männersache. Es machte keinen Sinn, eine Bleibe für eine Frau zu sein. Aber man sucht sich sein Schicksal nicht aus, man lebt es, am besten mit Dankbarkeit. Und Junia konnte für die ihr geschenkten Tage dankbar sein. Sie war glücklich, wenn sie mit uns unterwegs war. Als Sklavin geboren zu werden, eine Sklavin zu sein und plötzlich frei zu sein, neben dem, den sie liebt – welch größeres Geschenk könnte man vom Schicksal erwarten?
Die Tage der Reise zum nächsten Dorf fielen bei Junia mit den natürlichen monatlichen Unpässlichkeiten einer jungen Frau zusammen. Sie trug es leicht, war gut auf den Beinen und gut gelaunt, verließ uns nur gelegentlich und bat uns, auf sie zu warten. Es war an der Zeit, an einem großen Bach anzuhalten, um zu Abend zu essen und zu übernachten. Die vier jungen Männer waren hungrig.
Alan war wie immer für das Feuer zuständig. Lukas und Nasir gingen zum Bach, um Fische zu holen, dankten dort dem VATER, drückten ihre Ehrerbietung und Dankbarkeit gegenüber den Mächten der Erde aus, wenn sie die Erlaubnis fühlten, die gewünschten Gaben zu nehmen. Sie ließen einen Teil des Fladenbrots auf einem Uferstein liegen, den anderen Teil zerbröselten sie ins Wasser, wobei sie das Wasser mit Wertschätzung berührten. Mit einem kleinen Netz aus Pferdehaar wurde der Bach abgesperrt. Wir nahmen die notwendige, bekannte Menge an Fischen, der Rest wurde freigelassen.
Das Abendessen war schnell zubereitet. Junia machte das leicht und köstlich. Sie lernte mühelos das Gebet, sprach es nicht nur dreimal am Tag, sondern auch vor dem Kochen. Sie kochte das Essen in leichter Stimmung und summte dabei einfache Melodien nach östlicher Art. Sie verstand es, mit ihrem Leben zufrieden zu sein, und sie konnte mühelos um sich herum Gründe für ihre Zufriedenheit finden …

Das gesegnete Abendessen war schnell verspeist. Aber es herrschte eine gewisse Spannung während des Essens. Als wir mit dem Essen fertig waren, sah ich Alan an:
– „Erzähle mir, was los ist. Spannungen zwischen uns sind nicht gut. Wenn du das nächste Mal mit etwas nicht klarkommst, erzähle mir von deinem Unbehagen vor dem Essen.“
Ich vermutete, dass die Situation etwas mit Alans Erziehung zu tun hatte, mit der Einstellung zu den Besonderheiten von Frauen in der Tradition, in der er aufgewachsen war.
– „Ich kann nicht vor ihr sprechen“, sagte Alan.
– „Rede, Alan, es sei denn, es geht um etwas, worüber ein Mann und eine Frau niemals miteinander sprechen.“
– „Ich kann nicht beurteilen, ob ich es vor ihr kann“, antwortete Alan.
Junia entfernte sich mit einem Lächeln und ohne Spannung von uns. Alan sprach mir ins Ohr, was in bedrückte – Das Thema war nicht unbedeutend und hatte mit den Beschränkungen zu tun, die Männer den Frauen in den Gesetzen der alten Zeit auferlegt hatten. Ich dachte darüber nach und beschloss trotz allem, Junia zurückzuholen.

– „Freunde“, begann ich weit ausholend, „eine kurze Geschichte von Großvater Johannes aus der Zeit, als der LEHRER und seine Jünger, unter denen sich auch Frauen befanden, das WORT GOTTES verkündeten, als sie von Dorf zu Dorf zogen. Die Frauen sahen sich vielleicht nicht als weibliche Jünger des RABBI, sie erzeugten einfach für die Menschen, die ihnen lieb und teuer waren, eine Atmosphäre häuslicher Behaglichkeit. Aber sie lernten zusammen mit den Männern aus dem Leben des RABBI. Und ER schenkte den Frauen – wenn sie eine Pause von ihren vielen Aufgaben hatten – dieselbe Aufmerksamkeit in der Gemeinschaft am Feuer wie den Männern.
Petrus war anfangs eifersüchtig auf die Frauen im Umfeld des LEHRERS, vor allem auf Mariam von Magdala: „Mariam soll uns verlassen“, sagte Petrus einmal am Lagerfeuer. – „Eine Frau ist eine Frau, sie soll ihren Geschäften nachgehen, es gibt keinen Grund, den Gesprächen unter Männern zuzuhören …“.
„Seht, meine Freunde“, sagte RABBI zu Petrus und seinen Jüngern. – „Ich leite sie und werde sie weiterhin anleiten so, wie ich euch Männer leite, damit auch sie ein lebendiger Geist wird. Denn eine Frau muss, wie ihr, ein lebendiger Geist werden, um in das HIMMELREICH zu gelangen. Ja, sie hat ihre fraulichen Arbeiten zu erledigen, genauso wie ihr eure männlichen Arbeiten zu erledigen habt. Aber sie kann doch nicht schlechter sein als ihr, aber auch nicht besser. Die Frau, die eure Kinder zur Welt bringt, ist anders als ihr. Aber vor dem VATER ist sie euch gleich.“
So lernte Petrus, die Frau anders, auf eine neue Art zu sehen. Murrend, jedoch bemüht, das von RABBI Gesagte zu tun, lernte er, die Frau zu respektieren, sie als gleichwertige Person mit einer nicht-männlichen Vorbestimmung zu sehen. Und als nach dem Fortgehen des RABBI die Zeit kam, die FROHE BOTSCHAFT zu verkünden, nahm Petrus manchmal, wie Großvater erzählte, sogar seine Frau mit auf die Reise …

Dann sprach Alan, errötend, über ein heikles Thema. Die Perser glaubten, dass eine Frau an den Tagen des monatlichen Unwohlseins unrein sei, so wie er es von klein auf kannte. Dann durfte sie sich nicht in der Nähe von Männern aufhalten, sich nicht unter sie mischen und von ihnen nicht gesehen werden, kein Wasser berühren, sich nicht dem ewigen heiligen Feuer nähern. Außerdem durfte sie kein Essen zubereiten, da sie an solchen Tagen alles verunreinigte, was sie anfasste.
– „Freunde, habt ihr etwas zu sagen? Und wie sollen wir an solchen Tagen vorgehen? Sie können eine Woche lang andauern“, sagte ich.
Lukas sagte entschlossen:
– Der LEHRER berührte die Toten, die Kranken und die Aussätzigen … Und ER verunreinigte sich nicht. Ich denke, das Wichtigste ist nicht, was wir anfassen, sondern was aus unserem Herzen kommt. Und was ist, wenn Junia jetzt kocht? Sie ist nicht krank, sie ist keine Aussätzige, sie ist nicht ansteckend. Sie hat ein gutes Herz, sie singt Lieder. Und das Essen ist köstlich, so wie ich es nicht zubereiten kann. Wir segneten das Essen und dankten dem Vater. Wenn es Junia heutzutage nicht zu viel Mühe macht, soll sie kochen. Ich werde mit Genuss und Dankbarkeit essen.“
– „Stimmt ihr zu, liebe Brüder?“ – fragte ich.
Nasir und Lukas nickten entschlossen.
– „Wie du sagst, Meister. Wie ihr entscheidet, so soll es sein“, sagte Alan.
– „Kopf hoch, Alan! Lass deine vergangene Einstellung los und lass sie mit dem Segen des VATERS frei … Wie kann der ALLMÄCHTIGE etwas Unreines erschaffen? Wie kann eine Frau an manchen Tagen unrein sein? Dann ist auch der Mann unrein, denn die Frau ist aus ihm gemacht. Du weißt, Perser, dass nur unsere eigenen Gedanken, Worte und Taten uns unrein machen können. Wir richten unsere Aufmerksamkeit darauf, den HERRN zu preisen … Und über das Essen entscheiden wir auf diese Weise. Wenn sich Junia an solchen Tagen gut fühlt, ihr Herz leicht ist und sie Lieder singt, dann erwarten wir wenigstens ein Abendessen von ihr. Wenn es ihr nicht gut geht, dann sagt sie es mir vorher, und wir kochen dann selbst – oder kochen gar nicht. Auf jeden Fall lassen wir Junia in Ruhe und bieten ihr das Essen an, das wir selbst haben werden.“
Damit beendeten wir das Gespräch (Alan stimmte demütig zu), und unter Freunden getroffenen Entscheidungen muss man bekanntlich folgen.

Eine weitere Regel unseres Lebens auf der Reise wurde ebenfalls diskutiert. Wenn eine Frau am Herd kocht, sollte sie sich nicht durch Gespräche ablenken lassen oder unaufgefordert Ratschläge erteilen. Und man soll nur das tun, worum sie einen bittet, wenn man ihr beim Kochen helfen möchte. Eine Frau sollte einem Mann nicht raten, wie und welche Art von Fisch er fangen oder wie er jagen soll. Man erinnere sich an die Worte des LEHRERS: „Bereitet das Mahl zu und nehmt es in Freundlichkeit an. Denn was ihr denkt und sagt, das wird in eurem Essen sein.“

Die Herbstnächte waren bereits kühl geworden. Einmal übernachteten wir an einem Hang in der Nähe eines kleinen Olivenhains, wo es wärmer war – der Hain strahlte die Wärme des sonnigen Tages aus. Ich schlief zuletzt ein, dachte an Ani, roch ihr Haar, hörte ihren Gedanken zu, erzählte ihr vom Vortag …
Plötzlich war es, als würde ein kurzer Windstoß durch mich hindurch rauschen. Ich öffnete die Augen – da stand ein Mann vor mir, zwei oder drei Meter entfernt. Ich schloss meine Augen und öffnete sie wieder; er stand immer noch da. Auf seinem deutlich zu erkennenden Gesicht war ein leichtes Lächeln zu sehen. Ich stand auf. Öffnete und schloss die Augen – der Mann prägte sich in einem klaren, dreidimensionalen Muster in mir ein. Weder der Wald noch der Sternenhimmel schienen durch ihn hindurch, er war nur allzu real. Ein gut aussehender, stattlicher Mann mittleren Alters, obwohl sein Alter schwer zu bestimmen war. Große, ungewöhnlich dunkelblaue Augen (ich wusste nicht, wie ich die Farbe in der Nacht genau erkennen konnte), ein durchdringender, tiefer Blick – ich wusste, dass er meinen Zustand und meine Gedanken problemlos lesen konnte. Sein schwarzes Haar und sein gepflegter Bart waren von einem spärlichen Grau durchzogen. Eine hohe Stirn, eine gerade, dünne Nase, gut geformte Augenbrauen. Er war ganz in hell gekleidet. Der knielange Chiton war fein mit Weißgold bestickt. Das gleiche Stickmuster befanden sich auf der Knopfleiste des Chitons, auf dem Stehkragen, auf den Ärmeln um die Hände und auf dem Kanevas3 in Kniehöhe. Das Stickmuster war eine Reihe identischer Kreise, die in einer Spirale verbunden waren. Die Kopfbedeckung, ein niedriger Hut mit flachem Oberteil, war mit demselben Muster bestickt. Und an der Seite des Chitons befanden sich fünf kleine Knöpfe aus mattem Weißgold.
Ich hatte diesen Mann nie zuvor gesehen – weder in meinen Träumen noch in der Realität. Der Mann nickte mir mit einem leichten Lächeln zu und sagte mit sanfter Baritonstimme:
– „Ihr solltet nicht in das nächste Dorf gehen; es macht keinen Sinn, euer Leben zu riskieren, ihr werdet es noch brauchen können. Acht Tagesmärsche weiter östlich gabelt sich die Straße in drei Wege. Euer Weg ist der linke. Folgt ihm am Tage. Es gibt dort eine große geheime Gemeinde – Ihr werdet euch dort nützlich machen. Einen besseren Ort zum Überwintern werdet ihr nicht finden. Und eure Gruppe wird überleben und sich sogar vermehren.“
– „Wer bist du?“ fragte ich.
– „Ich werde es dir eines Tages erzählen“, sagte der Fremde und verschwand einfach.

1  Hundertschaft

2  Thomas-Evangelium. Vers 61

3  Grundlage für Stickereien

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 4

Eines Abends, nach einem anstrengenden Tag, an dem wir die Kinder behandelt hatten, kam ein Mann zu uns nach Hause. Ich hatte ihn schon einmal bei unseren Treffen gesehen. Er war klein, rundlich, gutmütig, mit großen, kurzsichtigen Augen und wenig Haar auf dem Kopf. Sein Name war Markus. Er wünschte ein Gespräch unter vier Augen.
Die ganze Stadt kannte ihn als wohlhabenden Herrn mit Sklaven und viel Silber. Markus war von der BOTSCHAFT bewegt – sie berührte sein Herz. Er sah in dem, was er hörte, LICHT und KRAFT. Ein Verwandter von ihm war von jahrelanger Besessenheit befreit worden. Markus wurde von widerstreitenden Gefühlen geplagt: Er war reich und sehnte sich danach, in der Gemeinschaft zu sein, mit dem WORT GOTTES verbunden sein.
Kurz über unser langes Gespräch:
– „Was soll ich tun, Euseus? Gib mir einen Rat! Ich möchte in der Gemeinde sein, am gemeinsamen Mahl, an der Kommunion teilnehmen. Ich weiß, dass die Gemeindemitglieder gemeinschaftliches Eigentum haben. Ja, es sollte keine Bettler geben, wir sollten uns gegenseitig helfen … Aber wie soll man Wohlstand an Bettler verteilen? Jemand, der dieses Leben wählt, will nicht arbeiten! Wie kann man es verschenken? Und auch deine Worte bei dem Treffen – eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein reicher Mann ins Himmelreich … Hilf mir, einen Ausweg zu finden – ich bin hin- und hergerissen!“
– „Das sind nicht meine Worte, Markus. Das ist es, was der LEHRER sagte. Ein Ausweg? Bruder, ich habe eine solche Situation nicht erlebt. Ich habe nichts zu geben als mein Herz und mein Können. Wie soll ich dich beraten? Das ist deine Prüfung, deine Wahl. Ich werde für dich beten.“
– „Ich danke für deine Gebete! Doch halt. Stell dir vor, du bist mein großer Bruder. Ich fühle mich schlecht … Du kannst mir sagen, was du tun würdest, damit ich innerlich Frieden finde, oder? Und du bist der Bruder, der weiß, was der LEHRER auf diese Frage geantwortet hat.“
– „Lasst uns gemeinsam nachdenken. Beide Reichtümer können nicht gerettet werden, denn man kann nicht auf zwei Pferden gleichzeitig reiten – die Beine würden sich trennen. Der eine Reichtum wird zusammen mit deinem Körper sterben oder etwas später verrotten. Der andere Reichtum, den du in deinem Herzen ansammelst, wird bei dir im Himmel bleiben, dort wird nichts verrotten oder verfallen. Aber der zweite Reichtum wird nur dann angesammelt, wenn man tut, was GOTTES WORT sagt. Wofür entscheidest du dich, Bruder? Es ist allein deine Wahl! Ich werde zu nichts raten.“
Markus kratzte sich an seiner Glatze, seufzte ein paar Mal und geriet ins Schwitzen.
– „Da ich zu dir gekommen bin … Und da die Frage ganz klar war … Ich werde das Risiko eingehen! Ich wähle das, was nicht berührt werden kann, aber im HIMMEL nicht verrottet!“
– „Eine wichtige Entscheidung. Ich stimme dir zu … Weiter. Jetzt müssen wir durch das Nadelöhr gehen. Das ist nur möglich, wenn man nicht reich ist. Der Reiche wird nicht hindurchgehen, aber der Arme sollte es schaffen. Aber dann muss der Reichtum verteilt werden, verschenkt werden. Und nicht einfach an die Armen, sondern an die Bedürftigen. Bist du bereit, weiter zu sprechen? Wirst du diesen Schritt machen?“
– „Das werde ich,“ Markus war rot vor Erregung. – „Hilf mir einfach – wie mache ich das?“
– „Lasst uns weiter überlegen. Du hast Geld, du solltest es nicht mit Zinsen verleihen, du musst es jemandem geben, von dem du es nicht zurücknehmen kannst. Jemand, der in Not ist. Und gleichzeitig solltest du das Geld, das du weggeben willst, solange in deinen Händen behalten, bis du weißt, wem du es geben willst.“
– „Ich werde es nicht mit Zinsen verleihen“, antwortete Markus schnell.
– „Gut. Und wer wird die bedürftige Person sein, der du etwas geben willst und nicht erwartest, dass du es zurückbekommst?“
Mark war nicht mehr errötet – dachte darüber nach.
– „Ich würde niemandem Geld geben, der nicht selbst arbeitet, der es versäuft oder für eine Sünderin ausgibt.“
– „Ich würde dasselbe tun“, sagte ich. – „Aber du musst jemandem deinen Reichtum geben, um dich durch das Nadelör hindurchzuzwängen.“
– „Für eine Witwe mit Kindern würde ich es tun. Oder eine Witwe ohne Kinder, wenn sie fleißig ist. Und in einer Familie mit vielen Kindern, in der der Mann hart arbeitet, aber nicht zurechtkommt, würde ich es den Kindern zum Essen geben …“
– „Sehr gut, Markus. Würdest du es einem Handwerker geben, dessen Werkstatt abgebrannt ist? Oder einem jungen Mann, der eine Werkstatt einrichten will? Oder einer Frau mit Kindern, deren Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen hat und ihr nicht hilft?“
– „Ja, ich würde ihnen allen helfen. Und dem Ehemann, der gegangen ist, würde ich eine Ohrfeige geben. Ich weiß, von wem du sprichst. Wenn ich ihm nicht selbst ins Gesicht schlagen würde, würde ich einen Arbeiter fragen …“

– „Eine weitere wichtige Frage: Würdest du die Sklaven freilassen? Wenn sie bleiben, bleiben sie … Aber würdest du ihnen die Wahl lassen?“
– „Warte mal, Euseus! Und wenn sie alle gehen?“
– „Dann bist du immer noch der Hausherr … Aber keine Sorge! Du wirst die Wahrheit über dich selbst erfahren. Und das Nadelöhr wird wird breiter sein.“
– „Ja, ich würde sie gehen lassen. Ich möchte die Wahrheit über mich selbst erfahren!“
– „Und ich möchte hinzufügen, Bruder: Wahrscheinlich würdest du dich freuen, wenn all die Menschen, die wir aufgezählt haben, so wie du nach Gott streben?“
– „Ja! Es wäre für mich noch einfacher zu geben. Dann wüsste ich, dass ich nicht umsonst gebe … Ja, darüber wäre ich froh – nach dem, was ich im Gespräch mit dir erlebt habe!“
– „Wir können dieses Gespräch vorerst beenden. Zurück zum Anfang … Du entscheidest selbst. Ich bete für dich.“
– „Ich habe bereits einen Schritt im Inneren gemacht. Und es scheint so, als erahne ich den nächsten … Sag mir, was du denkst. Ich würde gerne lernen, zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen wie du. Du wirst weiter ziehen.“

– „Es geht nicht um mich. RABBI sagte: wem danach dürstet, aus SEINEM Mund zu trinken, wird IHM gleich werden, und dem Dürstenden wird das Geheime offenbart … Ich werde es mit den Worten dessen ausdrücken, zu dem du gekommen bist … Gut, wir sind gekommen. Wir sind zu einer Gemeinde in deiner Stadt gekommen. Eine Gemeinschaft, die nach dem LICHT strebt, eine christliche Gemeinschaft, die derjenigen ähnelt, die die direkten Jünger in Jerusalem gegründet haben. Du, mit all deinem Reichtum und mit den Sklaven, die frei geworden sind, dich aber nicht verlassen haben, kommst in die Gemeinschaft … obwohl – du must ja nirgendwo hingehen. Du bist der wirtschaftliche Teil der Gemeinschaft, die Kornkammer. Du hast dein Vermögen nicht mehr. Du bist durch das Nadelöhr gegangen. Aber du ziehst dich nicht aus dem Geschäft zurück, Du bist der leitende Diakon. Im Wesentlichen wirst du das tun, was du vorher getan hast. Die Schwierigkeit wird jedoch darin bestehen, dass du die Entscheidungen nicht allein treffen wirst, sondern mit allen anderen zusammen, als Gleichgestellte. Hier wird eine Schule des LICHTS sein. Du wirst gemeinsam mit deinen Brüdern Entscheidungen treffen, du wirst mit ihnen diskutieren, du wirst lernen zuzuhören, und du wirst Argumente vorbringen: wie man Witwen und Kinder ernährt, wie viel Getreide man anbaut, welche Art von Werkstätten man einrichtet, wie man das, was man anbaut, verteilt, wohin man eventuelle Überschüsse abgibt, wo man das findet, was man braucht, wer von den Jugendlichen arbeiten soll … Es wird viel zu tun geben. Du wirst auch gemeinsame Mahlzeiten und das Abendmahl organisieren müssen, musst Frauen organisieren, die die Mahlzeiten vorbereiten … Du wirst das nicht allein tun können, und es ist keine leichte Aufgabe, du wirst den Rat fähiger Männer brauchen – verantwortungsbewusste, uneigennützige, gute Verwalter ihrer Häuser. Und den Rest wirst du in vielen Fällen selbst herausfinden. Mein kleiner Bruder Markus, ich sehe keinen anderen Weg zum Glück und zum Licht …“

Markus umarmte mich ganz fest:
– „Deshalb, Bruder Euseus, bin ich zu dir gekommen! Es gäbe noch eine weitere Frage, aber jetzt nicht mehr. Ich habe einen besten Sklaven … den Arbeiter Nasir. Er kommt aus Alexandria. Einmal habe ich ihn zu einem Treffen mit dir gehen lassen. ´Lass mich mit ihm gehen, Markus,´ sagte er. ´Du wirst belohnt werden. Ich muss jetzt sein Diener sein.´ Nasir kannte in seiner Jugend einen der Apostel und träumte davon, einem solchen Menschen wieder zu begegnen … Er würde dir auf deinem Weg helfen, er war in allem gut – er kann, wenn nötig, auch zuschlagen, er hat starke Hände! Und er soll nicht allein mit euch gehen. Ich habe auch Junia, eine Arbeiterin. Sie liebt ihn sehr, aber er scheint sie nicht zu lieben … Sie kann nicht ohne ihn auskommen! Damit sie sich nützlich machen kann, gebe ich ihr eine Arbeit an seiner Seite. Lass sie auch mit dir kommen. Sie ist flink, gutherzig, und sie kocht gut …“

Am Morgen des neuen Tages ließen sich Markus, Nasir und Junia im Fluss taufen, der in der Nähe unseres Hauses floss. Tschista erschien für einen Moment und lächelte mit ihren dunkelblauen Augen.
Nasir war schwarzhaarig, bärtig, dunkelhäutig. Meine Größe, mit Augen so schwarz wie Johannisbeeren. Kräftiger Körper, ein scharfer lächelnder Blick, Adlernase. Junia war von kleiner Statur, schön und freundlich. Ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie meine – graublau. Markus war gut gelaunt, seine klaren, kurzsichtigen Augen strahlten. Er lächelte – er hatte eine Entscheidung getroffen.
– „Bruder!“ Ich umarmte ihn. – „Der Lehrer hatte einmal gesagt: ´Wer reich ist, soll herrschen, wer aber Macht hat, soll verzichten.´ Das gilt für dich, Markus. Und auch: ´Wer sich selbst gefunden hat, den wird die Welt nicht annehmen.´ “

Der Tag der Reise rückte näher. Lukas und ich haben ein Kurzschwert für Markus geschmiedet. Der Stahl war gut, schön gemustert. Von Herzen und mit Gebet gemacht.
Was könnte ein besseres Geschenk für einen Mann sein, vor allem in jenen Tagen, als ein hochwertiges Messer? Mechanische Zeitmesser waren noch nicht erfunden worden. Und ein Land namens Schweiz gab es damals noch nicht. In diesen Gebieten verlief die Grenze des großen Roms. Dort lebten germanische Stämme, mächtige und organisationsfreudige, die schon damals nach Rom blickten …

Als wir uns von unseren neuen Freunden, der Gemeinde, verabschiedeten, riet ich ihnen, mit der bereits erfahrenen Gemeinde zehn Tage weiter westlich in Kontakt zu bleiben.
– „Auch die östlichen Gemeinden, die wir unterwegs treffen, werden mit euch verbunden sein. Ich werde versuchen, auf dem Rückweg bei euch zu sein, wenn es der Wille des Allerhöchsten ist.“ Ich erinnerte mich an die Worte des RABBI und gab sie an meine Freunde weiter, so wie sie mein Großvater gesagt hatte: „Bindet euch nicht an die Welt, sondern bindet eure Worte und Taten an den HERRN, damit das, was ihr hervorbringt, nicht der Welt, sondern dem HERRN gleich sei.“

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 3

Wir wohnten über einen Monat lang in einem großen Dorf in der Provinz Kilikien 1. Die Botschaft CHRISTI war dort bereits lebendig und es gab dort Gläubige. Nachdem wir uns am ersten Tag getroffen und uns über das Leben der Johannesgemeinde informiert hatten, kamen fünf Menschen zu uns und baten uns, beim Aufbau der Gemeinschaft in ihrem Dorf zu helfen …
Wir haben uns sofort in das Werk GOTTES eingebracht: Wir organisierten Abendmahlsfeiern und hielten Treffen mit Bekenntnis und Freude an der Vergebung ab. Bei der ersten Sitzung gab Alan ein Beispiel für Mut und Ehrlichkeit. Er erzählte von seinem Leben als Straßenräuber und davon, wie er zusammen mit anderen Landstreichern Lukas und mich töten wollte. Alan kniete nieder, entschuldigte sich beim ALLMÄCHTIGEN, dann bei mir und sagte vor allen, dass er nicht mehr den Weg des Todes gehen wolle und sich bemühen werde, ein Mensch mit guten Taten und guten Gedanken zu werden. Dann weinte er und seine Augen strahlten vor Reinheit.

In einer Versammlung der noch kleinen Gemeinde wählten wir einen würdigen Diakon. Ein guter, verantwortungsbewusster, aktiver und ehrlicher Mann reichte aus, um gemeinsame Mahlzeiten zu organisieren, gemeinsame Gelder zu sammeln und zu verteilen.
Schon bald verschwand Lukas in der örtlichen Schmiede – er hatte die Möglichkeit, seine Fähigkeiten zu verbessern und das, was er in unserer Schmiede gelernt hatte, weiterzugeben. Es dauerte nicht lange, bis zwei örtliche Schmiede, ein Meister und ein Lehrling, Lukas´ Geschichten hörten und sich der Gemeinschaft anschlossen und den Glauben annahmen. Alan war an meiner Seite; er bat selbst darum; er wollte hören, was ich sagte und sehen, was ich tat. Ich konnte nur in der letzten Woche unseres Aufenthalts dort in der Schmiede arbeiten.

Die gemeinsamen Mahlzeiten mit Abendmahl endeten in der Regel mit Gesprächen über den LEHRER, über SEIN WORT – den von IHM geoffenbarten WEG der ERLÖSUNG. Manchmal lasen wir gemeinsam die Botschaft von Johannes, manchmal beantwortete ich ihre Fragen, von denen es viele gab.
In der ersten Woche war ein Tag der Behandlung von Kindern und ihrer Befreiung von Besessenheit gewidmet. Im Dorf sprach sich herum, dass ein Apostel CHRISTI Kranke heilte und Dämonen so austrieb, dass sie wie eine rote Flamme brannten. Die Menschen strömten natürlich zu uns. Von der zweiten Woche an habe ich jeden zweiten Tag Heilungen praktiziert. Sie haben diese Tage in eine Gemeinschaft des Glaubens und des Lebens verwandelt. Es ist kein Wunder, das einen Menschen heilt, sondern der Glaube. Er erleuchtet den Weg. Wenn man auf diese Weise fortfährt, wird man eines Tages nicht mehr krank sein. Und die Kraft, diesen Weg zu gehen, erhält man aus dem Gebet, das der ERLÖSER gab … Und die Menschen brauchten nicht von der Kraft des Glaubens und des Gebets überzeugt zu werden, sie sahen diese Kraft sofort in ihrer Wirkung, wenn sie von Besessenheit gereinigt wurden.
– „Wenn wir lernen, dem VATER und einander zu danken, anderen Gutes zu wünschen, nur die Wahrheit zu sagen und nicht zu lügen, dann wird der Schmerz verschwinden und aufhören“, wiederholte ich diesen Gedanken bei jedem Treffen.
Diejenigen, die zu beten begannen und lernten, dankbar zu sein und nicht zu lügen, spürten das Ergebnis sofort. Sie teilten diese frohe Botschaft mit ihren Nachbarn. Und viele gingen hin, um sich taufen zu lassen.

Durch das Dorf floss ein schneller und klarer Fluss. Dort wurde das Sakrament durch dreimaliges Untertauchen ins Wasser im NAMEN des VATERS, des SOHNES und des HEILIGEN GEISTES, der über alle ausgegossen wird, die sich IHM öffnen, gespendet …
– „Euseus, ich möchte getauft werden!“ – sagte Alan.
– „Ich freue mich darüber, Alan,“ antwortete ich und wartete darauf, dass er fortfuhr.
– „Ich werde dich einige Dinge fragen: was ich nach der Taufe tun kann und was nicht. Ich werde ja deinen Glauben annehmen.“
– „Du wirst einen neuen Bund mit dem HERRN schließen.“
– „Kann ich fünfmal am Tag beten, wenn du dreimal betest?“
– „Bete so oft du willst; das Gebet gibt KRAFT …“
– „Muss ich meine Ernährung umstellen und so essen wie du und Lukas?“ – fragte Alan weiter.
– „Wie immer du dich entscheidest. Du weist, dass es nicht darauf ankommt, was du isst (obwohl du natürlich so viel essen kannst, dass es zu viel ist), sondern darauf, was du denkst, sagst und tust. Also iss, was du willst. Nur dass es unsere Reise nicht erschwert … Aber du kannst in diesem Dorf bleiben und viele gute Taten vollbringen. Hier wird es eine gute Gemeinschaft geben. Und eines Tages wirst du das „Haus der Lieder“ mit reinem Gewissen betreten.“
– „Wenn du mir sagst, dass ich bleiben soll, dann bleibe ich. Wenn du mich lässt, komme ich mit dir.“
– „Ich habe nichts dagegen, wenn du bei uns bleibst. Ich denke, Lukas auch nicht … Das NEUE TESTAMENT des VATERS bedeutet auch neue Gebote, neue Handlungen, ein neues Gebet … Bist du bereit, das anzunehmen, damit wir auch im Herzen zusammen sein können?“
– „Muss ich ein neues Gebet beten?“
– „Das musst du nicht. Du bestimmst deinen eigenen Weg. Es gibt immer eine Wahl … Um mit mir zu gehen, müssen wir zusammen sein. Und denselben Glauben leben. Und es gibt ein Gebet. Es verbindet uns miteinander … Und es ist gefährlich, mit mir zu kommen, weil der Dämonenfürst uns in die Quere kommen wird. Vorher warst du der Jäger, jetzt sind sie hinter dir her.“
– „Dämonen wollen einen immer behindern, wenn der Weg des Guten gewählt wird. Wer an diesem Kampf teilnimmt, betritt mit Sicherheit das ´Haus der Lieder´.
Ich muss mit dir gehen und ihn besiegen … Was ist mit dem Gebet? Der ALLMÄCHTIGE, gelobt sei ER, hat durch seinen Propheten, SEIN WORT, Zarathustra, gelobt sei ER, meinem Volk das wichtigste Gebet gegeben. Zarathustra offenbarte das Avesta, die ERSTE BOTSCHAFT … Man kann die LEHRE von Zarathustra weder schmälern noch ergänzen, gelobt sei ER. Sie ist unveränderlich.“
– „Der ALLMÄCHTIGE VATER hat SEIN WORT mit der NEUEN BOTSCHAFT, dem NEUEN TESTAMENT, dem BUND erneut gesandt … Hat Zarathustra etwa gesagt, ER sei der letzte Prophet des ALLMÄCHTIGEN?“
– „Zarathustra sagte, dass der Retter dreimal kommen würde.“
– „ER ist gekommen und bringt die LEHRE. Die Entscheidung liegt bei dir. Ein neuer Bund – ein neues Gebet! Die Taufe gibt Reinigung und Kraft, den eingeschlagenen Weg zu gehen. Aber man muss gehen und den Bund erfüllen – in den gegebenen Momenten einen reinen Schritt wählen. Dann wird die Kraft wachsen. Wenn du dich taufen lässt und die Erfüllung hinausschiebst, so wird die Kraft verschwinden. Ein Glaube ohne Werke ist so tot wie ein Körper ohne den Geist. Wenn du dich verpflichtest, das Neue zu erfüllen, so wird auch das Alte erfüllt werden.“
– „Ich möchte mit dir weitergehen. Gib mir das Gebet. Verzeih mir, dass ich dich genötigt habe, mich zu überreden. Ich hätte hören sollen, was du gesagt hast.“ Alan legte seine Handfläche an sein Herz und verneigte sich tief.

Das Haus, das uns Reisende aufnahm, stand direkt am Fluss. Ich glättete den feuchten Küstensand mit meiner Hand, dachte nach und seufzte tief: „Großvater ist fort, jetzt muss ich selber Großvater werden und meine eigenen Entscheidungen treffen.“ Ich schrieb das Gebet in den Sand am Fluss.
– „Versuche es zu lernen, solange der Sand hält, was geschrieben steht“, lächelte ich und ging ins Haus.
Alan kehrte schnell zurück. Er hat das Gebet ohne Unterbrechung gesprochen. Erstaunlich!.
– „Alle Achtung, Alan. Was ist das Geheimnis? Wie hast du das so schnell gelernt?“
– „Ich habe den Text nicht gelernt, sondern deine Zeichnung auswendig gelernt. Und wie daneben der Fluss fließt. Und ich erinnere mich an den Käfer, der am Ende des Gebets langsam krabbelte. Und am Anfang des Gebetes rannte eine Eidechse. Und auf der anderen Seite des Flusses sang ein Vogel …
Meister,“ – fuhr Alan nach einem Schweigen fort, – „lass mich dich so nennen, Euseus. Ich brauche das, um nicht von diesem schmalen Pfad abzuweichen …“
– „Und um auf jeden Fall in das ´Haus der Lieder´ zu kommen,“ lachte ich und umarmte Alan. – „Nenne mich wie du willst, solange es dir hilft.“
Ich spürte, ich verstand, dass die Frage wegen des Wassers nun in ihm lebendig war. Ein gläubiger Perser kann es sich nicht erlauben, in das lebendige Wasser zu treten und die heilige Schöpfung der GANZHEIT zu entweihen. Ich habe diese Bedenken in ihm gesehen. Und ich suchte nach einer Möglichkeit zu helfen. Ich dachte an Olivia, sie würde mir jetzt helfen. Ich stellte sie mir deutlich vor, spürte sogar ihre Berührung auf meiner Hand. Ich sah sie lächeln, hörte sie: „Ich werde helfen.“

Wir gingen aus dem Haus zum Fluss. Für den Fall der Fälle habe ich einen Holzeimer mit einem Henkel aus Weinreben für Wasser mitgenommen.
Da stand ein Mädchen am Fluss, ein wunderschönes Mädchen natürlich, und schaute auf das in den Sand geschriebenes Gebet.
– Siehst du das Mädchen am Wasser?“ – fragte ich.
– „Wo?“, sagte der Perser.
– „Vor uns, neben dem Gebet, als würde sie es lesen.“
– „Nein, ich sehe sie nicht. Ist sie schön?“
– „Ja, sehr!“ – Ich unterdrückte ein Lächeln. – „Glauben die Perser, dass es eine Göttin der Gewässer gibt?“
– „Natürlich tun sie das. Jeder Perser weiß das. Das sind die Gottheiten der GANZHEIT des allgütigen Ahura-Mazda.“
Ich nickte zustimmend … Das Mädchen erhob ihreAugen, die die Farbe des blauen Himmels in der Abenddämmerung hatten, und schaute mich aufmerksam an. Das blau-schwarze, lockige Haar, die geschwungenen Lippen, lebendig wie ein Fluss …
– „Sei gegrüßt, Freund der Hüter der Länder und Gewässer! Viel Kraft und Gesundheit für dich und deine Freunde auf eurem Weg! Olivia, meine Freundin, hat mich gebeten, dir zu helfen. Ich bin die Herrin dieses Flusses, die Hüterin. In diesen Ländern werden wir Hüter genannt. Ich werde dich ´Freund der Hüter´ nennen. So nennen wir dich hier unter uns … Ich heiße Tschista, so nennen mich meine Freunde, Alan wird meinen Namen mögen.“
– „Ich grüße dich, Tschista! Ich bewundere deine reine Schönheit und die Melodie deiner Stimme“, sagte ich laut. – „Ich brauche deine Hilfe, schöne Hüterin der Gewässer! Ich nehme deine Antwort mit Dankbarkeit und Respekt vor allen Hütern der Ganzheit an.
Wenn ich das zur Reinigung benutzte Wasser in dein reines Wasser gebe, wird es dann verunreinigt?“
Alan sah mich mit großem Erstaunen und aufmerksam an, der Mund leicht geöffnet.
– „Du solltest versuchen, sie zu sehen“, sagte ich ihm und deutete vor mich hin.
– „Euseus, mein Freund“, lächelte Tschista. – „Du kannst dich in diesem Wasser waschen, ohne etwas in Worten auszudrücken – Dankbarkeit, Aufmerksamkeit und Respekt sind in deinem Herzen! Du weißt, dass Mädchen jeden Alters, wie alle Menschen, Respekt und Aufmerksamkeit erwarten. Und ich bin ein ewig junges Mädchen – vor langer Zeit wollte man mich so sehen. Und junge Mädchen erwarten noch mehr Aufmerksamkeit und Fürsorge …“ Tschista war in der spielerischen Stimmung eines schönen Bergflusses.
Ich dachte, es wäre gut für Alan, das alles zu hören und zu sehen. Tschista führte ihre Melodie in einem noch lebhafteren Schwall fort:
– „Ich bin eine Hüterin der segensreichen Schöpfung des HÖCHSTEN VATERS zur Unterstützung allen Lebens auf der ERDE. Es mag mir Unbehagen bereiten, wenn meine Gewässer eine Zeit lang verunreinigt werden – aber nur eine Zeit lang. Bis jetzt sind es nur Augenblicke. Die Unvorsichtigkeit eines Menschen ist für den Unvorsichtigen selbst ein großes Problem. Ich kann nicht verschwinden, nicht untergehen, solange es die ERDE gibt. In meinen Gewässern ist alles lebendig, ich lebe für das Lebendige, das Leben kann mich nicht verunreinigen …
Der Mensch kann erschaffen, er ist kein Hüter. Wenn er beschlossen hat, meine Gewässer mit dem Blut getöteter Wesen, mit schmutzigen Gedanken und Worten zu beschmutzen, dann ist das Leichtsinn. Ein solcher Mensch sollte sich nicht in meinem Wasser waschen …
Mensch, komm zu mir mit reinen Gedanken und Worten, mit Aufmerksamkeit, Respekt und Dankbarkeit! Ihr habt wunderschöne, kraftvolle Gebete, die euch und die Welt um euch herum reinigen. Schenkt den Fischen, Vögeln, Schlangen, Schnecken und Schmetterlingen, die mit mir leben, eure Aufmerksamkeit – sie beschmutzen mich nicht, sie können es nicht. Dann empfange ich dich gern in meinem Wasser und erfülle dich mit Reinheit und Kraft – dafür lebe ich.
Sonst muss ich, das Mädchen, gegen den menschlichen Dreck kämpfen, um ihn abzuwaschen. Das ist eine mühsame Aufgabe. Und schmerzlich für den Menschen …
Wir sind alle in der gleichen WIEGE geboren. Und wir bewahren sie, sie ist unser ZUHAUSE …
Euseus! Freund der Hüter. Ich helfe immer gern. Meine Schwestern und Brüder sind immer für dich da. Dies ist nicht nur euer Kampf mit der Finsternis für Reinheit, sondern auch unserer – für das Leben!
Alan kann mich noch nicht sehen. Meine Grüße an ihn. Er ist ein guter Mensch. Er kann das Leben in seinem Inneren hören. Das wird ihm Glück bringen.
Bitte, Freund der Hüter, wasche dich in meinem Wasser, bringe mir Freude!“ – Tschista lächelte mit dem Atem meiner Mutter und berührte meine Füße. Leise flossen Tränen aus meinen Augen – die Reinigung hatte begonnen. Ich konnte meinen leichten Umhang in der Gegenwart von Tschista nicht ablegen … Ich dankte dem VATER für das Geschenk des Lebens und kniete am Wasser nieder. Dankbar berührte ich das lebendige Wasser mit meiner Hand. Mit der feuchten Hand berührte ich meine Stirn. Ich stand auf und ging ins Wasser. Langsam tauchte ich dreimal in den Fluss und stellte mir vor, wie Licht von allen Seiten auf mich herabströmt. Ich sagte im Geiste: Im NAMEN des VATERS, des SOHNES und des HEILIGEN GEISTES.
Nach dem dritten Tauchgang war Tschista verschwunden. Alan stand neben mir im Wasser.
– „Ich habe verstanden, Meister. Ich möchte durch deine Hände getauft werden.“
Mit einer leichten Berührung half ich Alan, dreimal in den Fluss Tschistas einzutauchen. Wir sagten die geliebten Worte gemeinsam. So wurden Alan und ich einst getauft …
Damals dachte ich noch, es handele sich um ein Sakrament, das mehr als einmal gespendet werden kann. So mache ich es jetzt auch. Damals führte ich diese wunderbare Waschung überall dort durch, wo es lebendiges Wasser gab.

Ein paar Zeilen zum Gebet. Es unterschied sich von dem heutigen in einem Satz. Die anderen Unterschiede waren unwichtig und hatten mit den Feinheiten der Übersetzung zu tun.
Diese Formulierung beinhaltet jedoch einen wesentlichen Unterschied. Wer jetzt betet, bittet den VATER, ihn nicht in Versuchung zu führen, sondern ihn vom Bösen zu erlösen. Dieser seltsame Satz steht im Widerspruch zu dem, was RABBI damals gesagt hatte: „Der VATER führt niemanden in Versuchung. ER liebt.“
Und im kanonischen Text des Jakobusbriefes, des Bruders des HERRN, gibt es Zeilen, die immer noch Bestand haben: „Und niemand soll, wenn er versucht wird, sagen: ‚Ich werde von Gott versucht‘, denn Gott kann nicht vom Bösen versucht werden und er versucht niemanden! Aber jeder Mensch versucht sich selbst: Er wird von seinen eigenen Begierden angezogen und gelockt. Und die Begierde, wenn sie gezeugt wird, gebiert die Sünde. Die Sünde, wenn sie herangereift ist, gebiert den Tod.
Es ist nicht nötig zu untersuchen, woher diese eigenartige Zeile im Gebet stammt. Das spielt keine Rolle. Ich sage euch einfach, wie es in meiner Jugendzeit geklungen hat. Es ist eine Übersetzung aus dem Altgriechischen ins moderne Russisch: „… bewahre uns vor Versuchung und schütze uns vor dem Bösen.“

1  Provinz zwischen den heutigen Alanya und Osmaniye entlang der Mittelmeerküste

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 2

Auf dem drei- oder viertägigen Marsch zum nächsten Dorf, als die Sonne stark brannte und Wasser rar war, sahen wir vier Wanderer, die uns entgegenkamen. Das Gefühl, während sie sich uns näherten, war unangenehm, und wir konnten ihnen nichts geben außer den Kleidern, die wir trugen, und den Resten von Wasser und Brot. Und in meiner Umhängetasche befand sich unsere wertvollste Fracht, die Schriften der VOLLZIEHUNG.
– „Warte auf den Befehl“, sagte ich zu Lukas. – Wenn wir laufen, laufen wir nur vorwärts.
Ruhig nickte Lukas stumm.
Die Wanderer, die sich uns näherten, zückten alle vier schon früh ihre Messer – was mich zu der Annahme brachte, dass sie nicht vorhatten, mit uns über GOTT zu sprechen. Die beiden in der Mitte, von denen einer das Sagen hatte (was man an seinem Gesichtsausdruck erkennen konnte), kamen bis auf Armeslänge an uns heran, die beiden anderen gingen in einem Bogen um uns herum und versuchten, uns in den Rücken zu fallen.
Ich schaute in die Augen des Anführers. Ich sah, wie seine rechte Hand mit dem Messer auf meine Kehle zuflog. Ich wich keinen Schritt zurück, sondern duckte mich mit einem Sprung nach links unter seinen Arm. Durch die Trägheit des Stoßes in die Luft drehte er sich ein wenig, so dass sich seine Seite vor mir öffnete, in die ich ihn mit beiden Händen stieß, so dass sich seine halb angewinkelten Beine ruckartig streckten. Der Stoß war heftig – und kam in die richtige Richtung. Lukas streckte wie selbstverständlich sein Bein aus. Der Anführer stürzte zu Boden, fasste seinen Mitstreiter und warf ihn zu Boden.
– „Weglaufen!“ – schrie ich Lukas zu.
Die Beiden, die nun hinter uns geraten waren, stürmten hinter uns her, wahrscheinlich aufgeregt, weil sie mit diesem Kampf nicht gerechnet hatten.
Wir liefen schnell, lange, ohne zu sprechen, und wir hörten den Tanz unserer Herzen.
Als ich bei dieser Hitze außer Atem geriet und meine Milz in der Seite zu schmerzen begann, drehte ich mich um. Ein Mann lief hinter uns her, sonst war niemand zu sehen. Als ich mich umdrehte, warf der Verfolger sein Messer weg.
– „Halt, Lukas!“
Wir hielten an und wandten uns dem uns Entgegenlaufenden zu. Sein Atem war noch schwerer als meiner. Er hielt sofort an, hob die Hände, um zu zeigen, dass er nichts in ihnen hatte. Dann beugte er sich vor, warf sich auf seine Knie und versuchte, Luft zu holen … Wir ließen ihn und uns selbst Luft holen.
– „Was willst du?“ – fragte ich. – „Es gibt nicht viel, was wir für dich tun können.“
– „Doch, das könnt ihr“, sagte der Mann. – „Nehmt mich mit!“
Das unerwartete Angebot führte zu einer kurzen Pause in der begonnenen Kommunikation.
– „Wozu?“ – fragte ich ihn.
– „Es gibt keinen Grund“, antwortete der Mann. – „Ich will mit euch gehen, nicht mit denen.“
– „Und warum?“ – fragte Lukas nach.
– „Deine Augen sind gütig … Und ich kann keine Menschen mehr für ein Stück Brot töten … Ich will nicht allein gehen. Nehmt mich mit. Ich werde umsonst für euch arbeiten … Und schlagt mich nicht … Ich esse nicht viel.“

Sein Name war Alan, ein entlaufener persischer Sklave. Vor nicht allzu langer Zeit verließ Alan seine Heimat Medien1, um sein Glück im großen Rom zu suchen. Er wurde alsbald versklavt. Und schnell, wenn auch zu spät, erkannte er, dass er sein Glück in seiner Heimat hätte suchen sollen. Er wurde zweimal mit Gewinn für den Vorbesitzer weiterverkauft. Und dann floh er und schloss sich diesen entlaufenen Vagabunden an …
Wir waren nun also zu dritt. Alan war rothaarig, hatte gelbe Augen und trug das Blut eines Kriegers von Alexander dem Großen in sich, der vor über vierhundert Jahren kurzzeitig Persien erobert hatte. Alans Urgroßmutter hatte ihm erzählt, dass in seinem Körper ein wenig griechisches Blut sei. Alan war einundzwanzig Jahre alt.
– „Ich kann und will den Weg des Bösen nicht mehr gehen“, sagte Alan.

Er ehrte den alten persischen Glauben, denn er war in der persischen Tradition erzogen worden. Es war fast vierhundert Jahre her, dass das große persische Reich existierte. Es wurde nicht mehr von einer alten Dynastie aus dem Königreich der Parther regiert, sondern von der Dynastie der halbnomadischen arischen Stämme, die aus dem Norden in dieses Land gekommen waren. Die Arier eroberten das griechische Reich und vergrößerten dann ihren Besitz auf achtzehn Königreiche, von Mesopotamien bis Indien. Die Könige der arischen (iranischen) Stämme betrachteten sich als einen verwandten Zweig der früheren parthischen Dynastie. Und das wird durch die Tatsache bestätigt, dass sie dem avestischen Glauben treu geblieben sind, den der Prophet Zarathustra fast tausendachthundert Jahre vor Christus gebracht hat. Die Parther verehrten weiterhin den Glauben an den allmächtigen Schöpfer der Welt Ahura Mazda, den Herrn der Weisheit, und behielt daher die Priesterschaft der Feuertempel bei …
Alan hielt sich nicht an die Gesetze des alten Glaubens, den er den guten Glauben nannte. Aber die Stunde war gekommen, und Alan hatte den starken Wunsch, die Richtung des Weges zu ändern, den er eingeschlagen hatte, als er sein Zuhause verließ. Sein Gewissen, im indo-arischen Sprachgebrauch „Reinheit“, quälte ihn.

Alan war ungewöhnlich sauber. Wenn es die Umstände erlaubten, wusch er sich fünfmal am Tag, ging aber nicht in den Fluss oder Bach, den er auf seinem Weg traf. Er hatte einen Lederbeutel bei sich, mit dem er Wasser aus dem Bach schöpfte und dabei ein Gebet flüsterte. Er wusch sich abseits des Baches und der Blicke der anderen.
Seinem Glauben entsprechend waren Feuer und Wasser heilige Schöpfungen, die nicht verunreinigt werden durften. Das Feuer auf dem Wege wurde nun von Alan gemacht. Er konnte nicht zulassen, dass das Feuer mit Wasser in Berührung kam. Das Holz wurde nun sauber und unbedingt trocken benutzt, damit keine Tropfen von feuchtem Holz in das Feuer gelangen konnten. Schließlich ist das Feuer das Bild des guten Schöpfers der Welt, das dem Menschen durch den Propheten hinterlassen wurde.
Alan aß nicht viel, nicht weil er nicht wollte – er aß kein Fleisch mit Blut (Blut muss ordnungsgemäß entfernt werden). Und selbst wenn das Blut ordnungsgemäß entfernt wurde, hat er nicht alles Fleisch gegessen. Auf diese Weise hatte er manchmal keine große Auswahl beim Essen unterwegs. Vielleicht war er deshalb so stark, leicht und widerstandsfähig und konnte uns lange Zeit nachlaufen, als wir vor den Räubern davonliefen.
Als er sah, dass wir das Pflichtgebet dreimal am Tag verrichteten, begann er, das Gebet fünfmal am Tag zu verrichten und auch in den frühen Morgenstunden zum Gebet aufzustehen. Alan war bemüht, zu seinem Glauben zurückzukehren. Er sagte zu uns:
– „Ich habe einst den Weg des Bösen gewählt. Das ist keine gute Sache. Ich bin dem Herrn der Dämonen gefolgt, aber der Allmächtige ist barmherzig, gelobt sei ER. ER hat mir eine Begegnung mit euch ermöglicht, und ich konnte eure Augen sehen. Das gibt mir Hoffnung: Wenn sich meine Seele an der ´Brücke der Entscheidung´ befindet, werden meine guten Taten zumindest ein wenig über den bösen liegen, und ich werde in das ´Haus der Lieder´ eingehen …“
– „Alan, was ist das Wichtigste in deinem Leben?“ – fragte ich.
– „Ich bin kein Priester, ich bin ein einfacher Mann, und das ist keine einfache Frage,“ lächelte Alan.
– „Versuche mir zu antworten, ich habe dich gebeten. – Wir haben beschlossen, gemeinsam zu gehen … Für mich ist es wichtig zu lernen, meine Nächsten wie mich selbst zu lieben, egal wie viel Ärger sie verursachen. Was sagst du?“
– „Du hast dir eine sehr schwierige Aufgabe gestellt. Dann werde ich mich auch bemühen! Ich möchte die Kräfte des Bösen besiegen, die mich daran hindern, in dieser schönen Welt glücklich zu sein. Dann komme ich sicher nicht in die Hölle … Und dann kommt auch sonst niemand in die Hölle. Ich möchte immer und für alle Zeit glücklich sein und keine Angst vor irgendetwas haben …“
– „Und wie kann man die Mächte des Bösen besiegen?“
– „Jeder, der den Weg des guten Willens gewählt hat, weiß das. Wir müssen mit guten Gedanken, guten Worten und guten Taten leben. Auch wenn es sehr schwierig ist. Aber jeder Mensch, auch ich, hat ein Gewissen. Das Gewissen, wenn man darauf hört, wird das Gute vom Bösen unterscheiden. Und es wird notwendig sein, einen guten Schritt zu machen, auch wenn ich es gar nicht will … Ich weiß, dass du mir dabei helfen wirst – man sieht es in deinen Augen, du bist standhaft in deinen guten Schritten, und dieser große junge Mann auch … Deshalb bin ich euch nachgelaufen …“

1Medien lag im heutigen Grenzgebiet von Iran und Irak

Die Geschichte von Euseus – Teil 2 – Kapitel 1

Lukas war ein kräftiger, blonder, großer junger Mann. Braune Augen, ausdrucksstarke gerade Nase, große Lippen, hohe Stirn. Starke Arme.
Sein Vater lebte nicht mehr. Seine Mutter gehörte zu unserer Gemeinschaft. Lukas hat sich mutig bereit erklärt, mich auf der unsicheren Reise zu begleiten. Er war ein Lehrling in unserer Schmiede und bat mich noch zu Zeiten Großvaters, sein Mentor im Leben zu sein, sein Vater, sein älterer Bruder. Ich habe nicht widersprochen. Wir waren Freunde, ich kannte ihn seit meiner Kindheit, ebenso wie Ani.
Wir lebten in der römischen Provinz Asien, in der Region Karien 1. Uns stand die Reise nach Osten bevor, entlang der römischen Hauptstraße, entlang der Küste des späteren Kleinasiens. Die smaragdblaue Kette des Mittelmeeres war manchmal auf unserem gebirgigen Weg zu sehen, was uns Kraft und Freude gab.
In jenen Tagen waren auf den Straßen des Imperiums, vor allem in seinem östlichen Teil, Prediger, Boten und Propheten bevorstehender Veränderungen keine Seltenheit; sie sprachen von Offenbarungen, die ihnen von oben erschienen. Wir begegneten auch Aposteln, Boten mit einem bestimmten Auftrag, einer Mission. Zu mir passten alle genannten Bezeichnungen: Ein Prophet ist normalerweise sowohl ein Prediger als auch ein Bote, und Johannes bestimmte mich zum Apostel. Ich war sein Apostel, von ihm als Bote RABBIES gesandt, der den direkten Segen des letzten und geliebten – wie sie ihn in den östlichen Gemeinden nannten – Jüngers Christi hatte.
Wie ich aussah … Ich werde versuchen, das zu schildern. Ich war, glaube ich, neunundzwanzig Jahre alt. Ani war elf Jahre jünger als ich. Sie und Lukas schienen im gleichen Alter zu sein. Ich war ewas überdurchschnittlich groß, mein Körper war stark, wie es die Schmiede verlangte, aber flexibel, so dass ich schnell weglaufen konnte. Mein Gesicht war etwas länglich und wurde durch einen dichten schwarzen Bart verlängert, den ich manchmal mit einem Messer glättete. Mein Haar war mittellang und hatte die gleiche Farbe wie mein Bart.
Normalerweise haben Großvater und ich uns gegenseitig die Haare geschnitten. Das Verfahren war einfach: Die eine Hand fasste das Haar zu einem Bündel zusammen, die andere Hand schnitt es mit einem Messer ab. Auf die gleiche Art und Weise wurden auch Bart und Stirnhaar geschnitten, wenn es bereits deutlich die Augen bedeckte. Lukas und ich waren Schmiede, also waren unsere Werkzeuge aus widerstandsfähigem Stahl und wurden öfter als sonst geschärft. Man könnte die Haare selbst kürzen, aber ein Freund macht es noch besser …
Zum Gesicht. Die Augen sind grau-blau. Ani nannte diesen Farbton früher „die Farbe des Himmels“. Um es genau zu sagen: die Farbe eines heißen Sommertagshimmels – sie waren eher grau als blau. Die Nase war ziemlich groß und breit. Die Lippen waren normal, mittelgroß, die Unterlippe größer als die Oberlippe. In schwierigen Situationen verkrampften sie sich natürlich, lächelten aber häufiger. Alles in allem: gewöhnliche Lippen. Ungewöhnlich waren sie bei Ani. Natürlich habe ich oft an sie gedacht, fühlte mich ihr nahe (sie muss auch oft an mich gedacht haben), abends tauchte ihr Bild beim Gebet als erstes auf.

Wir, Lukas und ich, sind ohne Gepäck von Dorf zu Dorf gelaufen. Der Sommer begann – Ende April war dort bereits Sommer. Wir blieben selten länger als drei Tage in einem Dorf. Zwei Tage reichten in der Regel aus, damit ein paar des Lesens und Schreibens kundige Einwohner die Texte, die wir bei uns hatten, möglichst fehlerfrei abschreiben konnten. Ich habe jedoch nach einem Treffen mit den Bewohnern entschieden, ob ich die Texte zum Abschreiben gebe oder nicht. Bei diesen Treffen sprach ich über RABBI, das WORT des VATERS, das uns vom HERRN offenbart wurde, über die Gebote der LIEBE, die der LEHRER gebracht hat, über die ZEIT des GERICHTS und ihre Zeichen, über das NEUE ERSCHEINEN des LEHRERS. Ich erzählte auch von Wundern, Heilungen und Dämonenaustreibungen. Und wenn einer der Zuhörer besessen war, führte seine unvermeidliche Befreiung von dem Dämon fast immer dazu, dass er das Verkündete annahm. In dem Haus, in dem wir wohnten, pflegte ich unsere Gastgeber und – was noch wichtiger war – deren Kinder durch Gebet und Handauflegen zu heilen. Der zweite Tag war der Heilung der Kinder des Dorfes gewidmet – mit Gebet, einem freundlichen Wort, gesegnetem Wasser, einfachen Erklärungen zu den Ursachen von Schmerzen und Verletzungen. Einige Erwachsene ließen sich mit Wasser taufen und wurden als Gläubige bezeichnet, die den Weg des HEILS beschritten.
Der dritte Tag, sofern erforderlich, war der Behandlung der akutesten strittigen Fragen gewidmet. Dies geschah dann, wenn ein Vertrauen erweckt worden war in das, was ich ihm am ersten Tag gesagt hatte. Lukas überprüfte indessen die Qualität der Arbeit der Schreiber, hatte aber nicht immer die Zeit dazu. Am Morgen des nächsten Tages gingen wir weiter nach Osten und nahmen die Original-Evangelien und -Epistel mit, mit denen wir in das Dorf gekommen waren. Ich ließ die Botschaft von Johannes nirgends zum Abschreiben liegen, aber bei Gelegenheit, wenn ich sah, dass ein Herz von der Wahrheit bewegt wurde, gab ich sie zum Lesen für die Zeit, in der wir im Dorf waren. So haben wir es an Orten getan, an denen es keine Gemeinden gab.

Wenn wir unsere Reise fortsetzten, nahmen wir jedesmal nur Lebensmittel mit, meist Brot und salzigen Käse, Wasser und dunklen Wein, den wir mit Wasser verdünnten, um unseren Durst zu löschen und um an einem heißen Tag gut laufen zu können. Wir haben kein Geld genommen, egal wie viel sie uns anboten. Das war die Regel Großvaters seit der Zeit des RABBI gewesen. Es gab keine Ausnahmen von diesen Regeln. Und meine Wissensdrang fand die Antwort selbst: Silber zieht entsprechende Prüfungen und Gefahren an …
Von den Schriften habe ich nur wenige mitgenommen. Außer der bereits erwähnten Botschaft Großvaters packte ich in meine Reisetasche das Markus- und das Matthäus-Evangelium, sowie den Jakobusbrief. Hier ist eine kleine Erklärung nötig – ich werde versuchen, sie kurz zu halten.
Zu dieser Zeit zirkulierten in den christlichen Gemeinden zahlreiche Schriften des Neuen Testaments. Ich nahm nur die genannten Texte mit, weil mir das, was dort geschrieben stand, nahe lag und was meiner und Johannes‘ Meinung nach dem GEIST des RABBI, dem GEIST des WORTES, dem, was ER damals gesagt hatte, entsprach.
Die ersten Evangelien, das aramäische und das Markus-Evangelium, erschienen dreißig bis fünfunddreißig Jahre nach dem Fortgang des HEILIGEN. Das Aramäische hat sich bis zu der Zeit, aus der ich jetzt schreibe, nicht erhalten. Es war die Grundlage für das Matthäus-Evangelium in griechischer Sprache.
Das Markusevangelium ist, wie Johannes sagte, höchstwahrscheinlich ein Bericht über Petrus, der von einem seiner Jünger, vielleicht Markus, aufgezeichnet wurde. Wer wüsste besser als Johannes, wie sein enger Freund die Botschaft überbrachte und in welchem Stil er dies tat.

Ich verwende die allgemein bekannten Bezeichungen der Evangelien, wie sie für die Texte verwendet wurden, die von der Weltkirche im 4. Jahrhundert kanonisiert wurden. Aber die kanonisierten Texte, die ich in der Gegenwart (aus der ich jetzt schreibe) vor mir habe, unterscheiden sich von denen mit denselben Titeln, mit denen Lukas und ich nach Osten gegangen sind. Und während uns damals fast siebzig Jahre vom Weggang des RABBIS trennten, sind wir aus heutiger Sicht fast zweitausend Jahre davon entfernt.
Diejenigen, die es können, die gelernt haben, den GEIST des WORTES zu spüren, werden all diese Einfügungen und Verfälschungen selbst finden. Ich werde hier solche Analysen und Vergleiche nicht anstellen, das würde zu viel Zeit kosten. Diejenigen, die dies wünschen, können dies für sich selbst tun. Aber ich werde ein paar Dinge erwähnen, als Hilfestellung für diese Erzählung.
In der Version des Matthäus-Evangeliums, die ich damals in meinem Rucksack bei mir hatte, war Josef noch Jeschuas Vater und Petrus hatte noch nicht die Schlüssel zum Paradies und war noch nicht der „Fels“ oder „Stein“, auf den Christus seine Kirche bauen würde …
Und im Markusevangelium gab es die Verse neun bis zwanzig in Kapitel sechzehn nicht und wird es auch in den nächsten hundert Jahren nicht geben: Wie Maria Magdalena den weinenden Jüngern von der Auferstehung des LEHRERS berichtete, wie ER, der Auferstandene, den elf Jüngern bei Tisch erschien und sie wegen ihres Unglaubens und ihrer Herzensblindheit tadelte, weil sie denen nicht geglaubt hatten, die IHN als Auferstanden gesehen hatten; dass ER seine Jünger aufrief, die gute Nachricht in der ganzen Welt zu verkünden, und dass ER sagte, dass diejenigen, die nicht glauben und sich taufen lassen würden, verurteilt werden würden, dass aber das Zeichen, an dem diejenigen erkannt werden, die gläubig sind, die Wunder sein würden, die sie (die Gläubigen) begleiteten, sowie das Sprechen in neuen Sprachen. In diesen Versen steht auch geschrieben, dass der HERR JESUS, nachdem ER dies gesagt hatte, in den HIMMEL auffuhr und sich zur RECHTEN GOTTES setzte …
Und ein weiteres kleines Beispiel für diejenigen, die den HEILIGEN GEIST lieben, um selbst die Gegenwart des WORTES des VATERS zu erkennen.
In Vers 45 des zehnten Kapitels des Markusevangeliums heißt es: „Denn auch der MENSCHENSOHN ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und SEIN Leben als Lösegeld für viele Menschen zu geben.“ Ich denke, es ist leicht zu erkennen, dass hier später eingefügt wurde: „… und SEIN Leben als Lösegeld für viele Menschen zu geben“.

Von den Briefen der Jünger hatten wir nur den von Jakobus bei uns. Der Grund dafür ist, dass in diesem Brief das WORT des RABBI vorkommt, was bei Briefen der Jünger sehr selten ist, sowohl bei den realistischen, als auch bei den fiktiven Briefen. Großvater, ich und mein jüdischer Nachbar übersetzten diesen Brief einst vom Aramäischen ins Griechische.
Die kanonisierte Fassung auch dieses Briefes weicht vom Original ab – vor allem das Schlusskapitel, das es zur Zeit unserer Reise in den Osten in dieser Form noch nicht gab.
Die Briefe und Sendschreiben des Paulus haben wir nicht mitgenommen, obwohl sie in den christlichen Gemeinden am häufigsten gelesen wurden, vielleicht weil die anderen Jünger keine Briefe und Sendschreiben verfasst haben, mit Ausnahme von ein oder zwei umstrittenen. Und die Briefe des Paulus kamen weiterhin in den Gemeinden der römischen Kirche an, obwohl Paulus längst verstorben war.
Ich sah in den Briefen des Paulus, in seiner Lehre, nicht den GEIST des RABBI (vielleicht zu Unrecht) und betrachtete die Ansichten von Paulus als eine separate Schule (Sekte) innerhalb des Judentums, als einen Versuch, die Heiden auf Paulus‘ eigene Weise zum GOTT Israels zu bringen. Ich aber, Euseus, der ich ein Heide war, wollte zum VATER der LIEBE auf dem WEG kommen, den RABBI gebracht hat, und ich sah SEINEN WEG zur LIEBE als den einzig wahren an. Und wir haben uns an die BOTSCHAFT des WORTES GOTTES gehalten, nicht an die Lehre des Paulus. Und für das, was ich meinen Nächsten erzählte, war ich allein verantwortlich, mit Johannes´ Segen …

Nach fast einem Monat unserer Reise, als etwa vierzig Tage vergangen waren, seit Johannes den Körper verlassen hatte, erschien er mir am Morgen. Und es war kein Traum.
Es war, als ob Großvater mich umarmte und sich vielleicht von mir verabschiedete: „Mein Sohn, mein Lieber. Bewahre den HEILIGEN GEIST in dir, den GEIST des RABBI. Vergiss nicht, mein Lieber, es ist deine Arbeit, dein Bemühen. Es ist kein Wunder des Himmels, das dich heilig werden lässt, oder ein Sprechen in mehreren Sprachen. Es ist dein Bemühen auf dem Weg zur Erfüllung des WORTES des HERRN!“.

… Auf unserer Sommerreise entlang der Küste des Mittelmeeres machten wir zweimal in Dörfern Halt, in denen es christliche Gemeinden gab, die Johannes zusammen mit Prochor gegründet hatte. Diese Gemeinden hatten die gleichen Prinzipien des Zusammenlebens wie die Jerusalemer Gemeinde der direkten Jünger Jesu: ein gemeinsamer Tisch, gemeinsame Besitztümer, gemeinsame Mahlzeiten mit Abendmahl, Treffen, bei denen man sich gegenseitig seine Sünden und Fehler offenbarte und sich gegenseitig vergab. Alle waren in dem einen Gebet vereint, das das WORT für die Jünger hinterlassen hatte. Das Gebet wurde dreimal am Tag verrichtet und war für die Gläubigen ein obligatorisches Sakrament.

Hier sind einige Grundprinzipien des Lebens in einer solchen Gemeinschaft:
„Teilt alles mit euren Brüdern und Schwestern; sagt nicht: ‚Das ist mein Eigentum‘; denn wenn ihr verankert seid im Unsterblichen, ist das nicht mehr als die sterblichen Dinge?“
„Wenn dir jemand etwas nimmt, dann verlange es nicht zurück, denn das kannst du einfach nicht tun.“
„Wer euch bittet, dem gebt, aber bittet nicht um Rückgabe – der Vater will, dass ein jeder von den Gaben eines jeden etwas bekommt.“
„Selig ist, wer gibt, denn er ist ohne Schuld.“
„Wenn jemand etwas nimmt, was er unbedingt benötigt, so ist er nicht schuldig; wer nimmt, was er nicht braucht, der ist schuldig.“ 2
„Sei nicht jemand, der seine Hände ausstreckt, um zu empfangen, und sie dann wieder zurückzieht, wenn er etwas zu geben hat.“
„Verursache keine Uneinigkeit, sondern versöhne die Streitenden“.
„Wenn du dich in schwierigen Umständen befindest, nimm sie als Segen an, denn ohne Gott geschieht nichts.“
„Entzieht euren Kindern eure Fürsorge nicht; lehrt sie von Kindheit an das Wort Gottes.“
„Bekenne deine Sünden vor deinen Mitmenschen und gehe nicht mit einem unreinen Gewissen ins Gebet.“
„Verlasset nicht die Gebote des Herrn, sondern haltet, was ihr empfangen habt, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen.“
Eines der Grundprinzipien des gläubigen Christen lautet: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, und tue einem Anderen nicht das an, was du für dich selbst nicht wünschst.
Natürlich hörte Johannes all diese Grundsätze vom RABBI, ebenso wie andere direkte Jünger, die den lebendigen LEHRER in Fleisch und Blut kannten. Es mag in diesen Grundsätzen verbale Ungenauigkeiten geben, aber der GEIST des LEHRERS ist in ihnen enthalten.

Für die wirtschaftlichen Angelegenheiten war ein gewählter Diakonenrat oder ein einzelner Diakon zuständig. Ein Diakon ist ein Diener. In einer größeren Gemeinde konnte der Älteste, der Bischof, in den Vorstand der Diakone gewählt werden, um sich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten zu kümmern. In diesen Rat wurden durch allgemeinen Beschluss der Gemeinde Männer gewählt, die des Herrn würdig waren – barmherzig, wahrhaftig, sanftmütig und erfahren.

Nach den Regeln der Gemeinden durften Lukas und ich nicht länger als zwei Tage in der Gemeinde bleiben. Ich wurde als Apostel, als Prophet und Prediger angesehen und wahrgenommen. Aber ein solcher Mensch konnte nicht länger als zwei Tage in einer Siedlung bleiben, er musste weiterziehen, sonst war er ein falscher Prophet. Aber die Brüder und Schwestern wollten länger Gemeinschaft mit uns haben. Vom dritten Tag in der Gemeinschaft an wurden Lukas und ich also zu Schmieden und arbeiteten für den gemeinsamen Tisch. Und abends erzählten wir weiter über das WORT GOTTES.

Die Gläubigen sollten nicht einen Propheten hinterfragen – ob er wirklich ein Prophet oder ein Apostel war. Allerdings wurden nicht alle, die im Geist (der Wahrheit) sprachen, als Propheten angesehen, sondern nur diejenigen, die dem Wesen des HERRN entsprachen; nur aufgrund seines Wesens wurde ein Prophet als authentisch anerkannt. Ein Prophet, der die Wahrheit lehrte, sie aber nicht selbst praktizierte, galt als falscher Prophet, und solche Informationen wurden per Botenpost an die nächstgelegene Gemeinde – und weiter in der Informationskette – weitergegeben.
Wenn ein Prophet für seine Reise Geld oder etwas anderes verlangte, sollte man es ihm nicht geben, selbst wenn er ein echter Prophet war. Wenn er um Geld für die Armen bat, sollte man geben, wenn man konnte.
Natürlich hielten Lukas und ich uns strikt an diese Regeln und hatten unterwegs immer etwas zu essen und zu trinken dabei. Und auf dem Rückweg warteten sie schon auf uns …

1Gebiet im Südwesten der heutigen Türkei, Rhodos gegenüber

2 Vermutlich eine Regel innerhalb der Gemeinschaft

Die Geschichte von Euseus – Teil 1 – Kapitel 23

Am Morgen des Tages, als der Frühling anbrach, kam Johannes herein. Er umarmte Ani und mich. Er sah uns in die Augen und lächelte. Er sah gut aus, war ruhig und strahlend wie immer.
Ani hat den Tisch für das Frühstück gedeckt. Ich habe Großvater gebeten, das Brot zu brechen. Er dankte dem VATER. Der LEHRER wurde nicht vergessen. Ich segnete den Becher mit Wein und dankte dem VATER für seinen SOHN. Kommunion aus einem Becher … wir kosteten das Brot … danach Käse. Wieder einen Becher … Ani sah uns an und ging leise in den Garten. Es ist Frühling – man muss sich beeilen, wenn man zwei Ernten einfahren will.

– „Was ist los, meine Lieben? Wie ich sehe, geht es euch gut. Lasst mich nicht im Stich“, lächelte Großvater traurig und streichelte meine Hand.
Unruhig rührte ich mit dem Löffel:
– „Wie geht es dir?“
– „Ich fühle mich wie in der Jugend. Ich beklage mich nicht über meine Gesundheit. Aber zum Heiraten ist es ein wenig zu spät“, sagte er, und ein vertrautes Lächeln strahlte in seinen Augen. – „Es ist langweilig ohne euch. Ich dachte, ich schau mal rein … Du hast mich schon lange nichts mehr gefragt … Ich verstehe, es ist jetzt Zeit für mich, dich zu fragen … Aber trotzdem, mach Großvater glücklich! Also los, machen wir es wie damals, als wir noch Kinder waren – die wichtigste Frage. – Großvater legte seine Hand auf meine, und klopfte darauf mit Nachdruck: – „Also los!“

– „Großvater, ich habe eine Frage“, ergriff mich der Eifer wie gewohnt – „die wichtigste Frage für heute!“
– „Das ist gut, sehr gut, Euseus! Wahrscheinlich wieder nach der Apostelgeschichte! Es gibt eine Frage, die du hättest stellen sollen,“ – die Augen Großvaters blitzten mit dem vertrauten Feuer auf.
– „Kannst du sie benennen, wenn du so schlau bist?“ – Ich spielte mit.
– „Warum nicht? Darf ich raten?“
– „Ein Becher vom jungen Wein, aus den Fläschchen! Es wird kalt, der letzte!“
– „Gut!“ – freute sich Johannes. – „Du willst über das Herabkommen des GEISTES zu Pfingsten sprechen!“ – Großvater wollte mir wieder auf die Hand schlagen, aber ich konnte sie zurückziehen – er schlug auf den Tisch. Er lachte.
Ich stand auf, ging, schaute wohin ich musste, brachte es und schenkte ein. Wir tranken … Durch die Wirkung wurde unsere Laune schnell angehoben.

– „Großvater, schau! Es steht nur im Lukasevangelium, sonst nirgendwo … In Jerusalem, vor Seiner Himmelfahrt, erschien Jesus den elf Jüngern – auch du warst dabei – und Er sagte: „Und nun sende Ich euch, was mein VATER versprochen hat. Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr durch die Kraft aus der Höhe gestärkt werdet …“. Hat RABBI das zu euch gesagt? Hattet ihr – oder nur du – eine solche Vision?“
– „Nein, das hat Er nicht gesagt. Und es gab keine solche Vision, das weißt du selbst“, lächelte Johannes.
– „Dann lass uns weitermachen, mein Lieber.“
Großvater war zufrieden. Was er wollte, ist geschehen. Wir hatten uns in übermütige Bengel verwandelt.
– „In der Apostelgeschichte wiederholt sich derselbe Autor, erzählt es aber anders … RABBI sagt euch in der Vision: „Wartet auf die vom VATER verheißene Gabe, von der ihr durch Mich gehört habt. Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet bald mit dem HEILIGEN GEIST getauft werden.“ Ihr, dieselben Elf, habt dann den Lehrer gefragt: „HERR! Wirst Du nun das Reich Israel wiederherstellen?“ Er antwortete euch: „Es steht euch nicht zu, Zeiten und Dauer zu kennen, die euer Vater durch Seine Autorität festgelegt hat! Wenn aber der HEILIGE GEIST auf euch kommt, werdet ihr Kraft empfangen und Meine Zeugen sein in Jerusalem und … bis ans Ende der Erde.“
– „Mein Sohn!“ – Johannes unterbrach mich. – „Wir haben schon gesagt, es ist eine Legende.Wie sonst soll man nach sechzig Jahren noch schreiben?! Drei Generation nach RABBI? Betrachten wir die grundlegende Frage.“

– „Gab es ein Wunder? Ist der HEILIGE GEIST auf euch herabgekommen, wie geteilte Zungen, die an Flammen erinnern? Bei jedem von euch?“
– „Ich habe keine Zungen gesehen. Aber es war außergewöhnlich. Es entstand ein Rauschen. Und ein grelles Licht, wie ein riesiger Strahl. So habe ich es gesehen. Am Anfang hatte ich sogar Angst, mein Haar bewegte sich … Es war ein Wunder. Nicht nur für jeden von uns, sondern für alle, die dabei waren. Viele Menschen haben es gesehen – es war ein großes Fest. Menschen aus verschiedenen Reichen waren gekommen. Dann verschwand das Rauschen und das Licht, so wie sie gekommen waren …“
– „Und? War RABBI in diesem Licht?“
– „Nein … Du weißt doch, dass Er am vierzigsten Tag zu Seinem VATER gegangen war. Ich habe dir mehr als einmal gesagt, mein Sohn, wie es war …“
– „Und was geschah dann? Habt ihr über die großen Taten GOTTES in verschiedenen Sprachen gesprochen?“
– „Irgendjemand fing plötzlich an zu reden … Nach all dem. Ein Anderer fiel auf die Knie und betete … Einige der Juden, die an dem Wunder teil hatten, begannen zu reden … Auch einige unserer Leute, aus der Gemeinde, begannen zu reden … Nur habe ich die Sprachen nicht verstanden. Diejenigen, die gesprochen haben, haben auch nicht verstanden, was sie gesagt haben.“
– „Hast du gesprochen?“
– „Nein. Ich sprach damals schon wenig Griechisch. Nach dem Wunder habe ich nicht besser gesprochen. Ich habe es erst später gelernt,“ – lächelte Johannes.
– „Hast du angefangen, Visionen und Prophezeiungen zu sehen? Hat sich etwas in dir verändert? Hattest du eine besondere Fähigkeit?“
– „Später erfuhr ich, dass einige der Jünger Träume und Visionen zu sehen begannen, ebenso wie einige der anderen Juden. Wir waren alle zusammen in der Nähe des TEMPELS … Sie prophezeiten, sie erhielten Offenbarungen über das REICH GOTTES, über das kommende GERICHT. Sie sind in den dritten HIMMEL aufgestiegen.“
– „Und du?“
– „Du weißt es doch. Mit mir ist nichts passiert. Wie RABBI lehrte, Dämonen auszutreiben, das ist bei mir hängengeblieben. Was ich durch RABBI bekommen habe, das versuche ich zu bewahren …“
– „Was war das, Großvater?“
– „Ich weiß nicht, mein Sohn… Die Heerschar GOTTES ist groß. Aber RABBI war nicht da. Und ich habe Seinen GEIST nicht gesehen, wegen meiner Kleinheit. Es war … wie ein Wunder für alle Juden zur Bestätigung des alten Gesetzes. Der große Tag war der Tag, an dem Mose seinen Vertrag mit GOTT geschlossen hat …

Es ist an der Zeit, mein Sohn. Es ist wirklich an der Zeit. Ich habe getan, was ich tun wollte. Und was ich konnte. Ich preise Gott dafür, dass er mir das Leben geschenkt hat.
Du wirst tun, was ich schon nicht mehr tun könnte … Sei nicht traurig, mein Lieber, ich fühle mich gut. Ich bin froh, dass du mit Ani zusammen bist. Ich vertraue darauf, dass sie auf dich warten wird …
Ich lasse meine alten Kleider in Frieden zurück, sie eignen sich nicht mehr für Heldentaten, aber sie kreisen noch in meinem Kopf herum“, lächelte Großvater, seine Augen leuchteten. Mein Herz zog sich zusammen. – „Ich werde zum VATER gehen, zum RABBI … Einst bat ich zusammen mit den nahestehenden Brüdern darum, bei Ihm im HIMMEL zu sein.Vielleicht geschieht es … Ich hoffe, dass ich von den Toten auferstehe.
Ich bin gespannt, mein Sohn, was sein wird. Vielleicht vertraut mir der VATER ein reines Gefäß an! Ich würde mit der BOTSCHAFT bis ans Ende der Welt gehen, und dort mit dir eine Gemeinde aufbauen …

Und was mein Buch angeht … Schreib es selbst zu Ende und füge hinzu, was ich dir gesagt habe. Und unsere Taten bis zum heutigen Tag. Und vergiss nicht die Verbannung …“
Ich weinte und umarmte Großvater. Er streichelte meinen Rücken und weinte mit mir …
Die Augenblicke vergingen zeitlos. Johannes sagte leise, fast flüsternd:
– „Wenn du nach Osten gehst, weg von Rom, in die Nähe des großen Flusses, gründe eine Gemeinschaft zusammen mit deinen Freunden … Nicht schlechter als unsere. Es wird eine gutes Andenken sein …

… Johannes wachte am nächsten Morgen nicht auf. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln wie eine Botschaft: „Mir geht es gut.“
Meine Freunde verziehen mir meine Schwäche: Ich konnte nicht an der Beerdigung mit der schönen, alten Kleidung Großvaters, der immer noch lächelte, teilnehmen.
„Großvater, ich habe die Nachricht empfangen. Ich werde wie vereinbart handeln. Ich werde dich immer lieben. Ich danke dir für alles … Und ich glaube an unser Wiedersehen. Ehre sei dem LIEBENDEN VATER!“

… Ich lebte noch nicht ohne ihn. Gefühle. Die Gefühle haben uns zu einer Einheit verwoben. Freund, Vater, Großvater … Und jetzt ist es, als ob der andere Teil von dir aufgehört hat zu atmen – und irgendwo ohne dich lebt …
Die Bande, die über die Jahre hinweg geknüpft worden waren, begannen plötzlich zu zerreißen. Aber nicht auf einmal, sondern zäh, sich auseinander ziehend, alles im Inneren umstürzend … Denn sie, die Gefühle, mussten sich irgendwie trennen. Im Inneren zog es sich zusammen, stürzte alles zusammen, wurde auf den Kopf gestellt und klagte.
Dazu kam der quälende Gedanke, dass ich bald ins Ungewisse aufbrechen würde, ohne Ani mitnehmen zu können …

Drei Tage lang war ich sehr zerrissen … Am frühen Morgen des vierten Tages sah ich Johannes. Er setzte sich neben unser Familienbett. Ich dachte: „So hat Johannes RABBI einmal gesehen …“
Ich sah Großvaters Lächeln. Lebendig! Ich war innerlich ein wenig erleichtert. Ich horchte in mich hinein: „Mir geht es gut, mein Sohn. Ich schätze, ich bin wieder von den Toten auferstanden! Ich werde vorerst bei dir sein … Verliere nicht deine Kraft vor lauter Sorge.“

… Am neunten Tag versammelte sich die Gemeinde zu einem gemeinsamen Mahl. Wir brachen das Brot zum Gedenken an RABBI. Wir haben den Kelch gesegnet. Wir haben das Abendmahl empfangen. Die zweite Runde erinnerte an den wunderbaren Großvater Johannes, den man einfach lieben musste.
Während der Mahlzeit drückte Ani meine Hand:
– „Großvater blitzte vor meinen Augen auf!“ – wunderte sie sich.
– „Großvater ist hier. Da ist er“, zeigte ich mit dem Kopf. – „Ich bin froh, dass du ihn sehen kannst. Mach es so wie damals, als du nach Olivia suchtest …

… Ani und ich gingen schweigend hinaus. Ich musste mich auf meine Reise vorbereiten. Es gab keinen anderen Weg. Die Frohe Botschaft zu verkünden und eine Gemeinschaft aufzubauen, die kein Beelzebub besiegen kann – das war der Sinn meines Lebens. Und in diesen Sinn konnte Ani sich einbinden …
– „Geliebter, ich bin froh, dass du mich als deine Frau genommen hast. Ich liebe dich. Wir sind schon ewig zusammen. Siehst du, Olivia sagt doch, wir sind miteinander verflochten. Wo auch immer du bist, da werde ich auch sein. Du denkst an mich – und schon küsse ich dich. Ich wusste ja, dass das einmal kommen würde – du musst gehen … Dem HIMMEL sei Dank, wir sind füreinander bestimmt.
Wenn dich Eine so liebt wie ich, dann soll sie mit dir kommen. Sie wird meine Schwester, wir werden dich gemeinsam lieben … Ich werde immer auf dich warten. Ich werde auf dich warten und dich so sehr lieben, dass du zurückkommst, wo immer du auch bist,“ – das hat Ani in der letzten Nacht gesagt.
– „Ich werde zurückkommen… Ich muss zurückkommen“, wiederholte ich den Satz. Tränen flossen leise …
Der Abschiedsabend war ebenso ungetrübt und zärtlich wie die vorangegangenen Abende. Nur haben wir mehr geweint als sonst. Wir haben geweint und gelacht …

Frühmorgens – der Frühling ging gerade in den Sommer über – machte ich mich auf den Weg. Mein Begleiter, mein junger Freund und Schüler Lukas, sollte am Dorfende warten … Meine Freunde wussten, dass ich am Morgen ohne Abschied gehen würde. Dionysos, jetzt unser Hohepriester, der Schmiedemeister, der Vater von Ani, sorgte dafür, dass niemand kam mich zu verabschieden. Wir beschlossen, uns nicht das Herz zu brechen – viele schöne Erlebnisse haben sich in diesem Frühjahr ereignet.
Ani stand lange auf der vom Morgenrot überfluteten Straße. Ich versuchte, nicht zurückzuschauen, aber vergeblich …